In Neuwied hat am Freitag ein Haus des Jugendrechts aufgemacht. Seit Jahren gibt es dieses Kooperations-Projekt in Koblenz: Welche Erfahrungen hat man damit seit 2014 gemacht?
Die Flure im Haus des Jugendrechts in Koblenz sind weiß und kahl und sie strahlen eine Ernsthaftigkeit aus, die zum Zweck des Hauses passt. Wer als Jugendlicher hier entlang muss, ist in Schwierigkeiten: Gegen sie oder ihn wird wegen einer Straftat ermittelt.
Rund 18.000 Jugendliche standen laut Kriminalstatistik in Rheinland-Pfalz 2022 im Verdacht, eine Straftat begangen zu haben. Im Bezirk des Amtsgerichts Koblenz kommt ihre Akte - außer bei Sexual- und Wirtschaftsdelikten - auf die Schreibtische der Mitarbeiter im Haus des Jugendrechts.
Dort arbeiten Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft, der Jugendgerichtshilfe, der Jugendhilfe und des Jobcenters unter einem Dach zusammen. Sie alle sind daran beteiligt, wenn Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren straffällig geworden sind und nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden könnten.
Ziel ist es, dauerhafte kriminelle Karrieren zu verhindern
Nach Angaben des Justiziministeriums in Mainz geht es darum, nach Wegen zu suchen, um jugendliche Täterinnen oder Täter von weiteren Straftaten abzuhalten. Dabei müssten aber auch die jeweiligen Lebensumstände berücksichtigt werden. Die Strafe müsse der Tat aber schnell folgen. Unter 14 Jahren gelten jugendliche Täterinnen und Täter noch als strafunmündig.
Schnelligkeit ist im Jugendstrafrecht wichtig
Die enge Zusammenarbeit mit den kurzen Wegen über den Flur verkürze die Verfahrensdauer in der Regel um mehrere Monate, sagt Staatsanwältin Kirsten Mietasch. Sie vertritt seit der Eröffnung 2014 die Koblenzer Staatsanwaltschaft im Haus des Jugendrechts.
Eine schnelle Konsequenz auf die Straftat sei im Jugendalter enorm wichtig, betont auch sie. "Sobald die Polizei die Ermittlungen abgeschlossen hat, muss die Akte nur ein Stockwerk nach oben gebracht werden und liegt sofort auf dem Schreibtisch der Staatsanwaltschaft."
Haus des Jugendrechts Koblenz: Erziehung statt Strafe
Das Jugendstrafrecht will Jugendliche auf einen Lebensweg ohne Straftaten zurückbringen. Erziehung statt Bestrafung stehe daher im Vordergrund, sagt Thorsten Lemke, Leiter der ambulanten Jugendhilfe der Caritas im Haus des Jugendrechts.
"Fünf vor Zwölf" heißt etwa einer der Kurse, den die Caritas jugendlichen Straftätern anbietet. "Was passiert, wenn ich nochmals straffällig werde? Welche Ziele habe ich für die Zukunft und wie passen diese mit meinem Verhalten zusammen? Das sind Fragen, die wir im Kurs besprechen", sagt Lemke.
Gericht und Staatsanwaltschaft ordnen Sozialtrainings an
Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen erfüllten mit dem Besuch solcher Kurse meistens eine Auflage von Gericht oder Staatsanwaltschaft. Auch für Lemke hat die räumliche Nähe im Haus des Jugendrechts in Koblenz nur Vorteile. Schnell könne abgeklärt werden, ob ein bestimmtes Angebot für einen Jugendlichen überhaupt passe und ob es freie Plätze gebe. "Durch den Austausch konnten wir in Koblenz auch neue Angebote entwickeln, die eine Lücke abdecken".
In den vergangenen neun Jahren wurde so durch die Caritas unter anderem eine Betreuung für Jugendliche nach der Entlassung aus der Haft eingerichtet. Außerdem gebe es die sogenannte Gitterstunde. "In der Gitterstunde gehen wir mit Jugendlichen ins Gefängnis und sprechen dort mit einem Häftling", sagt Lemke. So könnten die Jugendlichen erfahren, wie Gefängnisse von innen aussehen und wie es sich anfühlt, am Eingang durchsucht zu werden.
Sechs Häuser des Jugendrechts gibt es in Rheinland-Pfalz
Um die 2.000 Fälle bearbeitet das Haus des Jugendrechts in Koblenz pro Jahr. Staatsanwältin Mietasch ist sich sicher, dass die Begleitung und Unterstützung der Jugendlichen durch die Kooperation besser geworden ist. Eine Statistik, die belege, dass weniger Jugendliche erneut straffällig werden, gebe es jedoch nicht.