Demografischer Wandel und neue Ansprüche

Junge Menschen in RLP immer seltener Mitglied im Sportverein

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Autor/in
Fabian Müller
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Rheinland-pfälzische Sportvereine verzeichnen nach der Corona-Pandemie insgesamt wieder mehr Mitglieder. Bei den Jungen aber gehen die Zahlen zurück - hat die Generation Z keine Lust auf organisierten Sport?

In der rheinland-pfälzischen Landespolitik herrschte diese Woche bei einem Thema große Einigkeit: Nach dem ersten Bewegungsgipfel im Land betonten alle Ministerinnen und Minister unisono, wie wichtig der Sport ist.

Sport müsse "so selbstverständlich werden wie Zähneputzen", sagte Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). Für Familienministerin Katharina Binz (Grüne) ist Sport "ein unfassbar wichtiger gesellschaftlicher Raum". Und Innenminister Michael Ebling (SPD) machte klar, in welchem Rahmen er Bewegung am besten findet: "Sport ist im Verein am schönsten."

Zahl der Vereinsmitglieder in RLP erholt sich leicht

Doch genau hier liegt die Crux: Seit dem Höhepunkt im Jahr 2002 mit damals über 1,5 Millionen Mitgliedern in rheinland-pfälzischen Sportvereinen nimmt die Gesamtzahl kontinuierlich ab. Die aktuell rund 1,38 Millionen Mitglieder in 5.838 Vereinen bedeuten in etwa das gleiche Niveau wie 1993.

Grafik zur Entwicklung der Mitgliedszahlen in rheinland-pfälzischen Sportvereinen.
Die absolute Zahl der Mitglieder in Sportvereinen ist in Rheinland-Pfalz aktuell nur wenig höher als vor 30 Jahren. Auch die Zahl der Vereine im Land geht sukzessive zurück.

Der durch die Corona-Pandemie verstärkte Mitgliederschwund konnte allerdings gestoppt werden, die Zahlen stiegen zuletzt zweimal nacheinander. Für den Landessportbund (LSB) Rheinland-Pfalz das Ergebnis einer erfolgreichen "Comeback"-Kampagne zur Mitgliedergewinnung.

Positiv vor allem: Es sind wieder deutlich mehr Kinder bis 6 Jahren in Sportvereinen angemeldet als zuletzt und auch mehr als vor der Pandemie. Anders verläuft die Entwicklung bei älteren Kindern und jungen Erwachsenen. Besonders deutlich wird der Rückgang bei den 15- bis 18-Jährigen: Die Statistiken des LSB weisen in dieser Altersklasse in den vergangenen zehn Jahren knapp ein Viertel weniger Vereinsmitglieder aus.

Grafik zur Entwicklung der Mitgliedszahlen in rheinland-pfälzischen Sportvereinen.
In rheinland-pfäzischen Sportvereinen gehen die Mitgliedszahlen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen stetig zurück. Besonders deutlich wird das bei Teeangern zwischen 15 und 18 Jahren.

Grund dafür ist vor allem der demografische Wandel mit insgesamt weniger Kindern. Hinzu kommt aber auch ein gesellschaftlicher: Die heute 15- bis 18-Jährigen fallen in die sogenannte Generation Z der nach 1995 Geborenen - eine Altersgruppe, die weitgehend digital aufgewachsen ist, andere Interessen besitzt und nicht nur in Sachen Beruf, sondern auch in der Freizeit andere Ansprüche hat als frühere Generationen.

Sind Sportvereine für junge Menschen noch zeitgemäß?

"Der Sport geht an den Interessen der Jungen vorbei. Vereine können nicht mehr das bieten, wonach junge Menschen suchen", sagt der Psychologe und Generationenforscher Rüdiger Maas, der zur Generation Z und zur Nachfolgegeneration Alpha (nach 2010 Geborene) forscht. Junge Menschen interessierten sich demnach verstärkt für neue Sportarten und planten ihr Leben gerne zeitlich unabhängiger von fixen Terminen.

"Organisiertes Sporttreiben und der Verein als physischer Ort sind für viele einfach zu statisch, zeitlich zu unflexibel."

Dabei geht es aber nicht um ein generelles Desinteresse am Sporttreiben. Laut der JIM-Studie 2022 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest, an dem auch der SWR beteiligt ist, treiben sechs von zehn Jugendlichen täglich oder mehrmals pro Woche Sport. Allerdings ist die Konkurrenz um das Zeitbudget groß. Auf täglich 204 Online-Minuten kommen die 12- bis 19-Jährigen laut JIM-Studie. Auf eine Woche gerechnet ist das fast ein ganzer Tag im Internet. "Organisiertes Sporttreiben und der Verein als physischer Ort sind da für viele einfach zu statisch, zeitlich zu unflexibel", sagt Maas.

Neue Sportarten, neue Abo-Modelle

Das machen sich kommerzielle Anbieter zunutze. Es gibt flexible, monatlich kündbare Abo-Angebote, wie man sie etwa von Streaminganbietern kennt. Eine Mitgliedschaft beim Anbieter "Urban Sports Club" etwa verschafft Nutzenden Zugang zu diversen Sportangeboten, von Fitnesssport über Schwimmen, Bouldern, Tanzen, Boxen bis hin zum Trendsport Padel-Tennis - ohne Mitglied bei den einzelnen Vereinen und Clubs werden zu müssen.

Sinnvoll und lohnend können solche Abo-Modelle vor allem in Ballungsgebieten mit diversen Sportangeboten sein. In bevölkerungsärmeren Regionen bleibt als einzige Option neben der Schule meist der klassisch im Verein organisierte Sport - nicht selten ersetzen Sportvereine dabei auch offiziell den Schulsport.

Ebling: RLP soll "Bewegungsland Nummer eins" werden

Ob kommerzieller Anbieter, Sportverein oder private Initiativen - sie alle spielen eine wichtige Rolle auf dem Weg, den Sportminister Ebling für Rheinland-Pfalz vorgesehen hat: Das Land soll Vorreiter in Sachen Bewegung und Sport sein und zum Bewegungsland Nummer eins werden in Deutschland. Aktuell leben die Menschen in Rheinland-Pfalz laut einer Studie von Krankenkassen und Deutscher Sporthochschule zwar mit am gesündesten, sind aber eher Bewegungsmuffel.

Vereine in RLP reagieren mit neuen Angeboten

Nachgefragt bei einigen der größten Vereine in Rheinland-Pfalz: Spüren sie den landesweiten Trend zu weniger jungen Mitgliedern und wie reagieren sie auf veränderte Anforderungen?

  • Der ESV 1927 Ludwigshafen verzeichnet bei den 7- bis 14-Jährigen einen Zulauf, musste in einigen Abteilungen bereits einen Aufnahmestopp verkünden und führt Wartelisten. Anders sieht es bei älteren Jugendlichen aus. "Da haben wir eher eine Fluktuation", sagt Geschäftsführerin Kwanta Schmidt. "Heranwachsende möchten sich nicht mehr binden, gehen lieber in Fitnessstudios und besuchen dort die Kurse." Der Verein mit rund 3.000 Mitgliedern versucht, seine Sportangebote anzupassen, hat etwa eine Darts- und eine Cricket-Abteilung gegründet. Um noch mehr neue Sportarten anzubieten, fehle es vielen Vereinen aber an Geld und Ehrenamtlichen, vermutet Schmidt.
  • Der TSV SCHOTT Mainz, in dessen Halle der rheinland-pfälzische Bewegungsgipfel stattfand, macht sich keine Sorgen um rückläufige Zahlen bei jungen Mitgliedern. Bei den Jüngsten registriert der Verein nach der Corona-Delle einen "sehr großen Zulauf", lediglich bei jungen Erwachsenen sanken die Zahlen in den vergangenen beiden Jahren leicht. Der TSV schaue seit einiger Zeit auch verstärkt auf Nicht-Mitglieder, etwa mit Padel-Tennis und Angeboten im Fitness-, Präventions- und Rehasport, heißt es von der Geschäftsstelle. Das sei eine Möglichkeit, wie "Nicht-Mitglieder mittel- bis langfristig zu unserem Verein finden können".
  • Der Polizeisportverein Trier 1926 gewinnt junge Neumitglieder unter anderem an Trierer Gymnasien, wo der Verein teils den Schulsport ersetze. Für entscheidend hält man beim PSV einen modernen, aktuellen Internet-Auftritt, weil mehr als 90 Prozent der Neumitglieder über die Internet-Präsenz auf den Verein aufmerksam würden. Außerdem verzeichnen die Trierer seit Jahresbeginn über 100 Neuaufnahmen durch die Aktion "Sportvereinsscheck" des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), der als 40 Euro-Gutschein für Neumitgliedschaften in einem Sportverein gilt.

"Heranwachsende möchten sich nicht mehr binden, gehen lieber in Fitnessstudios und besuchen dort die Kurse."

Viele Sportvereinsschecks vom DOSB in RLP eingelöst

Deutschlandweit wurden laut DOSB bis Anfang September 119.000 Gutscheine eingelöst, gut 6.500 davon in Rheinland-Pfalz. Das Land liege damit in Relation zu seinen Einwohnern über dem Bundesschnitt. 3.000 der rheinland-pfälzischen "Sportvereinsschecks" wurden von Menschen unter 26 Jahren eingelöst.

Die Mitglieder-Entwicklung betrachtet der Verband zwar nicht entspannt, aber auch nicht mit allzu großer Sorge: Der sogenannte "Organisationsgrad", bei dem die Zahl der Vereinsmitglieder in einer Altersgruppe in Relation zur Bevölkerung gesetzt wird, sei weitgehend konstant, teilt der DOSB auf SWR-Anfrage mit. Man müsse allerdings schauen, dass der organisierte Sport für junge Menschen relevant bleibe und man sie mit attraktiven Angeboten in den Vereinen halte.

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