Am 31. Januar 2022 wurden zwei Polizisten in der Nähe von Ulmet im Kreis Kusel erschossen. Zwei Tatverdächtige wurden festgenommen und verurteilt. Ganz Deutschland trauerte.
"Die schießen, die schießen" - das war der letzte Funkspruch, den die beiden Polizisten am frühen Morgen des 31. Januar 2022 gegen vier Uhr absetzen konnten. Die 24-jährige Polizei-Anwärterin und der 29-jährige Polizeibeamte waren in Uniform in einem Zivilfahrzeug unterwegs - eigentlich wegen einer Fahndung nach einem Einbrecher.
Nach den bisherigen Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft hatten die beiden auf der Straße zwischen Mayweilerhof und Ulmet einen Kastenwagen stehen sehen. Sie kontrollierten das Fahrzeug und entdeckten auf der Ladefläche mehrere tote Wildtiere. Als sie weitere Kontrollen durchführen wollten, sollen zwei Männer auf sie geschossen haben. Davon gehen die Ermittler zunächst aus.
Später gingen die Ermittler davon aus, dass nur einer der kontrollierten Männer geschossen hat. Die 24-jährige Polizistin wurde zuerst durch einen Schuss schwer verletzt. Anschließend soll der mutmaßliche Täter dreimal auf den 29-jährigen Polizeibeamten geschossen haben - ein Schuss davon soll tödlich gewesen sein. Anschließend soll der Täter nochmal zur Polizistin gegangen sein und sie gezielt getötet haben.
Zwei Tatverdächtige in Sulzbach festgenommen
Direkt nach der Tat begann rund um den Tatort im Kreis Kusel die Suche nach den Tatverdächtigen - unter anderem mit Hunden und einem Hubschrauber. Direkt neben der toten Polizistin entdeckten die Ermittler einen Ausweis und einen Führerschein. Noch am Tag der Tat wurden im saarländischen Sulzbach zwei 38-jährige und 33-jährige Männer festgenommen.
Am Tag nach der Tat erging gegen beide Tatverdächtige Haftbefehl wegen gemeinschaftlichen Mordes. Der 32-jährige machte gegenüber der Polizei umfangreiche Aussagen. Er sagte, er sei bei der Kontrolle dabei gewesen, habe aber nicht auf die Polizisten geschossen.
Anfang März bestätigte die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern die Aussagen des 32-Jährigen. Die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung sowie eine Befragung des Tatverdächtigen am Tatort lassen den Schluss zu, dass nur der 38-Jährige auf die Polizisten geschossen hat. Der jüngere der beiden Männer wurde daher Anfang März aus der Untersuchungshaft entlassen.
Zum Motiv sagten die Ermittler, die beiden Männer hätten mit den Schüssen eine andere Straftat vertuschen wollen - Wilderei. Zumindest der 38-Jährige soll nach SWR-Recherchen in vielen Jagdrevieren in der Pfalz und in Frankreich gewildert haben.
Am 10. Mai erhob die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern Anklage gegen den 38-Jährigen wegen Mordes. Ihm und dem 33-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft außerdem gewerbsmäßige Jagdwilderei vor. Dieser Anklagepunkt bezieht sich aber nur auf die mutmaßliche Wilderei in der Tatnacht. Wegen weiterer Wilderei-Vorwürfe ermittelt die Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Außerdem musste sich der 33-Jährige wegen versuchter Strafvereitelung verantworten.
Prozessbeginn um mutmaßlichen Mord am 21. Juni
Am 21. Juni begann vor dem Landgericht Kaiserslautern der Prozess gegen die mittlerweile 39- und 33-jährigen Angeklagten - viele Medienvertreter und Zuschauer zeigten, wie groß das Interesse an der Öffentlichkeit ist. Die Überraschung: Der Verteidiger des Hauptangeklagten verlas eine Erklärung mit der Tatversion seines Mandanten. Demnach habe der 33-Jährige Mitangeklagte die Polizistin erschossen. Der 39-Jährige habe in einer unübersichtlichen Situation auf ein Mündungsfeuer geschossen und erst später gemerkt, dass der Polizist tot war. Es sei eine Art der Notwehr gewesen.
Nach mehr als zwanzig Prozesstagen wurden am 23. November die Plädoyers gehalten. Für den 39-jährigen Hauptangeklagten forderte die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe mit der Anerkennung der besonderen Schwere der Schuld. Dem schloss sich auch die Nebenklage an. Für den 33-Jährigen forderte die Staatsanwaltschaft keine Haftstrafe, weil er erheblich zur Aufklärung der Tat beigetragen habe.
Die Verteidigung des Hauptangeklagten plädierte auf eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Sie sah Verfahrens- und Ermittlungsfehler. Außerdem versuchte sie, die Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten 33-Jährigen in Frage zu stellen. Man habe sich zu sehr auf die "Wahrheit" des Mitangeklagten verlassen, Widersprüche seien einfach weggewischt worden.
Verurteilung wegen zweifachen Mordes am 30. November
Das Gericht folgte der Forderung der Staatsanwaltschaft und verurteilte Andreas S. wegen zweifachen Mordes. Es wurde außerdem die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Außerdem wurde er wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und gewerbsmäßiger Jagdwilderei verurteilt. In der Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende Richter, der Angeklagte sei bei der Ermordung der Beamten "planvoll und eiskalt" vorgegangen. Wenige Stunden nach der Urteilsverkündung beantragten die Anwälte von Andreas S. eine Revision.
Juli 2023: Urteil ist rechtskräftig
Im Juli 2023 folgt dann die Entscheidung: Der Bundesgerichtshof lehnt die Revision ab. Damit ist das Urteil das Landgerichts Kaiserslautern rechtskräftig: Andreas S. muss lebenslang in Haft. Durch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld kann er nicht nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden.
Der Mitangeklagte Florian V. wurde ebenfalls wegen Wilderei verurteilt, von einer Strafe wurde jedoch abgesehen, da bei ihm die "Kronzeugenregelung" griff. Er habe maßgeblich zum Aufklären der Morde beigetragen, sagte der Richter.
Trauer in ganz Kusel und ganz Deutschland
Die tödlichen Schüsse von Ulmet haben in ganz Deutschland Trauer und Bestürzung ausgelöst. Beim Polizeipräsidium in Kaiserslautern gingen tausende Kondolenzschreiben aus der ganzen Welt ein. In Kusel fand drei Tage nach der Tat eine bewegende Trauerfeier für die beiden Polizisten statt, an der rund 800 Menschen teilnahmen.
Einen Tag später gedachten Polizisten in ganz Deutschland ihrer getöteten Kollegen. Die zentrale Trauerfeier fand in der Fritz-Wunderlich-Halle in Kusel statt - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) nahmen teil. Beide zeigten sich tief bewegt.
Große Anteilnahme bei Beerdigungen
Mitte Februar wurden die beiden Polizisten in ihren Heimatorten beigesetzt - wieder unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und von Kollegen. In Freisen im Saarland gaben rund 3.000 Menschen dem erschossenen Polizisten das letzte Geleit. Einen Tag später erwiesen rund 600 Menschen in Homburg der 24-jährigen Polizeianwärterin die letzte Ehre.
"Hate Speech" im Internet
Aber nicht alle Menschen trauerten um die beiden erschossenen Polizisten. Im Internet und den sozialen Medien gab es Hass-Kommentare. Beim Landeskriminalamt in Mainz wurde daraufhin eine Arbeitsgruppe "Hate Speech" eingerichtet, die solche Kommentare aufspüren und die Verfasser strafrechtlich verfolgen soll. Schon eine Woche nach der Tat hatte die Arbeitsgruppe rund 400 Fälle von Hass und Hetze im Internet aufgedeckt - 102 dieser Beiträge sind nach Angaben von Innenminister Lewentz strafrechtlich relevant.
So wurde bereits kurz nach der Tat in der Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen (Landkreis Birkenfeld) ein 55-Jähriger vorübergehend festgenommen. Er soll in seinem öffentlichen Facebook-Profil zwei Videos hochgeladen haben, in denen er unter anderem Anleitungen dazu gab, Polizeibeamte auf einen Feldweg zu locken und aus dem Hinterhalt zu beschießen. Gegen ihn wurde ein Haftbefehl erlassen.