Machtmissbrauch bei der Polizei: "Das System ist sehr anfällig dafür"

Stand
Autor/in
Stefan Eich
Onlinefassung
Jenny Beyen

Das Landgericht Stuttgart hat entschieden. Der Inspekteur der Polizei in Baden-Württemberg ist nicht schuldig. Es sprach ihn vom Vorwurf der sexuellen Nötigung frei.
Vor der Urteilsverkündung hat SWR Aktuell-Moderator Stefan Eich mit dem Polizeiwissenschaftler Rafael Behr gesprochen. Er erläutert, warum das System Polizei anfällig für Machtmissbrauch ist.

Der Inspekteur der Polizei in Baden-Württemberg ist im Prozess um sexuelle Nötigung einer Kommissarin freigesprochen worden. Das entschied das Landgericht Stuttgart. Dem höchstrangigen Polizisten des Landes war vorgeworfen worden, eine deutlich jüngere Kommissarin vor einer Stuttgarter Kneipe zu sexuellen Gefälligkeiten gedrängt zu haben.

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Der Inspekteur der Polizei ist im Prozess um sexuelle Nötigung einer Kollegin freigesprochen worden. Das verkündete das Landgericht Stuttgart am Freitag.

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Vor der Urteilsverkündung hat SWR Aktuell-Moderator Stefan Eich mit dem Polizeiwissenschaftler Rafael Behr gesprochen. Er erläutert, warum das System Polizei anfällig für Machtmissbrauch ist.

SWR Aktuell: Ist das System Polizei anfällig für Machtmissbrauch?

Rafael Behr: Ja, weil es zwei Dinge vereint: Einmal häufen sich da Männlichkeiten in solchen Systemen und es ist ein sehr hierarchisches System. Und beides sorgt dafür, dass man sehr lange beobachtet wird, dass man sehr lange warten muss, bis man in Positionen kommt, in denen man Macht ausüben kann nach innen. Da macht sich Hörigkeit breit, da wird gefördert und sanktioniert und das alles macht das System sehr anfällig für subkulturelle Normen.

SWR Aktuell: In Baden-Württemberg gibt es eine Landespolizeipräsidentin. Kann das nichts an dieser Häufung von "Männlichkeiten" ändern, die Sie gerade erwähnt haben?

Behr: Das hofft man ja immer. Aber wir müssen sehen, dass es eine Frau unter vielen Männern in dieser Position gibt. Und seltsamerweise werden dann immer an einzelne Frauen solche Hoffnungen geknüpft, dass sie etwas kolossal ändern würden. Aber das kann man gar nicht erwarten, obwohl ich an der Integrität von Frau Hinz überhaupt nicht zweifle.

SWR Aktuell: Bemerkenswert ist, was Baden-Württembergs Innenminister Strobl sagt: Denn er sieht kein Problem bei der Polizei im Land, im Gegenteil. Strobl sagt, die Polizei hinterfrage sich ständig selbstkritisch, das sei ihr Erfolgsgeheimnis. Also, fragt die Polizei sich „Ist bei uns alles okay?“ und antwortet dann selbst „Ja, läuft super!“ - ist das wirklich so?

Behr: Also, das scheint mir doch eine gefährliche Mischung aus Naivität und Verdeckung zu sein, was der Innenminister da von sich gibt. Entweder hat er keine Ahnung, wie sein Laden läuft - das wäre sehr verdächtig. Oder er weiß tatsächlich was anderes und sagt es uns nicht. Ich kann mir nicht denken, dass er keine Ahnung hat von der Personalentwicklung im höheren Dienst. Normalerweise werden alle Beförderungen des Spitzenpersonals dem Innenminister vorgelegt. Er müsste also von Amts wegen mehr wissen, als er der Öffentlichkeit sagt. Wenn er das nicht tut, finde ich das äußerst merkwürdig.

SWR Aktuell: Gibt es keine unabhängige Kontrolle außerhalb des Ministeriums, was bei der Polizei passiert?

Behr: Nein, gibt es nicht. Es gibt zwar die Polizeibeauftragte des Landes Baden-Württemberg, die auch einen sehr wichtigen Dienst leistet und eine sehr wichtige Aufgabe hat. Aber wir haben es ja hier nicht mit Verfehlungen von Einzelfällen zu tun, wo man einen Bürger falsch behandelt hat oder wo es um eine Beleidigung geht. Hier ist ja Spitzenpersonal involviert. Und Spitzenpersonal lässt sich nicht so gut kontrollieren, in keiner Organisation, und da helfen auch keine Schiedsrichter von außen. Hier geht es ja um Besoldungsgruppen in einer Höhe, die weit über das hinausgehen, was normalerweise in der Polizei stattfindet. Es ist total schwer, in diese Spitzenfunktionen hinein Kontrolle von außen einzubringen, weil die sich natürlich gegen Einblicke von außen sehr gut wehren können.

SWR Aktuell: Gibt es irgendwo in Deutschland eine Landespolizei oder vielleicht die Bundespolizei, die diese Probleme im Griff hat?

Behr: Ich glaube, im Griff haben kann man solche Probleme eigentlich nicht. Man kann sich diesen Problemen nur mehr oder weniger offensiv nähern. Es sind bisher noch nicht viele ähnliche Fälle in den Polizeien aufgetaucht. Ich würde aber behaupten wollen, dass keine Polizei in Deutschland von sich sagen kann „Bei uns kann so etwas nicht passieren.“.

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