Ex-US-Präsident Donald Trump stellt den NATO-Beistandspakt in Frage. Was würde das bedeuten? Die Sicherheitsexpertin Claudia Major erläutert, was auf Europa zukommen könnte.
Die Verteidigungsminister der NATO-Staaten treffen sich in Brüssel. Sie wollen unter anderem über den laufenden Ausbau der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten des Bündnisses beraten.
NATO nimmt Trump-Drohung "sehr ernst"
Ein Thema dürfte auch die Ansage von Ex-US-Präsident Donald Trump sein, Bündnispartnern mit nach seiner Ansicht geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung zu gewähren.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Trump bei der US-Präsidentschaftswahl im November wiedergewählt wird, ist groß - eine Änderung der US-Verteidigungspolitik wäre möglich.
Ohne die USA steht die NATO vor großen Herausforderungen
Claudia Major, Politikwissenschaftlerin und Forschungsgruppenleiterin für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), geht im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Jonathan Hadem davon aus, dass die NATO-Verteidigungsminister diese Drohung sehr ernst nehmen. Die NATO-Staaten müssten sich deshalb überlegen, wie sie die Herausforderungen allein bewältigen könnten. Folgende drei Fragen würden sich stellen:
Wer übernimmt die politische Führung?
Es sei nicht ausgemacht, dass sich die NATO-Staaten auch ohne die USA zusammenfinden würde. Dabei gehe es darum, Kompromisse einzugehen und auch neue Initiativen zu starten. Zurzeit seien es die USA, die alle Mitgliedsländer an einen Tisch bringen würden. "Das kann keiner so einfach ersetzen", sagt Claudia Major. Auch Frankreich, Deutschland und Großbritannien als große europäische Länder hätten nicht das gleiche Gewicht wie die Vereinigten Staaten und würden deshalb auch nicht in gleichem Maße respektiert werden.
Wie ist es um die konventionelle Stärke bestellt?
Dabei gehe es um die militärische Stärke der Armeen der NATO-Staaten ohne die USA. Dazu gehörten die Anzahl der Soldaten, Panzer, Schiffe sowie Möglichkeiten der Aufklärung. "Wenn die Europäer das alles ersetzen sollen, brauchen sie sehr lange." Bis zu 15 Jahre wären nötig und die Verteidigungsausgaben müssten deutlich über dem von der NATO vorgegebenen 2-Prozent-Ziel liegen, um die Lücken zu füllen.
Was wird mit der nuklearen Abschreckung?
Zurzeit seien die USA in großen Teilen für die nukleare Abschreckung verantwortlich. Europa befinde sich unter deren atomarem Schutzschirm. Bei einem Rückzug der USA aus der NATO würden große Lücken entstehen, die nur durch sehr großen finanziellen Aufwand gestopft werden könnten.
Fazit der Sicherheitsexpertin
"Eine NATO ohne die USA wäre verwundbarer und instabiler. Es wäre in keiner Weise erstrebenswert", sagt Claudia Major.