"Hinenu" will Identität fördern

Jüdischer Studierendenverband für RLP und Saarland gegründet

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Ein Verein für jüdische Religion und Kultur - dafür steht "Hinenu", ein neu gegründeter jüdischer Studierendenverband für RLP und das Saarland. Die Gründungsveranstaltung fand am 15. November im Landtag in Mainz statt.

Ein Ziel des Verbandes ist es, einen Beitrag zur Bekämpfung von Antisemitismus zu leisten. Es soll aber auch um Verständigung und Aufklärung gehen. David Rosenberg ist Jude und Mitinitiator und hat mit SWR Aktuell über die Gründung des Vereins und die Intention dahinter gesprochen.

SWR Aktuell: Herr Rosenberg, zuerst mal zum Namen des Verbandes: "Hinenu" heißt auf hebräisch "Hier sind wir" oder "Wir sind". Welche Bedeutung hat der Name des Verbandes für Sie?

David Rosenberg: Also "Hinenu" soll ein Statement sein - definitiv. Um zu zeigen, ok wir sind hier in Rheinland-Pfalz und Saarland vor Ort. Auf unserem Logo zum Beispiel haben wir auch die Staatsgrenze zwischen Rheinland-Pfalz und dem Saarland abgebildet. Da sieht man genau, was wir damit sagen möchten ist, dass wir jüdisches Leben auf beiden Seiten aktivieren möchten - einerseits auf der rheinland-pfälzischen und andererseits auf der saarländischen Seite. Das bedeutet "Hinenu" eben für uns und das geht zurück auch auf eine alttestamentalische Geschichte bezüglich "Hineni" von damals und wir sind eben "Hinenu". Wir sind Plural, wir sind hier.

SWR Aktuell: Wieso haben Sie den ersten jüdischen Studierendenverband in Rheinland-Pfalz gegründet?

Rosenberg: Weil es an der Zeit war. Als ich jetzt auf der Vollversammlung der Jüdischen Studierendenunion war, eine Versammlung, bei der sich alle jüdischen Studierendenorganisationen treffen, und jedes Bundesland war da vertreten - außer Rheinland-Pfalz. Da habe ich gesagt, okay, wir müssen jetzt etwas machen. Es gibt auch hier jüdischen Leben, das nicht von der studentischen Jugend repräsentiert ist. Und heute stehen wir hier. Damit hat jedes Bundeslang einen jüdischen Studierendenverband.

David Rosenberg ist Jude und aktiv in der jüdischen Gemeinde Speyer. Er wünscht sich mehr Austausch zwischen Jugendlichen in Rheinland-Pfalz und Israel.
David Rosenberg ist Mitinitiator des Studierendenverbandes "Hinenu". Er und sein Verband treten für ein junges jüdisches Selbstbewusstsein ein.

SWR Aktuell: Warum ist es denn Ihrer Einschätzung nach gerade jetzt so wichtig, diese Anlaufstelle zu gründen?

Rosenberg: Also wir planen das jetzt tatsächlich schon seit fast einem Jahr - sprich die Planung von "Hinenu" und die Veranstaltung im Landtag. Gerade jetzt natürlich, aufgrund der aktuellen Geschehnisse, ist es wichtig, dass man gerade in so einem Alter zwischen 18 und 35, finde ich, noch einen gewissen Input braucht. Es ist ein Alter, in dem man seine Identität noch findet und seinen Lebensweg noch formen muss. Nach der Schule weiß man oft nicht: Wie geht es jetzt weiter? Mache ich eine Ausbildung? Mache ich jetzt ein Studium oder mache ich jetzt was komplett anderes? Fahre ich jetzt nach Australien? Deswegen ist es gut, wenn man eine Anlaufstelle hat, die einem auch hilft - abseits von den jüdischen Gemeinden. Diese sind oftmals auch vom Altersdurchschnitt etwas höher und wenn man da Leute hat im gleichen Alter, die die selben Probleme haben, ist es gut, dass man sich da auch mal austauschen kann.

SWR Aktuell: Man kann also sagen, der Verband soll Orientierung geben?

Rosenberg: Ja genau, eine Orientierung. Ich wäre echt froh gewesen, wenn es so etwas schon gegeben hätte, als ich 16, 17 war, wäre ich echt froh gewesen über eine solche Anlaufstelle. Wir sind ein Netzwerk junger jüdischer Studenten und Auszubildenden. Heutzutage würde man von "Young Professionals" reden von 18 bis 35 Jahren.

SWR Aktuell: Dass sich ein jüdischer Studierendenverband natürlich an Menschen jüdischen Glaubens richtet, ist klar. Wenn nun jemand nicht-jüdischen Glaubens zu Ihnen kommt und dabei sein möchte, stehen die Türen offen?

Rosenberg: Die Türen stehen offen. Wir wollen als gemeinnütziger Verein agieren, also jeder kann auch Mitglied werden. Wenn jemand nicht jüdisch ist, kann er außerordentliches Mitglied werden. Er kann auch konvertieren, wenn er das dann möchte und irgendwann in Betracht zieht und dann kann er reguläres Mitglied werden. Aber die Türen stehen offen. Wir haben auch einen Freundeskreis. Zum Beispiel gestern hat mich eine Schule angeschrieben in Bingen bei Mainz, die gerne in den Freundeskreis kommen möchte, um ein Zeichen zu setzen - also wir verwehren niemandem unsere Türen.

SWR Aktuell: Haben Sie einen Wunsch, wo das Ganze hinführen soll?

Rosenberg: Zu mehr Sichtbarkeit, zu mehr Repräsentanz. Und ich würde mir auch wünschen, wir sind bislang ein kleiner jüdischer Studierendenverband, dass sich mehr Leute mit jüdischer Identität bei uns melden.

SWR Aktuell: Wir berichten gerade in den vergangenen Wochen immer wieder über antisemtische Zwischenfälle in Deutschland - die Zahlen sind ja gestiegen. Welche Sorgen bereitet Ihnen diese Entwicklung, gerade im Hinblick auf den neuen Verband?

Rosenberg: Also wie bereits gesagt: Einerseits soll so ein Verband auch dazu dienen, neues jüdisches Leben zu akquirieren und dafür zu sorgen, dass junge jüdische Menschen, die sich bis jetzt noch nicht öffentlich gezeigt haben, das ändern. Aber durch diese ganzen antisemitischen Vorfälle und all das, was auf den Straßen in letzter Zeit passiert, hab ich tatsächlich vielleicht etwas Angst, dass es dann weniger Leute geben könnte als zuvor. Doch genau deswegen wollen wir dieses starke Statement setzen und zeigen: Ok, wir müssen uns nicht verstecken. Wir haben uns lange Zeit genug versteckt und wir treten ja ein für ein junges jüdisches Selbstbewusstsein, auch abgesehen von den aktuellen Geschehnissen.

SWR Aktuell: Ein Verband hat natürlich auch den Zweck, mit einer Stimme gemeinsam nach außen aufzutreten. Sie haben es gerade gesagt - auch politisch wahrgenommen zu werden. Die Gründungsversammlung findet ja auch im Landtag in Mainz statt. Was erhoffen Sie sich konkret von der Politik?

Rosenberg: Von der Politik erhoffe ich mir natürlich, dass sie einerseits mit den jüdischen Gemeinden zusammenarbeitet, also mit dem jüdischen Landesverband und der jüdischen Gemeinde in Mainz. Dann hoffe ich, und das ist etwas, was ich auch die letzten Tage gesagt habe: Wir reden andauernd über deutsche Staatsräson und deutsche Staatsräson ist zwar wichtig, aber das hört sich für mich immer so ein bisschen gezwungen an, weil man muss mit Israel sein nach deutscher Staatsräson. Und ich habe gesagt, warum reden wir nicht wie im deutsch-französischen Kontext, dort wird immer von deutsch-französischer Freundschaft geredet. Vielleicht können wir auch irgendwann mal anfangen, über deutsch-israelische Freundschaft zu reden. Weil nach den über 70 Jahren der Staatsgründung wird es dann mal Zeit, diesen Blickpunkt zu verändern.

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SWR