Das Gesundheitswesen wird digital - mit dem E-Rezept und der elektronischen Patientenakte. Doch die Technik sei unzuverlässig, sagt Barbara Römer vom Hausärzteverband RLP im SWR.
Die Bundesregierung will das Gesundheitswesen digitalisieren. Deshalb soll das E-Rezept zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung werden. Dabei bekommen Patienten statt des gewohnten rosa Zettels einen Code aufs Smartphone oder auf die elektronische Gesundheitskarte, mit dem sich in Apotheken Medikamente abholen lassen. Ab 2025 sollen gesetzlich Krankenversicherte automatisch eine elektronische Patientenakte (ePA) erhalten.
Über die Digitalisierungs-Offensive und die Probleme bei der Umsetzung hat SWR Aktuell-Moderator Andreas Herrler mit Barbara Römer gesprochen. Sie ist Vorsitzende des Hausärzteverbandes Rheinland-Pfalz.
SWR Aktuell: Sie könnten das E-Rezept schon ausstellen, aber sie unterschreiben lieber weiter auf Papier. Warum denn?
Barbara Römer: Genau so ist es. Wir sind technisch vorbereitet, warten aber noch. Denn bei der ähnlich funktionierenden elektronischen AU (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Anm.d.Red.), erleben wir, wie störanfällig das System ist.
Sämtliche digitalen Datenübertragungen laufen über die sogenannte Telematik-Infrastruktur. Das kann man sich wie eine digitale Autobahn vorstellen, über die dann die Daten zum Beispiel von der Praxis zur Krankenkasse oder zur Apotheke übertragen werden. Diese Datenverbindung hängt sich jede Woche ein- bis zweimal auf. Das heißt: wir können ein- bis zweimal in der Woche keine elektronischen AUs ausstellen, weil die Datenbahn blockiert ist. Beim E-Rezept wäre das genauso. Diese nicht vorhandene Verlässlichkeit hält uns davon ab, bereits mit dem E-Rezept zu starten.
SWR Aktuell: Das Problem ist die digitale Infrastruktur - also zu langsame Leitungen?
Römer: Nicht nur langsame, sondern nicht stabil funktionierende Leitungen. Stellen Sie sich vor, sie kaufen sich einen Kühlschrank, und der fällt ein- bis zweimal in der Woche aus. Sie müssen eine Hotline anrufen, die ihn dann den Kühlschrank wieder zum Laufen bringt. Es ist also die digitale Datenübertragung, die nicht in einer Verlässlichkeit läuft, wie wir sie für die Anwendung in der Praxis dringend bräuchten.
SWR Aktuell: Wenn diese Probleme behoben würden, wäre das E-Rezept für Sie eine Arbeitserleichterung?
Römer: Das auf jeden Fall, weil wir Arztpraxen ganz klar für Digitalisierung sind. Aber sie muss sinnvoll sein. Sie muss verlässlich und effizient sein. Sie muss uns vor allem eine Zeitersparnis bringen, damit wir wieder mehr Zeit für die Patientenversorgung haben.
SWR Aktuell: Ist es denn aber vor dem Hintergrund, den Sie gerade geschildert haben, realistisch, dass ab Januar 2024 alle Praxen aufs E-Rezept umsteigen können?
Römer: Da bin ich sehr vorsichtig, weil dieses Problem der störanfälligen Datenübertragung schon seit mehreren Jahren existiert. Wir haben das Bundesgesundheitsministerium immer wieder darauf aufmerksam gemacht, aber bis heute hat sich nichts getan. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Noch haben wir vier Monate bis zum Jahresende. Warten wir es ab. Aber im Moment ist durch die störanfällige technische Umsetzung eine Entlastung für die Arztpraxen nicht gegeben.
SWR Aktuell: Ein bisschen mehr Zeit bleibt für die elektronische Patientenakte. Die soll ab 2025 kommen, es sei denn, man widerspricht als Patient aktiv. Sehen Sie darin mehr Vor- oder mehr Nachteile?
Römer: Ich sehe zurzeit mehr Nachteile als Vorteile, weil es auch hier wieder an der Umsetzung hakt. Stellen Sie sich vor, ein Patient war im Krankenhaus. Er bekommt weiterhin einen Stapel Papier mit Arztbefunden. Das heißt: wir haben das Problem, dass Krankenhäuser und Arztpraxen immer noch nicht digital kommunizieren können.
Nun sollen wir Arztpraxen spätestens ab 2025 diese Papierausdrucke digital in die elektronische Patientenakte eintragen. Bisher dauert das Hochladen eines Arztbriefes aus dem Krankenhaus zehn bis zwanzig Minuten. Der Prozess ist so kompliziert und damit weder für Patienten noch für uns als Praxis alltagstauglich.
Wir haben auch hier hier wieder das Problem, dass Deutschland Weltmeister bei komplizierten Prozessen ist, anstatt Effizienz und unkomplizierte Lösungen anzubieten.