Kaum eine Tat hat die Westpfalz in den vergangenen Jahren so erschüttert wie der Doppelmord an zwei Polizeibeamten bei Kusel. Zum Jahrestag werden alte Wunden wieder aufgerissen.
Es ist der 31. Januar 2022 – eine kalte, neblige Nacht auf der Kreisstraße 22 zwischen Ulmet und Mayweilerhof bei Kusel. Der damals 29-jährige Polizeioberkommissar Alexander K. und die 24-jährige Polizeianwärterin Yasmin B. sind auf einer Routinestreife – es soll ihre letzte Fahrzeugkontrolle sein. Sie werden von Andreas S. kaltblütig getötet – "mit Kopfschüssen hingerichtet“.
Angst vor dem Jahrestag des Polizistenmordes
Vor allem für die Hinterbliebenen erinnert der Jahrestag an eine Tat, die ihr Leben schlagartig verändert und ihnen den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Ein Teil der Familie ist für immer weg.
Jeder in der Familie gehe unterschiedlich damit um, man halte zusammen, stütze sich gegenseitig und versuche sich Halt und Kraft zu geben, sagt Kathrin. Das gelinge nicht immer. Oft werde verdrängt, man versuche zu funktionieren. Doch ihre kleine Schwester fehle. Die Familie hoffe, zur Ruhe zu kommen. Doch solange der Bundesgerichtshof die eingereichte Revision nicht abgewiesen habe, sei es fast unmöglich abzuschließen.
Kollegen der getöteten Polizisten gedenken der Verstorbenen
Zum Jahrestag hat das Polizeipräsidium Westpfalz gemeinsam mit der Hochschule der Polizei in Rheinland-Pfalz der beiden getöteten Kollegen gedacht. Die Gedenkfeier sollte nach Angaben der Polizei Alex und Yasmin wieder in Erinnerung rufen – als die jungen, sympathischen, immer freundlichen und hilfsbereiten Kollegen, die sie waren. Die beide ehrgeizig für die Werte in dieser Gesellschaft gestanden hätten, sie sollten nicht vergessen werden.
Unter anderem nahm der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) an der Gedenkveranstaltung teil. Die Tat erschüttere die Menschen bis heute und mache auch nach einem Jahr weiter fassungslos.
"Diese beiden jungen Menschen wurden durch eine brutale und sinnlose Tat aus unserer Mitte gerissen. Sie hinterlassen eine Lücke im Kreise ihrer Familien und aller, die ihnen nahestanden. Und genauso hinterlassen sie eine Lücke bei der Polizei Rheinland-Pfalz und im Kreise ihrer Kolleginnen und Kollegen, wo sie für immer schmerzhaft fehlen werden", sagte Innenminister Ebling.
Zwar werde die Zeit nicht alle Wunden heilen, sagt Polizeisprecher Erfort. Aber: "Sie lehrt uns, damit umzugehen. Das schüttelt man nicht einfach ab.“
Mitgefühl aus Bevölkerung weiterhin groß
In Krisensituation spulten Betroffene Muster und Routinen ab, um die eigenen Gefühle zu verdrängen. Jeder müsse funktionieren und professionell mit der Tat umgehen, gerade bei der Polizei. Die große Flut an Kondolenzschreiben und positiven Worten aus der Bevölkerung habe die Polizeifamilie im vergangenen Jahr getragen. "Wir haben alle Briefe beantwortet, das Lesen der Kondolenzen war sehr emotional, da hab ich die Bürotür zugemacht, weil hier und da Tränen laufen."
Professionelle Hilfe bei Bewältigung der Trauer
Seit der Tatnacht vor einem Jahr haben das Kriseninterventionsteam der Polizei und zahlreiche Psychologen und Seelsorger den Betroffenen zur Seite gestanden. Das Angebot werde bis heute von Ermittlern, den Beamten der Polizei in Kusel und den Studierenden der Hochschule der Polizei genutzt, sagt Sabrina Kunz von der Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz.
Jeder gehe anders mit der Trauerbewältigung um. Wichtig sei es, weiterhin Unterstützung anzubieten. "Posttraumatische Belastungsstörungen sind gesundheitsgefährdend. Meistens treten sie erst Jahre später auf", so Kunz. Es sei wichtig, sich in einem "Schonraum" offen über Gefühle auszutauschen. Sorgen, Nöte und Ängste anzusprechen. "Das wird uns noch viele Jahrzehnte beschäftigen."
Nach Doppelmord bei Kusel dachte Polizei-Nachwuchs an Kündigung
In der Studiengruppe der getöteten Yasmin B. habe direkt nach der Tat der eine oder andere Kollege mit dem Gedanken gespielt, die Ausbildung abzubrechen, sagte René Vroomen von der Jungen Gruppe der Gewerkschaft der Polizei in Rheinland-Pfalz. Es seien nicht nur einmal Fragen gestellt worden wie: "Will ich mich diesem Risiko aussetzen und wie Yasmin in Ausübung dieses wichtigen Berufs mein Leben verlieren?"
"Der erste Moment war hart, man ist in Schockstarre gefallen." Doch dann - so Vroomen - hätten sich Angst, Wut und Trauer in Zusammenhalt und Kampfgeist umgewandelt, getreu dem Motto "jetzt erst recht“. Man sei sich bewusst, mit welcher Gefahr der Beruf einhergehe. Polizisten gingen seit dem 31. Januar 2022 deutlich sensibler an eine vermeintlich ungefährliche Verkehrskontrolle heran. Damit das so bleibe, werde viel trainiert, sagt René Vroomen.
Jahrestag der Polizistenmorde soll schnell vorbeigehen
Viele Kolleginnen und Kollegen machten jetzt aus Eigenschutz die "Scheuklappen" zu und hofften, dass der Tag schnell vorbeigehe. Den meisten Beamten in Kusel helfe es, miteinander zu sprechen. Abseits der Öffentlichkeit, gemeinsam in Ruhe zu trauern.