Spätestens seit dem Beginn des Ukrainekriegs gelten die hohen Energiekosten als Standortnachteil. Ein Gusswerk in Kaiserslautern sucht pragmatische Lösungen.
Geschäftsführer Stefan Weber steht in einem kleinen Raum inmitten der großen Fabrikhalle von ACO Guss im Süden von Kaiserslautern. In diesem Raum, den Weber das "Herz des Unternehmens" nennt, wird das Eisenschmelzen gesteuert und überwacht. Von draußen dringt das Scheppern von Alteisen herein, das ein Kran in den Schmelzofen kippt. Der Manager mit weißem Schutzhelm deutet auf einen großen Monitor, der die Umrisse von vier Öfen zeigt.
Abzulesen sind hier unter anderem der Eisenfüllstand, die Temperatur - und der Stromverbrauch: 5,6 Megawatt Strom zieht ein Ofen in diesem Moment. In den kommenden Minuten dürfen es noch mehr werden: Von derzeit 1100 Grad muss der Ofen hochheizen auf 1520. Enorme Temperaturen, die es braucht, um Eisen zu schmelzen. Daraus formen sie hier bei ACO Guss, ein Betrieb mit 370 Stammkräften, zum Beispiel Schachtabdeckungen für Glasfaserkabel, Kanaldeckel, Kupplungen für Züge oder Hydraulikblöcke für Windräder. Die vier Schmelzöfen sind induktionsbetrieben – laufen also ausschließlich mit Strom.
Strom heute zweieinhalb mal so teuer als 2019
Die Kosten für die Energie sind dem Firmenchef zufolge allerdings in den vergangenen Jahren aus dem Ruder gelaufen. Vor fünf Jahren habe der Betrieb mit einem Jahresumsatz von 100 Millionen Euro für Strom im Jahr noch rund zwei Millionen Euro bezahlt. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine seien die Kosten dann sprunghaft angestiegen auf 12 Millionen Euro. Heute müsse man für Strom rund fünf Millionen Euro im Jahr zahlen - also immer noch das Zweieinhalbfache dessen, was der Firmenchef ein "altes Normal" nennt.
Gründe dafür gibt es viele. Der Firmenmanager nennt der Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen für den Energiemarkt. Das deutsche Stromnetz, das nicht im gleichen Tempo wie die Erneuerbaren Energien ausgebaut werde. Was dafür sorge, dass der billige Strom aus Sonne und Wind selbst bei günstiger Witterung nicht überall verfügbar sei. Der finale Ausstieg aus der Kernenergie. Die stündlichen Preisschwankungen beim Strom seien heute deutlich ausgeprägter als noch vor einigen Jahren.
Die großen Linien der Energiepolitik kommen an im Steuerstand von ACO Guss in Kaiserslautern. Der Strompreis diktiert den Produktionsplan mit, wie Stefan Weber erklärt: "Abhängig von der Auslastung der Anlage, haben Sie ein bisschen die Möglichkeit, zu steuern, wann Sie die volle Leistung auf den Ofen geben", so Weber.
"Wir wollen das nicht, wir machen das gezwungenermaßen, um den Strompreis einigermaßen im Griff zu halten", erklärt der Geschäftsführer.
Pfälzisches Eisen gerät ins Hintertreffen
Doch nicht nur der Nettostrompreis, auch die hohen Abgaben für Energie bereiten dem Geschäftsführer Kopfzerbrechen. Von der Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe, die die Bundesregierung Anfang des Jahres angestoßen hat, hat ACO-Guss sein Betrieb gar nicht profitiert. Als besonders energieintensives Unternehmen bezahlte man hier schon vorher kaum Stromsteuern. Stattdessen hat die Abgabenlast noch zugenommen. Denn bei den Netzkosten gab es für ACO Guss in diesem Jahr erneut einen saftigen Aufschlag. Rund 450.000 Euro mehr müsse man für die Nutzung des Stromnetzes in diesem Jahr zahlen, erklärt Weber:
Wenn der Strompreis steigt, sinkt die Attraktivität der Produkte aus dem pfälzischen Gusswerk. Traditionelle Billigkonkurrenz kommt in der Schmelzbranche aus Indien, China oder der Türkei. Von den gestiegenen Kosten in Deutschland profitieren laut Stefan Weber aber vor allem die Konkurrenz aus der Nachbarschaft. Gießereien aus Frankreich kämen laut Stefan Weber an immer mehr Aufträge. Sie können schnell liefern, gießen in guter Qualität - und können günstiger verkaufen als die Betriebe in Deutschland.
Stromsubvention als Ausweg?
Bei ACO Guss sind sie bislang einigermaßen glimpflich durch die Krise gekommen, unter anderem, weil der Betrieb aus den Coronajahren einen großen Auftragsstau mitgebracht habe. Ende vergangenen Jahres habe es im Bereich Strangguss Kurzarbeit gegeben, das sei aber mittlerweile vorüber, so Weber.
Anderen Betrieben der Branche geht es schlechter: Drei bis vier Eisengießereien gehen aktuell in Deutschland jedes Jahr in Insolvenz. Helfen könnte ein reduzierter Strompreis für die Industrie. Ein Vorschlag, mit dem sich auch Gewerkschaftsvertreter anfreunden können, wie Ingo Petzold von der IG Metall Bad Kreuznach. Seine Gewerkschaft spricht in diesem Zusammenhang von einem "Brückenstrompreis". Eine staatliche Förderung zu den Energiekosten für die Industrie, die helfen solle, die Zeit zu überbrücken, bis günstiger Strom aus erneuerbaren Energien flächendeckend verfügbar seien.
ACO Guss-Chef Stefan Weber ist skeptisch beim Thema Stromsubventionen. Besser wäre, das Stromnetz schnell auszubauen und Speicher für Strom aus Erneuerbaren zu bauen, meint er. Vor allem: Müsse es jetzt schnell gehen. Die Gießerei hinter die Grenze zu verschieben, ist für einen Mittelständler wie ACO Guss nämlich keine Option: "Wir als ACO werden nicht ins Ausland gehen. Wir machen zu und dann sind wir weg und dann gibt es uns nicht mehr. Wenns nicht mehr geht, müssen wir halt aufhören. Aber meine Aufgabe ist es, zusammen mit meinem Team, es zu versuchen, solange wie es geht."
Mehr zur Hemnissen in der Wirtschaft
RLP-Wirtschaft schrumpft um 4,9 Prozent Wirtschaftsentwicklung: Rheinland-Pfalz bundesweites Schlusslicht
Im Bundesländervergleich der Wirtschaftsentwicklung schließt Rheinland-Pfalz für 2023 als Letzter ab. Das gibt das Statistische Landesamt bekannt. Besonders die Industrie ist betroffen.