Seit mehr als 1.000 Tagen ist Krieg in der Ukraine, ein Ende ist nicht in Sicht. Die Zivilbevölkerung leidet, und jetzt müssen die Menschen einen weiteren Kriegswinter überstehen. Hilfe ist dringend nötig. Ein Mann, der die Ärmel hochgekrempelt hat und anpackt, ist der Spediteur Markus Barth aus dem baden-württembergischen Laupheim im Kreis Biberach. Er hat mit seinem Unternehmen in diesem Jahr schon zweimal Hilfsgüter in die Ukraine gebracht. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs waren seine LKW schon achtmal dort. Warum er das macht, erklärt er im Interview mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch.
SWR Aktuell: Was treibt Sie an zu Ihrem Engagement für die Ukraine?
Markus Barth: Es sind natürlich die Not und das Leid der Bevölkerung, der Zivilbevölkerung, die dort unter den schlimmsten Umständen momentan leben müssen. Und wenn sich jetzt hier eine Gelegenheit bietet, Hilfslieferungen in das Kriegsgebiet zu fahren oder auch vor das Kriegsgebiet, dann bin ich da sehr gerne bereit, aus einem humanitären Akt heraus, und bin da sehr gerne dabei. Und darum habe ich da auch schon relativ früh gleich zu Beginn des Krieges die meisten Transporte gemacht.
SWR Aktuell: Gerade erst hat ein Lkw Ihrer Spedition das Inventar des ehemaligen Laupheimer Krankenhauses in die Ukraine gefahren. Da gingen Stühle, Tische, Hocker und Schränke an ein Kinderheim in Berinski im Südosten des Landes. Wie kam diese Mutmach-Geschichte, diese Aktion zustande?
Barth: Das Landratsamt in Biberach hatte den falschen Lkw bestellt. Die waren total verzweifelt und konnten die Ware nicht verladen. Und dann ging ein Hilferuf vom Krankenhaus Laupheim aus, ich solle doch bitte schauen, ob ich die Möglichkeit habe. Und da hatte ich ein bisschen Glück: Ich hatte den Fahrer, hatte den LKW, konnte in dem Fall relativ unvorbereitet, aber doch spontan helfen. Und da war die Freude natürlich umso größer.
SWR Aktuell: Und dieses Mobiliar aus dem ehemaligen Laubheimer Krankenhauses ist inzwischen auch schon in dem Kinderheim im Südosten der Ukraine angekommen. Und ich kann mir vorstellen, die sind dort überglücklich, dass sie das aus Laupheim bekommen haben…
Barth: Auf jeden Fall. Vor allem jetzt, gerade vor Weihnachten, freuen die sich natürlich über jede Lieferung. Vor allem, dass man sie nicht vergisst, dass man immer noch da ist, auch nach den tausend Tagen Krieg. Sie sind froh, wenn sie wissen, man hat sie nicht vergessen, und es kommt man noch Hilfslieferungen.
SWR Aktuell: Seit Kriegsbeginn haben Sie schon acht LKW-Hilfslieferungen in die Ukraine organisiert. Da sind Ihre Fahrer im Kriegsgebiet unterwegs. Welche Vorkehrungen müssen da getroffen werden?
Barth: Direkt ins Kriegsgebiet dürfen wir natürlich nicht reinfahren. Nach Luhansk und Donezk, also direkt an die Front, können wir nicht. Wir müssen so 80 bis 100 Kilometer wegbleiben. Und das ist immer noch sehr, sehr gefährlich. Ich sage mal, eine hundertprozentige Garantie gibt es nirgends, das ist klar. Die Fahrer wissen das auch, nehmen das Risiko aber gern auf sich. Wir fahren auch meistens im Konvoi. Man fährt nicht alleine, macht am LKW auch sichtbar, dass es sich um eine Hilfslieferung handelt. Man macht ein großes Rotes Kreuz rauf auf, auf beiden Planen und vorne und oben, dass es auch sichtbar ist, dass es eine Hilfslieferung ist und nicht irgendwie ein Militärfahrzeug. Aber natürlich: Eine hundertprozentige Garantie gibt es nicht, wenn man in dieses Gebiet fährt.
SWR Aktuell: Solche Hilfstransporte in die Ukraine kosten Geld. Haben Sie auch schon mal darüber nachgedacht, „kann ich mir das als Unternehmer überhaupt leisten?“ Die Speditionsbranche ist ein schwieriges Geschäft. Oder spielt Geld keine Rolle für Sie?
Barth: Es ist tatsächlich so, dass ich diese Fahrten komplett selbst übernehme. Natürlich kann man sagen: So eine Fahrt ist teuer. Aber wenn man diese Not sieht, wenn man die die zerstörten Häuser sieht oder die Gegenstände, die alle zerstört worden sind, da jammern wir immer noch auf relativ hohem Niveau. Natürlich haben wir unsere Sorgen, aber wir leben in einer Oase. Deshalb nehme ich das gerne in Kauf, Spendenfahrten zu machen, weil ich hoffe, dass man den Leuten die Hoffnung geben kann. Das ist gar keine Frage des Geldes. Natürlich kann man jetzt nicht ausweiten auf fünf Fahrten pro Woche. Aber jedes Vierteljahr oder alle vier Monate starten wir - auch nicht nur humanitäre Hilfe für die Kriegsgebiete, sondern fahren auch seit über 15 Jahren vier- bis fünfmal nach Bulgarien und Rumänien für Tierheime. Da machen wir, was Tierschutz anbelangt oder Menschenschutz - oder Menschenhilfe - keinen Unterschied.
SWR Aktuell: Und Sie haben sich auch nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 sofort engagiert, sind mit ihren LKW dort hingefahren, um zu helfen. Was gibt es Ihnen, sich für eine Sache einzusetzen?
Barth: Auf jeden Fall ein gutes Gefühl. Und es gibt kein schöneres Geschenk, wenn man jemandem helfen kann. Das kann man irgendwie gar nicht erklären. Wenn man Menschen in Not hilft, dass das einen in sich selber auch bewegt. Und wenn Sie das Ahrtal ansprechen: Ja, das war von den Hilfsleistungen her eine große Herausforderung. Innerhalb von kürzester Zeit, von vier Wochen, waren wir sechsmal im Ahrtal oben. Wir müssen bei humanitären Katastrophen, ob das Krieg oder Überschwemmungen sind oder welche Umstände auch immer, Bereitschaft signalisieren, dass wir alle an einem Strang ziehen. Dass wir in dem Fall wirklich selber auch was abgeben müssen. Es stärkt einfach das Gemeinschaftsgefühl, zusammen was zu bewegen. Das schweißt zusammen. Und es gibt unwahrscheinlich viel positive Energie in einem selbst.
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