Rhoihessisch, Pälzisch oder Trierer Platt: In Rheinland-Pfalz gibt es viele unterschiedliche Mundarten. Doch sterben sie allmählich aus. Dabei vermitteln sie vielen ein Gefühl von Vertrautheit.
In Meenz babbelt mer rhoihessisch, in Lautre un Ludwigshafe pälzisch und in Trier und Kowelenz moselfränkisch. Aber Dialekte und regionale Varianten des Hochdeutschen, der Standardsprache, sind auf dem Rückzug. Vor allem "echte" Dialekte haben immer weniger Sprecherinnen und Sprecher - in Rheinland-Pfalz wie weltweit. Betroffen sind mosel- und rheinfränkisch in der Eifel und in der Pfalz ebenso wie karibische Dialekte, die Sprachenvarianten indigener Völker und die Sprachen ostasiatischer Minderheiten.
Wie wird in RLP überhaupt gesprochen?
Mitten durch den Hunsrück zieht sich eine unsichtbare Grenze, sie trennt die beiden Sprachräume: das Moselfränkische und das Rheinfränkische, zu dem auch Rheinhessisch und Pfälzisch gehören. Die Trennlinie wird oft festgemacht an der Aussprache von "was" und "das": Im Moselfränkischen - sowie nördlich davon - werden sie "wat" und "dat" ausgesprochen.
Das Moselfränkische erstreckt sich vom westlichen Saarland über die Eifel, den Hunsrück, den Taunus und den Westerwald bis ins Siegerland hinein. Das Rheinfränkische wird vom Süd- und Ostsaarland über die Vorderpfalz bis nach Rheinhessen und die Kurpfalz gesprochen.
Immer weniger Kinder sprechen Dialekt
In manchen Regionen wird in jedem Dorf eine andere Variante des Rhein- oder Moselfränkischen gesprochen, es gibt Vorderpfälzisch, Westpfälzisch, Eifeler Platt und und und. Trotzdem sind Dialekte vom Aussterben bedroht. Vor allem in den Städten. So fand eine Tübinger Studie heraus, dass zum Beispiel in Baden-Württemberg immer weniger Kinder und Jugendliche Dialekt sprechen.
In Rheinland-Pfalz sieht es ähnlich aus: Wenn, dann beherrschen nur noch die ältesten Generationen die lokalen Dialekte, beobachtet Simone Busley vom Institut für Geschichtliche Landeskunde Rheinland-Pfalz. Denn: Jüngere seien mobiler, damit auch nicht mehr so ortsgebunden, hätten oft eine andere Schulbildung als die älteren Generationen und konsumierten mehr Medien.
Regiolekte statt Dialekte
Zwar gebe es immer noch verbreitet eine sprachliche Vereinheitlichung, jedoch nicht auf nationaler, sondern auf regionaler Ebene: An die Stelle der Dialekte treten sogenannte Regiolekte, sagt Busley, eine regional geprägte Form der hochdeutschen Umgangssprache.
So sprechen zum Beispiel viele Personen aus dem moselfränkischen Sprachraum vielleicht nicht mehr einen ortstypischen Dialekt, sagen im Alltag aber trotzdem "dat" statt "das". Oder die Menschen pflegen keinen Dialekt mehr, sagen im Raum Trier zum Beispiel aber weiterhin konsequent "holen" statt "nehmen".
Dialekte wurden lange verpönt
Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass in Rheinland-Pfalz neun Prozent des dialektalen Wortschatzes pro Generation verloren gehen.
Die Psychologin Terese Schimmer von der Universität Koblenz-Landau hat die Gründe dafür in einer Publikation zu Vor- und Nachteilen von Dialekten erforscht. Sie kommt zu dem Schluss, dass drei Faktoren daran Schuld sind, dass weniger Dialekt gesprochen wird: Mütter, Medien und Mobilität.
Weniger Dialekte wegen der drei "M"
Mütter - natürlich auch Väter - so das Ergebnis ihrer Forschungen, sprechen mit ihren Kindern zunehmend hochdeutsch, "damit sie es in der Schule leichter haben und nicht als weniger gebildet wahrgenommen werden". Mit der Einführung des Rundfunks wurde Hochdeutsch auch in Gegenden gebracht, in denen zuvor nur Dialekt gesprochen wurde, so Schimmer. Und Stichwort Mobilität: Immer mehr Menschen ziehen aus ihren Heimatorten weg und sprechen aus Gründen der Anpassung immer seltener ihren Heimatdialekt.
Dialekt macht klug
Dialekte wurden lange als "Bauernsprache" verpönt, galten als bildungsfern und provinziell. Dialekt als Karrierebremse und Zeichen von Inkompetenz? Ein Vorurteil. Neuere Studien kommen nämlich zu dem Schluss: Dialekt macht klug. Kinder, die mit Hochdeutsch und Dialekt aufwachsen, haben demnach ein besseres Sprachverständnis. Laut Hirn- und Sprachforschern ähnelt dies einer bilingualen Entwicklung. "In der Fremdsprachendidaktik hat sich gezeigt, dass es bei Dialekten wie beim Lernen einer Fremdsprache ist", erklärt der Sprachwissenschaftler Andre Klump. "Die Forschung zeigt, dass Kinder, die zum Beispiel auf dem Land mit Dialekt aufgewachsen sind und in der Schule dann mehr Hochdeutsch gelernt haben, es leichter haben, Fremdsprachen wie Englisch und Französisch zu lernen."
Andre Klump ist Professor für romanische Sprachwissenschaft an der Universität Trier. Er sieht in Dialekten und Regiolekten nicht bloß den Vorteil des Fremdsprachen-Lernens: "Sie sind identitätsstiftend und haben eine solidarische Funktion", sagt er.
Dialekte werden als familiär und emotionaler empfunden
Auch Busley beobachtet, dass "Dialekte und Regiolekte das Zusammengehörigkeitsgefühl und die regionale Identität stärken". Dialekte erweckten, da sie ja auf Orte beschränkt sind und oft insbesondere nur noch innerhalb der Familie gesprochen würden, ein noch stärkeres Vertrautheitsgefühl als Regiolekte, sie sind familiärer. "Viele Personen empfinden Dialekte als emotionaler."
Von daher: Babbele mer also weiter. Alla guud!