In Rheinland-Pfalz leiden einem Report der Krankenkasse DAK zufolge vor allem Mädchen verstärkt unter Depressionen und Essstörungen. Als Grund gibt der Report die Corona-Pandemie an.

Was Betroffene und Bezugspersonen tun können

Immer mehr Kinder und Jugendliche erkranken psychisch

Stand
Autor/in
Rafaela Rübsamen

Die Zahlen machen Sorgen: Immer mehr Kinder und Jugendliche müssen während der Corona-Pandemie psychiatrisch behandelt werden. Doch was können Bezugspersonen tun, wenn ihre Kinder erkranken?

Die Zahlen, die die Krankenkasse DAK an diesem Mittwoch veröffentlicht hat, zeigen einmal mehr, wie sehr Kinder und Jugendliche unter der Corona-Pandemie leiden. Immer mehr junge Menschen werden wegen Essstörungen und Angsterkrankungen behandelt. "Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit stiegen Essstörungen wie Anorexie und Bulimie bei 10- bis 14-jährigen Mädchen um rund 60 Prozent an", heißt es von der Krankenkasse. Und auch Adipositas - also krankhafte Fettleibigkeit stieg bei Mädchen um mehr als 20 Prozent an. Die Zahl der verschriebenen Antidepressiva stieg in der Altersgruppe um das dreifache an.

Bei Jungen und männlichen Jugendlichen hingegen gab es bei Essstörungen keine Zunahme bei den Behandlungen. Es waren sogar weniger Jungen wegen Depressionen und Angststörungen in Behandlung als vor Corona. Die Zahl der Behandlungen sank um 31 beziehungsweise 27 Prozent.

Expertin besorgt über den Trend und die langen Wartezeiten

Für Sabine Maur, niedergelassene Psychologische Psychotherapeutin mit Zusatzqualifikation Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und Vorsitzende der Landespsychotherapeut*innenkammer, ist diese Entwicklung nicht neu aber besorgniserregend. Vor allem die gestiegene Zahl an verschriebenen Antidepressiva betrachtet sie kritisch. "Der Anstieg ist besorgniserregend." Die erste Wahl bei der Behandlung von Depressionen und Angststörungen im Kindes- und Jugendalter sei Psychotherapie. Das ist aber gar nicht so leicht. "Die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen ist auch in Rheinland-Pfalz mit zu langen Wartezeiten verbunden." Hier gebe es dringenden Nachbesserungsbedarf.

Tipps für Betroffene und Bezugspersonen

Doch wie erkennen Bezugspersonen, wenn Kinder und Jugendliche psychisch erkranken und was muss dann getan werden? Eine Übersicht über die ersten Fragen:

Erste Anzeichen
Hilfsangebote
Hilfe für die Bezugspersonen
Präventivmaßnahmen

Woran erkennt man, dass das Kind psychisch erkrankt?

Laut Maur können mögliche allgemeine Anzeichen länger anhaltende Verhaltensänderungen sein: "Zum Beispiel, wenn das Kind immer wieder Ängste zeigt oder traurig wirkt, sich zurück zieht, kein Interesse mehr an Dingen hat, die es sonst gerne getan hat." Oder immer wieder angespannt wirke, schnell aggressiv werde, im Gespräch nur noch wenig zugänglich sei oder Hobbies und Schule vernachlässige. Wichtig sei, "schon ein Vertrauensverhältnis zum Kind zu haben" und immer wieder mit ehrlichem Interesse nachzufragen, wie es dem Kind gehe, wie es sich fühle und was es zur Zeit als belastend oder stressig empfinde, so die Expertin.

Wo gibt es Hilfe?

Wenn das Kind medizinische Hilfe braucht, kann der Kinderarzt oder die Kinderärztin eine erste Anlaufsstelle sein, wie es auch auf der Seite der Landespsychotherapeut*innenkammer heißt. Betroffene können aber auch direkt bei einem Facharzt oder einer Fachärztin Hilfe suchen. Dafür gibt es unter anderem die Psychotherapeutensuche oder die Telefonnummer der Kassenärztlichen Vereinigung 116117, die rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche besetzt ist. In Notfällen - also akuten psychischen Ausnahmesituationen - kann über diese Nummer auch direkt ein Kontakt vermittelt werden. Bei Lebensgefahr gilt auch bei psychischen Erkrankungen: Den Rettungsdienst unter 112 benachrichtigen. Ab einem Alter von 15 Jahren können Jugendliche auch ohne das Wissen ihrer Eltern zu einem Therapeuten gehen.

Was können Bezugspersonen für sich tun?

Wenn ein Kind oder ein Jugendlicher erkrankt, dann betrifft es nicht nur ihn oder sie, sondern meist auch die Bezugspersonen. "Wenn Eltern so starke Schuld- und Hilflosigkeitsgefühle haben, dass sie sich selbst damit überfordert fühlen, kann externe Unterstützung hilfreich sein", sagt Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Maur. Das könne eine ganz praktische Entlastung in Alltagsdingen sein, aber auch der Austausch mit anderen betroffenen Eltern z.B. in Selbsthilfegruppen. Auch eine eigene Therapie oder Beratung, um mit der Situation fertig zu werden, sei möglich. Maur weist darauf hin, dass bei Behandlung von Kindern "die Bezugspersonen, insbesondere die Eltern, eng und regelmäßig einbezogen" werden. Dafür seien extra zusätzliche Therapiestunden vorgesehen.

Wie kann man präventiv vorsorgen?

Gerade in der Pubertät lösen sich die Kinder von den Eltern, ziehen sich zurück und suchen sich neue Bezugspersonen. Daher ist es nicht selbstverständlich, dass sie sich bei Symptomen ihren Eltern oder anderen Bezugspersonen anvertrauen. Im Elternratgeber der Psychotherapeut*innenkammer wird empfohlen, zunächst in einer ruhigen Situation mit den Kindern zu sprechen. Eltern können aber auch in die Sprechstunde von Kinder- und Jugendtherapeuten gehen, wenn sie Beratung brauchen. Für Maur ist schon eine gute Grundlage gelegt, "wenn Eltern eine gute Bindung zu ihrem Kind haben und ihr Kind emotional gut und zuverlässig unterstützen."

Laut der Krankenkasse DAK sind auch Sport, soziale Bindungen und Aktivitäten Möglichkeiten, psychischen Krankheiten vorzubeugen. Dafür werden Mitarbeitende in Schulen und Kitas zu den Themen Bewegung, Ernährung und psychischer Gesundheit weitergebildet, sodass sie dort Präventivarbeit machen können.

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