Vor acht Jahren gab Isabell Probst ihren Lehrer-Beamtenstatus auf und hat es nicht bereut: Inzwischen hat sie rund 1.500 Kollegen beraten, die über einen Neuanfang nachdenken.
Ursprünglich hatte Isabell Probst nur einen Internet-Blog über ihren Lehrer-Ausstieg veröffentlicht. Als sie daraufhin immer mehr Nachfragen von aussteigwilligen Lehrern bekam, machte sie schließlich eine Agentur für Lehrerberatung auf.
Nachhaltiges Kaffee-Geschirr statt Bio, Mathe und Sport
Melanie Endel war eine der vielen Lehrerinnen und Lehrer, die Isabell Probst in den vergangenen Jahren beraten hat. Endel war elfeinhalb Jahre lang engagierte Realschullehrerin in Rheinland-Pfalz für Mathe, Biologie und Sport. Eigentlich hatte sie schon bald nach dem Referendariat bemerkt, dass sie unglücklich war.
Oft sei sie nach Hause gekommen und habe geweint, erzählt die heute 35-Jährige. Zunächst entschloss sie sich, die Schule zu wechseln.
Zum Schluss wandte sie sich an die Beratung von Isabell Probst. Hier fand Endel den Mut, den Schuldienst zu verlassen. Inzwischen arbeitet sie als Projektmanagerin und Verkäuferin in einer Firma, die nachhaltiges Kaffee-Geschirr vertreibt.
Verbeamtung? Nein, danke!
Ein anderes Beispiel ist der Freiburger Myrdhin Person. Zwei Mal hatte er es im Schuldienst versucht: Zuletzt war er in Baden-Württemberg angestellter Lehrer für Ethik. Ein Angebot zur Verbeamtung lehnte er ab.
Er habe das Gefühl gehabt, seine berufliche Entwicklung überhaupt nicht mehr in der eigenen Hand zu haben. Von ihm sei erwartet worden, dass er gehorcht und sich anpasst, eigene kreative Gedanken zu Unterrichtsgestaltung seien unerwünscht gewesen, berichtet Person. Als Musiker und Konzertveranstalter gründete Myrdhin Person schließlich ein Coaching-Unternehmen für Bands aus der Rock- und Heavy-Metal-Szene. Inzwischen ist er auch im Team der Lehrerberatung Probst.
Einmal Lehrer - immer Lehrer! Oder oft so etwas Ähnliches
Endel und Person sind keine Einzelfälle: Von den mehr als 1.500 Lehrerinnen und Lehrern, die bei Isabell Probst in der Beratung waren, haben etwa 60 Prozent ihren Dienst mittlerweile quittiert. Nicht alle haben aber den Beruf gewechselt. Manche sind nur aus dem öffentlichen Schulsystem ins private Schulsystem gewechselt. Das ist oft der Versuch, dem Beruf noch mal eine letzte Chance zu geben, sagt Probst.
Außerdem sieht sie, dass viele Lehrer eigentlich dem pädagogischen Thema treu bleiben, auch wenn sie in die freie Wirtschaft wechseln, beispielsweise für innerbetriebliche Weiterbildung zuständig sind.
Ex-Lehrer in der Personal- und Projektentwicklung
So würden Ex-Lehrer oft neue Jobs in der Personal- oder Projektentwicklung finden. Denn Lehrkräfte sind durch ihren Berufsalltag täglich mit Projektmanagement befasst, so Isabell Probst. Außerdem könnten Lehrer gut organisieren. Deshalb seien Aussteiger inzwischen in der freien Wirtschaft gern gesehen.
Berufliche Erfüllung in einem Nebenjob
Doch nicht alle Lehrer, die unzufrieden sind, wagen den Schritt und verlassen den Schuldienst. Jeder fünfte Klient hat nach einer Beratung bei Isabell Probst lieber sein Glück neben dem Beruf gesucht: Manche haben sich eine Nebentätigkeit bewilligen lassen, einen kreativen Online-Shop gegründet. Viele versuchen irgendwie neben dem stressigen Lehrerjob eine andere berufliche Erfüllung zu finden.
Kündigung trotz "Traumjob"
Denn die Hürde, den Lehrerberuf aufzugeben, ist hoch - nicht zuletzt wegen des gesellschaftlichen Drucks. In ihrem Buch schildert Pobst, dass unglückliche Lehrerinnen und Lehrer in ihrem Umfeld oft auf Unverständnis stoßen.
"Raus aus der Schule" war die richtige Entscheidung
Isabell Probst selbst hat ihre Kündigung jedenfalls nie bereut. Obwohl auch sie viel Unverständnis erfahren musste, schließlich hatte sie eine hoch bezahlte und lebenslang sichere Stelle als Englisch- und Geschichtslehrerin an einer renommierten Schule aufgegeben.
Als Coach hilft sie heute anderen Lehrenden, den Weg aus der Schule und zu sich selbst zu finden.