Er ist ein internationaler Filmstar und wohnt in St. Tropez - doch seine Heimat nennt er Mayen und Rheinland-Pfalz. Seine ersten Theaterschritte machte Mario Adorf in Mainz, wo er auch studiert hat.
Die Zahl seiner Film- und Fernsehrollen liegt bei mehr als 200. Kaum ein deutscher Schauspieler hat ein solches Repertoire auf die Bühne, die Leinwand oder ins Fernsehen gebracht wie Mario Adorf. Für seine Arbeit ist er mit Preisen überhäuft worden. Es gibt kaum eine Auszeichnung der Branche, die er noch nicht bekommen hat: Zuletzt wurde er mit dem Herbert-Strate-Preis ausgezeichnet (2019). Davor mit dem Bambi für sein Lebenswerk sowie mit dem Ehren-Leopard beim Internationalen Filmfestival von Locarno (beide 2016). 2015 bekam er den Preis für Schauspielkunst, den er beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen persönlich entgegen nahm.
Mario Adorf ist immer mal wieder zu Besuch in seiner rheinland-pfälzischen Heimat. Vieles verbindet ihn seit seiner Kindheit mit dem Land zwischen Rhein und Mosel. Geboren wurde Adorf 1930 in Zürich als nicht-ehelicher Sohn eines italienischen Chirurgen aus Kalabrien und einer Röntgenassistentin aus dem Elsass. Bei der Mutter wuchs er in Mayen in der Eifel auf, wurde katholisch erzogen. Hier ging er zur Schule und machte sein Abitur. Seinen Vater sah er nur einmal kurz in seinem Leben.
In Mayen lernte Adorf boxen
Es war keine einfache Zeit, in der Adorf seine Kindheit und Jugend verbrachte: Nazi-Deutschland, der Zweite Weltkrieg und schließlich die Nachkriegsjahre. Hier lernte er das Boxen - als Mittel zum Zweck. "Wenn man sich nicht wehren konnte, wurde man brutal ausgeraubt, wenn man mal etwas erstanden oder gehamstert hatte. Man musste sich nolens volens verteidigen können, sonst war man schlecht dran", erinnert sich Adorf in einem SWR-Interview.
1950 machte er in seiner Heimatstadt, wie Adorf Mayen nennt, das Abitur. Anschließend begann er, die Welt zu erobern. Zunächst war es aus heutiger Sicht nur ein kleiner Schritt. Mit dem Zug fuhr der damals 20-Jährige von Mayen nach Koblenz und von dort nach Mainz. Sein Ziel war die Johannes Gutenberg-Universität. Was er hier genau wollte, wusste Adorf damals selbst nicht so genau.
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Erste Schauspielerfahrung in Mainz
"Ich gehörte einer Generation an, die in ihrer Jugend durch die Einflüsse der Nazi-Ideologie einerseits und durch die wegen der Kriegsereignisse mangelhafte schulische Bildung andererseits, geschädigt war", erzählte Adorf später. Bei ihm habe nicht der Gedanke im Vordergrund gestanden, das Studium mit einer festen Absicht und Aussicht auf einen bestimmten Beruf anzustreben, "sondern das tief empfundene Bedürfnis, die schlimmsten Bildungs- und Wissenslücken erst einmal durch ein Studium Generale auszufüllen". Er entschied sich für Psychologie-, Philosophie- und Literatur-Vorlesungen und für Theaterwissenschaften. Zudem gehörte er der Studenten-Boxstaffel an, die um die deutsche Universitätsmeisterschaft kämpfte. An der Studentenbühne sammelte Adorf zudem die ersten Schauspielerfahrungen.
Prägende Jahre an der Universität
Einfach waren die Mainzer Jahre nicht. Finanzielle Unterstützung gab es keine, sein Geld musste sich der junge Student mit Ferienjobs verdienen. Nicht selten war der Hunger groß. Es war zwar mit vier Semestern nur eine kurze Zeit in Mainz. "Aber diese Erfahrungen haben sich bei mir eingeprägt. Das waren zwei der wichtigsten Jahre meines Lebens", sagte Adorf rückblickend.
Es folgten noch einige Semester in Zürich und schließlich der Wechsel an die renommierte Münchner Otto-Falckenberg-Schule. An der Schauspielschule wurde Adorf entdeckt. Mitte der 1950er Jahre hatte er in kürzester Zeit bereits in elf Filmen mitgespielt. Sein Durchbruch als Film-Schauspieler gelang ihm 1957 als brutaler Massenmörder Bruno in Robert Siodmaks "Nachts, wenn der Teufel kam".
Bei der Interpretation der Rolle kam Adorf der Mix seiner Universitätsvorlesungen zu Gute. "Wer hätte gedacht, dass zum Beispiel die Beschäftigung mit dem Krankheitsbild von Sexualtätern mir später den Schlüssel zur Darstellung des Massenmörders Bruno Lüdke liefern würde?", sagte Adorf vor einigen Jahren. Überhaupt habe ihm der "so kunterbunt und scheinbar zufällig gewählte Lehrstoff" von Anfang an einen spürbaren Vorsprung vor vielen Schauspielerkollegen verschafft.
Vom Winnetou-Bösewicht zum großen Bellheim
Die Rolle des Massenmörders bescherte Adorf neben dem Bundesfilmpreis auch ein Image: Jahrelang war er auf die Darstellung von Schurken und Ganoven festgelegt. In "Winnetou I" ermordete er in der Rolle des bösen Widersachers Santer Winnetous Schwester Nscho-Tschi, ein grausamer Film-Akt, auf den er heute noch angesprochen wird. "Das war der klassische Bösewicht, der mir sehr übel genommen wurde. Aber das ist dann auch ganz schön, wenn man so gehasst wird von ein paar Generationen. Das ist besser, als unbemerkt zu bleiben", sagte er einmal.
Nachdem Adorf, der fließend Deutsch, Italienisch, Französisch und Englisch spricht, in den 1960er Jahren vor allem in italienischen Filmen mitgespielt hatte, wandte er sich in den 1970er Jahren wieder dem deutschen Film zu und stand unter anderem für Volker Schlöndorffs oscarprämierte "Blechtrommel" vor der Kamera.
Im Fernsehen begeisterte er ein großes Publikum in Produktionen wie "Der große Bellheim" von Regisseur Dieter Wedel oder der Münchner Schickeria-Serie "Kir Royal" von Helmut Dietl, der ihn auch für die bitterböse Gesellschaftssatire "Rossini - oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief" vor die Kamera holte.
Mitbegründer der Wormser Nibelungen-Festspiele
2002 rief er gemeinsam mit den Journalisten Hans Werner Kilz und Bettina Musall sowie dem verstorbenen Wormser Bürgermeister Gerd Lauber die Nibelungen-Festspiele wieder ins Leben. Zum Auftakt spielte er natürlich einen Bösewicht: den Siegfried-Mörder Hagen. Zur großen Freude in Worms ist Adorf Mitglied im Kuratorium der Festspiele geworden.
Also wieder ein Band, das ihn mit Rheinland-Pfalz verbindet. Seine Heimatstadt Mayen machte ihn schon vor vielen Jahren zum Ehrenbürger, 2014 wurde der Mario-Adorf-Burgweg hinauf zur Genovevaburg nach ihm benannt. Einmal pro Jahr schafft Adorf es in der Regel in die Eifel, häufig zum Treffen des 1950er Abiturjahrgangs.
"Meiner Heimat verbunden"
Auch die Mainzer Universität hat er nie aus den Augen verloren. Gleiches gilt umgekehrt. 2010 erhielt er für sein beeindruckendes Lebenswerk die Ehrendoktorwürde. Neben Adorf wurde bislang nur dem ehemaligen Staatspräsident Frankreichs Valéry Giscard d'Estaing diese Ehre zuteil. In seiner Dankesrede sagte Adorf damals, er empfinde dies als Verantwortung und Verpflichtung, "in der mir verbleibenden Zeit weiterhin dieser Universität, dieser Stadt und dem Land Rheinland-Pfalz, meiner lieben Heimat, verbunden zu bleiben".
Seine Heimatstadt liegt rund 120 Kilometer nordwestlich von Mainz: "Man kann an vielen Orten zu Hause sein, aber man hat nur eine Heimat. Und Heimat, das ist dort, wo man aufgewachsen ist, wo man die ersten Kinderlieder gesungen hat, wo man die erste Liebe erlebt hat - und das ist für mich Mayen."
Mayen: Feier zum 90. Geburtstag wegen Corona-Pandemie ausgefallen
Seinen 90. Geburtstag am 08.09.2020 wollte Adorf eigentlich in Mayen feiern. "Es war eine große Feier mit mehreren hundert Leuten geplant", erzählte er im SWR-Interview. Wegen der Corona-Pandemie musste die Veranstaltung jedoch abgesagt werden. Sobald es wieder möglich ist, möchte Adorf seiner Heimat jedoch einen Besuch abstatten. "Hoffentlich noch in diesem Herbst."