Jäger in Rheinland-Pfalz erhalten in Zukunft mehr Freiräume, um die Wildbestände zu regulieren. Der Ministerrat hat einen entsprechenden Gesetzentwurf zum Landesjagdgesetz gebilligt. Es soll auch den Klimawandel mehr berücksichtigen.
"Hier haben die Wildschweine Blödsinn gemacht", sagt Christoph Hildebrandt, während er durch ein Weizenfeld in Weinsheim bei Bad Kreuznach geht. "Die haben den Weizen umgedrückt, auseinander gekaut und die Nährstoffe aus dem Korn gezogen." Der Berufsjäger erzählt, wie so ein Wildschaden verhindert werden soll. Abends sitze man hier und hoffe, dass man einen Frischling erwische. Er nennt das einen "Vergrämungsabschuss". Der Rest der Rotte renne dann weg. Zusätzlich seien elektronische Wildscheuchen aufgestellt worden. Diese spielten zum Beispiel Musik, um die Tiere abzuhalten.
Reaktion auf den Klimawandel
485 Hektar groß ist das Revier, das Hildebrandt betreut. Der Leiter der Landesjagdschule bildet auch den Jäger-Nachwuchs aus. In einem Waldstück erläutert er, wie durch die Jagd der Verbiss von jungen Bäumen verhindert wird.
Die Waldentwicklung ist ein wichtiger Punkt in dem Entwurf des Umweltministeriums für ein neues Landesjagdgesetz, der am Dienstag vom Kabinett gebilligt worden ist. Um den Wald klimaresilient zu machen, bedarf es der Mischung vieler Baumarten. Effektive Jagd müsse deren Gedeihen unterstützen, heißt es im Entwurf.
"Ich versuche ja nicht, Bambi die Mutter wegzunehmen" Immer mehr Menschen in RLP treibt es zur Jagd
Immer mehr Menschen in Rheinland-Pfalz wollen Jägerin und Jäger werden. Aus Sicht des Jagdverbands könnte die Corona-Pandemie dafür verantwortlich sein.
Damit in einem Douglasien-Altbestand Buchen wachsen können, werde an dieser Stelle intensiv das Rehwild bejagt, berichtet Hildebrandt. Denn den kleinen Buchen macht bereits die Trockenheit zu schaffen. So eine Jagd erfolge zielorientiert anhand von Abschussplänen. Es brauche Jäger mit Verständnis für den Wald, aber auch Waldbesitzer mit Verständnis für das Wild. Das sei die Kombination, die ihm am Herzen liege.
Wildschäden einfacher geltend machen können
Ein Ziel des künftigen Gesetzes: Vor allem Landwirte sollen Wildschäden einfacher geltend machen können. Die Fristen für die Anmeldung des Wildschadens sollen flexibler werden, die Schätzung der Schäden soll weiter professionalisiert werden.
Für Jäger gelten künftig flexiblere Abschussregelungen. Der bürokratische Aufwand soll dadurch erheblich minimiert werden. Bislang mussten Jäger umfangreiche Melde- und Nachweispflichten gegenüber den Jagdbehörden erbringen. Auch die Digitalisierung soll für Erleichterungen sorgen.
Urbane Wildberater: Weiterbildung für Jäger
Die Tötung eingewanderter Tierarten wie des Sumpfbibers oder ostasiatischer Hirscharten wird dem Entwurf zufolge erleichtert. Zugleich darf das heimische Rotwild künftig im ganzen Land leben und nicht nur in bestimmten Gebieten. Dam- und Muffelwild, die in Rheinland-Pfalz nicht heimisch sind, sollen außerhalb von Duldungsgebieten flexibler bejagt werden können. Grund sei, dass diese Wildarten viele Wildschäden verursachten. Außerdem können sich Jäger zu urbanen Wildberatern ausbilden lassen, um Kommunen zu beraten, wenn es Konflikte mit Wildtieren gibt, etwa durch Wildschweine auf Friedhöfen oder Waschbären in Siedlungen.
"Eines der modernsten Jagdgesetze bundesweit"
Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) sagte, der Entwurf gebe Antworten auf die gegenwärtigen umwelt-, klima- und jagdpolitischen Herausforderungen. Es handle sich bei den Plänen um eines der modernsten Jagdgesetze in Deutschland. Der Gesetzentwurf greife die Folgen des Klimawandels auf und unterstütze die Waldentwicklung.
Rettung von Jungwild vor Mäharbeiten wird gesetzlich verankert
Auch der Tierschutz solle gestärkt werden, der ohnehin bei der Jagd von zentraler Bedeutung sei, so Eder. So wird etwa die für Hunde gefährliche Jagd in Dachs- und Fuchsbauten verboten, ebenso Fanggeräte, die sofort töten, wie für Baum- und Steinmarder gebaute Totschlagfallen. Untersagt wird auch die Ausbildung von Jagdhunden an flugunfähig gemachten lebenden Enten.
Neu sei zum Beispiel auch, dass die Rettung von Jungwild, wie Rehkitzen, anlässlich der Wiesenmahd, ausdrücklich im Gesetz verankert werde.
Verbände und Behörden können nun zu dem Gesetzentwurf Stellung nehmen. Voraussichtlich Mitte 2024 soll der Entwurf in den Landtag kommen. Das neue Landesjagdgesetz soll dann im April 2025 in Kraft treten.
Landesjagdverband: Neues Gesetz nicht notwendig
Der Landesjagdverband sieht keine Notwendigkeit für ein neues Gesetz. Das derzeit geltende aus dem Jahr 2010 sei bereits nahezu optimal, sagte Verbandspräsident Dieter Mahr dem SWR. Das Gesetz sei damals schon sehr modern und in die Zukunft gerichtet gewesen. Alles, was derzeit geregelt werden müsse, sei darin bereits verankert. Viele Dinge seien Defizite im Vollzug, etwa durch zu wenig Personal an den richtigen Stellen.
CDU: Entwurf treibt Keil zwischen Waldbesitzer, Jäger und Naturschützer
Kritik kam auch von der Opposition im Landtag. Von der CDU hieß es, eine Novellierung sei durchaus sinnvoll. Doch: "Mit dem vorliegenden Entwurf möchte das grün geführte Ministerium unseren Jägerinnen und Jägern im Land jegliche Kompetenz abschreiben", sagte der Abgeordnete Horst Gies. Der Waldbau werde über den Artenschutz und die Hege gestellt. "Mit diesem Gesetz droht die Gefahr, dass ein Keil zwischen Behörden, Waldbesitzer sowie Jägerinnen und Jäger und Naturschützer getrieben wird." Zudem gehört für die CDU-Fraktion auch der Wolf ins Jagdrecht.
Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Joachim Streit, monierte einen fehlenden Dialog mit der Jägerschaft. "Uns ist es wichtig, dass die bisherige Trennung von Jagd, Natur und Forst erhalten bleibt", sagte Streit.