Ihr Name steht für Seelsorge, Traumaforschung und vor allem viel Herz. Sie waren immer da, wenn Katastrophen passierten und Menschen Hilfe brauchten. Ob bei der Flugkatastrophe in Ramstein oder beim Tsunami in Thailand. Jetzt verlassen die Jatzkos die Westpfalz.
Hartmut Jatzko - „Es überwiegt Wehmut, Abschied zu nehmen.“
Der Arzt für Innere Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie ist 1938 in Görlitz geboren. Ein Mann, der selbst die schlimmsten Katastrophen schon als Kind miterlebt hat, beispielsweise wie sein Nachbar von Nazis getötet wurde, weil er ein Trans-Mensch war. Jahre später (1980) wird er Chefarzt der Psychosomatischen Abteilung am Westpfalz-Klinikum und prägt den Begriff „posttraumatische Belastungsstörung“ und setzt sich für Menschen ein, die eine Tragödie erlebt und ein Trauma entwickelt haben.
"Es war eine erfüllende und sehr wertvolle Arbeit, weil ich intensiv menschliche Schicksale in Extremsituationen kennen lernen konnte. Und Menschen helfen durfte, die oft ausgegrenzt sind", erzählt der 84-Jährige im Interview. Ob bei der Flugkatastrophe in Ramstein, dem Tsunami in Thailand, der Massenhysterie bei der Love Parade in Duisburg oder der Amok-Fahrt in Trier. Die Jatzkos waren immer zur Stelle und für andere Menschen da. Die „letzte Herausforderung“: die Wurzeln aus der Westpfalz ins Allgäu zu verpflanzen.
Sybille Jatzko - „Es tut schon weh, alles hier loszulassen.“
Sie ist ein Urgestein im Krickenbacher Gemeinderat, die gute Seele, die immer ein offenes Ohr für die Menschen um sich hatte. Und auch als Leiterin der Hinterbliebenen-Gruppe nach der Ramstein Flugtag-Katastrophe bewirkte Sybille Jatzko viel Gutes. „Wenn man das Vertrauen entgegengebracht kriegt, das ist das schönste Geschenk und ich gehe mit diesen Geschenken hier weg.“ Der Abschied aus der Westpfalz sei dementsprechend alles andere als leicht.
Doch „jeder, der mit mir Kontakt haben möchte, ist herzlich willkommen, die Telefonnummer bleibt sogar dieselbe“, scherzt Sybille Jatzko in ihrem letzten Interview in der Westpfalz. Sie werde aber immer wieder mit „riesengroßer Freude“ in die Pfalz kommen. Die 73-Jährige wirkt sehr dankbar, als sie den Abschied aus ihrer zweiten Heimat - sie ist gebürtige Hamburgerin - thematisiert. Die Pfalz wird sie in bester Erinnerung behalten, freut sich aber ebenso auf die neue wunderschöne dritte Heimat - das Allgäu.
Alexander Jatzko - „Es ist noch viel zu tun hier!“
Alexander Jatzko ist in Aufbruchstimmung. So Vieles muss noch getan werden, erzählt er. „Das alles hier fertig zu machen, nach 18 Jahren, die ganzen Akten, Erinnerungen, Bilder. Zu Hause muss noch das Haus ausgeräumt werden. Es ist noch sehr, sehr viel zu tun hier.“ Er wirkt etwas melancholisch, als er von seiner Heimat spricht, Kaiserslautern, wo er aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Trotzdem sei da auch eine große Vorfreude, auf das Neue und die vielen Möglichkeiten in der sehr schönen Lage. „Das war natürlich auch etwas, was mich mit gereizt hat“, sagt der langjährige Leiter der Klinik für Psychosomatik am Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern
Letztes Projekt am Westpfalz-Klinikum: Forschung mit Shaolin Mönchen
Alexander Jatzko – seinerzeit jüngster Chefarzt der psychosomatischen Abteilung in Kaiserslautern – freut sich auf die Arbeit ab Oktober in einer Privatklinik im Allgäu. Dort wolle er sich Zeit nehmen, um beispielsweise Bücher zu schreiben, neue Dinge anzustoßen und vielleicht auch eine Firma zu gründen. Was er in Kaiserslautern noch anstoßen möchte, ist eine Studie mit Shaolin Mönchen. Dabei geht es darum, wie Meditation das Gehirn verändert. Die Traumaforschung wird die Familie „auf jeden Fall weiter machen“.
Stiftung Katastrophen-Nachsorge wird bestehen bleiben
Die Stiftung Katastrophen-Nachsorge wird weiter für ganz Deutschland Bestand haben, das heißt auch in Richtung Ramstein-Katastrophe. "Die Nachbetreuung wird noch weiter hier gemacht werden und falls hier irgendwas sein sollte, stehen wir natürlich zur Verfügung, um hier auch unterstützen zu können. Wir haben es jetzt geschafft durch die Stiftung, dass Betroffenen noch viel mehr geholfen werden kann", betont Alexander Jatzko.
„Ramstein-Gruppe wird nach 35 Jahren nicht im Stich gelassen“
In diesem Jahr hat sich die schreckliche Flugtag-Katastrophe auf der Air Base in Ramstein zum 35. Mal gejährt. 2004 wurden beide mit dem Bundesverdienstkreuz für ihr ehrenamtliches Engagement in der Katastrophen-Nachsorge von Opfern und Hinterbliebenen ausgezeichnet. Auch wenn die Jatzkos künftig nicht mehr um die Ecke wohnen, für die Betroffenen wollen sie weiterhin Ansprechpartner sein. Doch sie haben keine Sorge, dass die Gemeinschaft sich auch weiterhin – ohne sie – treffen wird, sagt Alexander Jatzko. „Wenn man sieht, wie toll der Zusammenhalt in dieser Gruppe ist, über so viele Jahrzehnte, die werden sich auf jeden Fall weiter treffen und das ist gut so!“
„Lebensabend im Paradies“: Familie steht jetzt an oberster Stelle
Jatzko Seniors verkleinern sich, aus ihrem großen Haus in Krickenbach wird eine Mietswohnung mit Blick in die Berge. Sohn Alexander wird mit der Familie rund einen Kilometer entfernt wohnen. Das alte zu Hause in der Westpfalz soll wieder mit Kinderlachen gefüllt werden, wünscht sich Sybille Jatzko.
Im Allgäu wird Familie wieder zur Prio Nummer eins. „Wenn Oma und Opa da sind, sind wir als Eltern völlig abgemeldet. Das heißt, es ist ein wunderbares Verhältnis. Das macht sehr viel Spaß“, erzählt Alexander Jatzko. Jeder freut sich auf den neuen Lebensabschnitt. Für Sybille und Hartmut Jatzko soll es der letzte Umzug gewesen sein. Die beiden sind gespannt auf ihren „Lebensabend mit der Familie“. Ruhe genießen zu dürfen und besonders „den schönen Ausblick vom Balkon in die Alpen“, sagt Hartmut Jatzko mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht.
Für den 84-Jährigen ist der Umzug ins Allgäu „nach vielen Jahrzehnten wie eine Rückkehr in eine Ecke, von der ich eigentlich ein Leben lang geschwärmt habe. Ich habe immer gedacht: da müsste man eigentlich mal im Alter wohnen. Die Berge drum herum, das schöne Wetter und auch die Menschen. Ich schätze die bayerische Mentalität sehr.“
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