Nach der zweiten Befragung von Malu Dreyer im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe fordern CDU und AfD persönliche Konsequenzen der Ministerpräsidentin. Ihre Vernehmung brachte wenig Neues.
"Wir fanden den Auftritt beschämend", sagte CDU-Obmann Dirk Herber. Dreyer habe es erneut verpasst, etwas zur Aufklärung beizutragen und Verantwortung für das Handeln der Landesregierung während der Ahrflut zu übernehmen. Die Ministerpräsidentin müsse nun selbst Konsequenzen ziehen, wie es die frühere rheinland-pfälzische Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) und Ex-Innenminister Roger Lewentz (SPD) getan hätten. Beide waren infolge der Aufarbeitung der Flutkatastrophe zurückgetreten. Spiegel war damals bereits Bundesfamilienministerin und legte dieses Amt nieder.
AfD wirft Ministerpräsidentin Versagen vor
Die AfD ist noch klarer in ihrer Rücktrittsforderung. AfD-Obmann Michael Frisch sagte nach der Vernehmung der rheinland-pfälzischen Regierungschefin: "Frau Dreyer hat ebenso wie ihre Regierung in der Flutnacht versagt und trägt daher die Verantwortung für die verheerenden Folgen dieser Katastrophe, die zumindest zum Teil hätten verhindert werden können." Deshalb fordere die AfD-Fraktion den Rücktritt von Dreyer.
Frisch wirft Dreyer unter anderem vor, ihre Pflicht nicht erfüllt zu haben. So habe sie sich in der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 nicht selbst über die Lage informiert. Außerdem habe die Ministerpräsidentin nicht sichergestellt, dass die zuständigen Minister eng miteinander kommunizieren und kooperieren.
SPD: Dreyer hat Fragen umfassend beantwortet
Zu einer ganz anderen Bewertung kommt der SPD-Obmann im U-Ausschuss. Nico Steinbach erklärte: "Die Ministerpräsidentin konnte auch heute die gestellten Fragen umfassend klären. Dabei kamen allerdings keine grundlegend neuen Erkenntnisse zu Tage." Dreyer habe erneut plausibel belegt, dass der Landesregierung in der Flutnacht keinerlei Anzeichen vorgelegen hätten, dass es sich um eine Katastrophe unbekannten Ausmaßes gehandelt habe.
Dreyer sah keinen Anlass, sich selbst einzuschalten
In ihrer Aussage wiederholte Dreyer, dass sie in der Flutnacht auf den Katastrophenschutz vertraut habe. "Die größte Naturkatastrophe des Landes war aber stärker als die Strukturen des Katastrophenschutzes" in Rheinland-Pfalz, so die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin in ihrer Aussage. Das Ausmaß der Ahr-Flut habe sich keiner ausmalen können. Dreyer (SPD) stellte klar, dass sie als Ministerpräsidentin nicht Teil der operativen Krisenbewältigung sei. Die Katastrophenschützer vor Ort hätten am 14. Juli 2021 die Lage eingeordnet und Schutzmaßnahmen wie Evakuierungen eingeleitet.
Auf Nachfrage erklärte Dreyer, dass sie am Flutabend selbst nicht überlegt habe, eine Warnmeldung über die Medien - über das so genannte Mowas-System - zu veranlassen. Ihr sei zwar bekannt, dass dies durch die Landesregierung geschehen könne. Ihre Erfahrung sei aber gewesen, dass die Katastrophenschützer vor Ort amtliche Gefahrendurchsagen initiieren. "Es gab am 14. Juli keinen Hinweis, dass etwas nicht gut laufen könnte", so die Ministerpräsidentin.
Der Ausschuss hatte Dreyer erneut geladen, weil seit ihrer ersten Vernehmung deutlich geworden ist, dass es beim Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz erhebliche Mängel sowie Unklarheiten bei den Zuständigkeiten gibt, die nun neu geregelt werden sollen. Zudem tauchten diverse Beweismittel auf, die belegen, dass das Ausmaß der Überflutungen im Ahrtal schon am Abend des 14. Juli erkennbar war. So hatte ein Polizeihubschrauber damals Videos und Fotos beim Flug über das Ahrtal gemacht. Einen Bericht dazu sendete die Besatzung noch am Abend an das Lagezentrum im Innenministerium.
Dreyer verteidigt Einsatzleitung der ADD
Die Ministerpräsidentin hat sich in ihrer Aussage hinter den umstrittenen Chef der Katastrophenschutzbehörde ADD gestellt. Sie habe es so wahrgenommen, dass die Einsatzleitung unter der Leitung von ADD-Präsident Thomas Linnertz nach der Ahrflut im Juli 2021 alles gegeben habe, sagte Dreyer. Die Einsatzleitung sei für die Regierung rund um die Uhr erreichbar gewesen, Linnertz und seine Mitarbeiter hätten eine "Riesenaufgabe bis zur körperlichen Erschöpfung wahrgenommen".
Gutachter sieht Mängel beim ADD-Krisenmanagement
Zuvor hatte der Berliner Professor für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz, Dominic Gißler, sein Gutachten zum Krisenmanagement der ADD vorgestellt. Er sprach zahlreichen Mängeln der ADD-Einsatzleitung im Ahrtal. Als Beispiele nannte der Gutachter schlecht abgestimmte Personalwechsel. Diese hätten zu großen Reibungsverlusten geführt. Auch Sitzungen verschiedener Stäbe seien schlecht aufeinander abgestimmt worden.
Gißler bezeichnete die Flutkatastrophe als "Maximalereignis in jeder Dimension". Die Führungsleistung habe unter ungünstigsten Gesamtbedingungen erbracht werden müssen. Zu den Problemen für die ADD zählte er den Ausfall des Mobilfunknetzes. Außerdem habe es keinen Verwaltungsstab des Kreises Ahrweiler gegeben. Auch deshalb sei die Effizienz des Einsatzes teilweise hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben. Geißler sagte: "Ich glaube nicht, dass man die Schuld einzelnen Personen anlasten kann."
Freie Wähler fordern Entlassung von Linnertz
Die Freien Wähler fordern, ADD-Präsident Linnertz zu entlassen. Als Grund nennt Stephan Wefelscheid, der Obmann der Freien Wähler im U-Ausschuss, die Ausführungen des Gutachters. Dieser habe bestätigt, "dass die ADD, allen voran ihr Präsident Thomas Linnertz, nicht derart auf die Großschadenslage vorbereitet war, wie sie es eigentlich hätte sein müssen." Als oberster Katastrophenschützer des Landes hätte sich Linnertz das nötige Spezialwissen besorgen müssen, so Wefelscheid: "Diese Versäumnisse sind unvertretbar."
Der Untersuchungsausschuss soll klären, welche Versäumnisse es bei der Flutkatastrophe Mitte Juli gab und wer dafür verantwortlich ist. Die Flut hatte in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 für verheerende Zerstörungen gesorgt, 135 Menschen starben allein in Rheinland-Pfalz, davon 134 im Ahrtal.