Wasserstoff-Antrieb für LKW: Ist das die Zukunft der Brennstoffzelle?

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Autor/in
Andreas Böhnisch

Damit die Verkehrswende hin zu umweltfreundlichen Antrieben wirklich klappt, muss die Technik viel besser werden. Das gilt auch für Lastwagen. Wie umweltfreundliche LKW-Antriebe aussehen könnte, darum geht es in Stuttgart bei der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Messe "hy-fcell". Ob Wasserstoff die Zukunft für den LKW ist, darüber hat SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch mit Markus Hölzle vom „Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg“ ZSW gesprochen.

SWR Aktuell: Wieviel Potenzial steckt denn in der Brennstoffzelle für Lastwagen?

Hölzle: Darin steckt wirklich großes Potenzial, wobei man unterscheiden muss, dass LKW nicht LKW ist. Ein Liefer-LKW der Waren ausfährt in einer Stadt, in der Region, und jeden Tag nur 100 Kilometer fährt, der kommt mit einem Batterieantrieb sehr gut zurecht, und es ist auch die bevorzugte Entwicklungsrichtung. Das sieht aber ganz anders aus für die wirklich schweren LKW und die 40-Tonner, die täglich mehrere Hundert Kilometer fahren in Europa, in Deutschland. Dort kommen die Batterien an ihre Grenzen. Um dann wirklich große Reichweiten zu realisieren, müsste man sehr große und schwere Batterien verbauen, die auch relativ lange zum Laden brauchen. Und da wiederum hat eben die Brennstoffzelle mit Wasserstoffantrieb große Vorteile, weil sie in wenigen Minuten betankt werden kann, und solche LKW ohne Tankstopp 800 bis 1000 Kilometer fahren können.

SWR Aktuell: Das hört sich fast genauso an wie beim Diesel, nur dann eben umweltfreundlich. Aber es gibt noch keine Serienproduktion für LKW mit Brennstoffzelle. Wann wird es damit losgehen?

Hölzle: Es geht los. Die Firmen bereiten das ganze vor, ziehen die Kapazitäten hoch. Um ein Beispiel zu nennen: Die Firma Bosch investiert jedes Jahr mehrere Hundert Millionen in ihrer Brennstoffzellenproduktion. Die Brennstoffzellensysteme der Firma Bosch werden zum Beispiel in Ulm bei der Firma IVECO in großen LKW verbaut. Dort gibt es bereits eine Produktionsstraße, und wir werden den – was wir sagen – „Markthochlauf“ in den nächsten zwei bis drei Jahren erleben, dass wir dort in alltägliche Stückzahlen kommen werden.

SWR Aktuell: Damit LKW mit Brennstoffzellen in Deutschland und europaweit unterwegs sein können, braucht man natürlich Wasserstofftankstellen. Gut 100 stehen zurzeit in Deutschland, in Europa sind es etwa 250. Das reicht natürlich bei weitem nicht aus. Rechnen Sie da in den nächsten Jahren mit einem Schub?

Hölzle: Auf jeden Fall. Die hundert Tankstellen in Deutschland, die Sie genannt haben, sind Tankstellen für PKW. Die können gar nicht genutzt werden von LKW, das heißt: Da muss wirklich von Grund auf neu gebaut werden. Dafür gibt es jetzt eine Planung, dafür gibt es Förderprogramme, auch in Ausschreibungen. Und da gibt es wirklich großes Interesse von neuankommenden Firmen, aber auch von den großen Ölgesellschaften, die eben auch natürlich eine Substitution für ihre jetzigen Dieseltankstellen suchen. Das ist, glaube ich, auf den Weg gebracht. Sie haben das schon richtig formuliert: Es muss natürlich parallel laufen zum Ramp-Up der Produktion von Brennstoffzellen-LKW. Das sehen wir im Moment, dass das Ganze jetzt organisiert ist, dass auch in der deutschen Wasserstoffstrategie das Ganze benannt ist, dass jetzt ein Plan zusammengebaut wird. Wir werden in den nächsten zwei, drei Jahren einiges im Markt sehen und auch ganz real solche Tankstellen und solche LKW auch zu sehen bekommen.

SWR Aktuell: Ein LKW mit einer Brennstoffzelle ist natürlich nur emissionsfrei unterwegs, wenn er mit grünem Wasserstoff betankt wird, der mit Hilfe von Sonne, Wind oder Wasserkraft hergestellt wird. Ist das zeitgleich zu erreichen: Die Serienproduktion von LKW mit Brennstoffzelle, die dann ausschließlich mit grünem Wasserstoff fahren?

Hölzle: Das ist wirklich auch zu schaffen. Es gibt jetzt auch eine neu aufgelegte deutsche Wasserstoffstrategie, die im Prinzip Zielwerte nennt, wie viel Wasserstoff wann in Deutschland produziert werden wird. Und es sind große Mengen, die locker ausreichen, um die LKW zu versorgen. Da wird einiges passieren, und es muss auch einiges passieren, wenn wir weiterhin so viel Photovoltaik und Wind bauen wie in diesem Jahr. Und es ist wirklich eine gute Nachricht: Dann werden wir an jedem heißen Sommertag zuviel Strom haben über die Photovoltaik. Das ist dann im Prinzip Strom, der sehr günstig sein wird, den man in Wasserstoff umwandeln kann. Mit dem Wasserstoff habe ich dann eben die Möglichkeit, den Strom zu speichern oder auch zum Beispiel LKW zu betreiben.

SWR Aktuell: Das Automobilland in Deutschland ist Baden-Württemberg und damit natürlich auch besonders betroffen von den Herausforderungen, von den Veränderungen hin zu einer neuen Mobilität, die dann umweltfreundlich sein soll, weg vom Verbrenner. Wie wichtig ist denn die Brennstoffzelle für das Autoland Baden-Württemberg?

Hölzle: Sie ist wirklich wichtig - und eine riesige Möglichkeit, eine neue, nachhaltige Industrie aufzubauen. Stand heute sitzen eigentlich alle großen Entwickler von Brennstoffzellen hier in Baden-Württemberg: Bosch haben wir schon genannt. Daimler Truck ist unterwegs im Joint Venture mit Volvo Truck, die Firma ElringKlinger und viele andere. Das ist wirklich eine Konzentration großer Entwickler, die es in Deutschland eben nur in Baden-Württemberg gibt. Selbst europaweit hat Baden-Württemberg eine führende Rolle. Und ich denke, es ist es so ein bisschen in der Hand der Industrie und der Landesregierung das wirklich zu pushen, dass hier eben diese Industrie wachsen kann - und im Prinzip auch daraus mittelfristig sogar eine Exportindustrie entstehen wird.

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Andreas Böhnisch