EU lässt Grillen und Getreideschimmelkäfer als Nahrung zu

Insekten als Nahrungsmittel - das müssen Sie beachten

Stand
Autor/in
Matthias Weber

Immer mehr Insekten landen auf deutschen Tellern. Sie punkten mit Proteingehalt und Nachhaltigkeit, bei der Verarbeitung fehlen aber oft noch Regeln. Das sollten Sie über die essbaren Insekten wissen.

Insekten werden schon seit Jahrtausenden von Menschen weltweit gegessen. In der Europäischen Union (EU) gelten sie aber noch als neuartige Lebensmittel. Insekten und Insektenteile, die als Lebensmittel verkauft werden, benötigen deshalb in der EU eine Zulassung nach der Novel-Food-Verordnung.

Seit dieser Woche darf nun auch Pulver von Hausgrillen und Larven des Getreideschimmelkäfers in Lebensmitteln verwendet werden. Ähnliche Regeln gibt es bereits für Wanderheuschrecken und Larven des Mehlkäfers. "Derzeit gibt es acht weitere Anträge auf die Zulassung von Insekten als Lebensmittel", heißt es von Seiten der Europäischen Kommission.

Wie nahrhaft sind Insekten?

Weltweit werden mehr als 1.900 Arten verzehrt. In verschiedenen Studien hat die Welternährungsorganisation (FAO) festgestellt, dass Insekten eine sehr nahrhafte und gesunde Nahrungsquelle mit einem hohen Gehalt an Fett, Eiweiß, Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralien sind. Dem Verbraucherzentrale Bundesverband zufolge ist ihr Proteingehalt ähnlich hoch wie bei Fleisch von Rind, Schwein oder Pute, variiert aber je nach Art des Insekts. Besonders der häufig verwendete Mehlwurm liege dabei weit vorn. "Denn werden Mehlwürmer gefriergetrocknet, erhöht sich der Proteinanteil von 18,7 Prozent auf 50,9 Prozent. Zum Vergleich: Rindfleisch hat 22,3 Prozent."

Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit aus?

Der Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) zufolge ist die Ökobilanz deutlich besser als die von Rind, Schwein und Huhn. "Im Vergleich zu Fleisch wird bei der Erzeugung von Insekten wesentlich weniger landwirtschaftliche Fläche benötigt", heißt es vom WWF. Im Vergleich zum Huhn seien es etwa um 50 Prozent weniger.

Nach FAO-Angaben benötigen Grillen nur etwa ein Zwölftel des Futters verglichen mit Rindern, um die gleiche Menge an Eiweiß zu produzieren. Bei der Insektenzucht werden auch weniger Treibhausgase freigesetzt. "Es gibt kein effizienteres Verfahren, um tierisches Eiweiß herzustellen, als Insekten", sagt SWR-Umweltexperte Werner Eckert.

Nachteilig sei dagegen die benötigte Betriebstemperatur für die Zucht von Insekten, erklärt Caroline Ludwig von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. "Denn um diese zu erreichten, müssten die Anlagen in Deutschland mehrere Monate beheizt werden."

Wie teuer sind Insekten als Nahrungsmittel?

Noch ziemlich teuer, da sind sich alle Experten einig. Speiseinsekten sind in Deutschland ein Nischenprodukt, deshalb könnten Gewinne nicht über die Masse erwirtschaftet werden.

In welchen Lebensmitteln können Insekten vorkommen?

In allen möglichen. Das Pulver der Tiere darf unter anderem in Brot und Brötchen, Keksen und Crackern, Backmischungen und Teigwaren, Soßen und Suppen, Fleisch- und Milchersatz, Kartoffelerzeugnissen oder Schokolade vorkommen. Die Produkte dürfen dann nicht als vegan oder vegetarisch ausgezeichnet werden.

Werden Insekten bald überall zu kaufen sein?

"Wir denken nicht, dass die Insekten in naher Zukunft eine deutlich größere Bedeutung bei der Ernährung bekommen", sagt Ludwig. Aktuell gebe es in Deutschland kaum Lebensmittel mit Insekten zu kaufen - "und wenn, dann sind diese Produkte oftmals sehr teuer".

Kann es passieren, dass man Insekten isst, ohne es zu wissen?

Nein, denn Insekten müssen auf den Produkten gekennzeichnet sein. Die EU-Kommission stellt klar: "Jede und jeder kann selbst entscheiden, ob er oder sie Lebensmittel aus oder mit Insekten kauft oder nicht."

Der Verordnung zufolge muss etwa in der Zutatenliste stehen: "Acheta domesticus (Hausgrille, Heimchen), gefroren" oder "Pulver aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)". Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg fordert hingegen eine deutliche Kennzeichnung auf der Verpackung - "und zwar gut verständlich für alle, zum Beispiel 'Kekse mit Insekten' oder 'Nudeln mit Insekten'".

Was ist für Allergiker zu beachten?

Wie bei vielen anderen Lebensmitteln könnte auch Insektenpulver in seltenen Fällen Reaktionen auslösen. "Insekten enthalten Stoffe, die auch bei Krebstieren, Weichtieren und Hausstaubmilben vorkommen", erklärt Sabine Holzäpfel, Lebensmittelexpertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Entsprechende Angaben müssen in unmittelbarer Nähe der Zutatenliste verzeichnet sein. Caroline Ludwig von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz hält das aber für nicht ausreichend: Wichtig für Verbraucher sei "eine eindeutige Kennzeichnung der Insektenbestandteile, am besten auf der Vorderseite der Verpackung, um eine Irreführung auszuschließen".

Kommen Insekten aus der Natur auf den Teller?

Nein. Niemand muss befürchten, dass wild gesammelte Tiere in den Produkten landen. Speiseinsekten, die im deutschen Lebensmittelhandel angeboten werden, stammen nach Angaben der Verbraucherzentralen ausschließlich aus kontrollierter Aufzucht. "Essen Sie nur Insekten, die für den menschlichen Verzehr gezüchtet wurden", raten die Verbraucherschützer. Selbst gesammelte Insekten sollten nicht gegessen werden. "Dies sind Wildtiere, die sich auch von Abfällen ernähren oder von Parasiten befallen sein können."

Gibt es Haltungsvorschriften für die Insektenzucht?

Nein, "es existieren bisher keine Haltungsvorschriften für Insekten in Deutschland", schreiben die Verbraucherschützer. Klärungsbedarf gebe es etwa bei Platz, Einsatz von Arzneimitteln oder einer möglichst schonenden Tötung.

Auch spezifische Anforderungen an Futtermitteln für Insekten gibt es bislang noch nicht. "Für Insekten greift daher die allgemeine Futtermittelhygiene-Verordnung für die zur Lebensmittelgewinnung bestimmter Tiere", betont Ludwig.

Stand
Autor/in
Matthias Weber