So hat das SWR Data Lab die Daten erhoben und ausgewertet.
- Datengrundlage
- Qualitätsmanagementsystem
- Strukturierte oder Standardisierte Notrufabfrage (SSNA)
- Dokumentation der Häufigkeit von Telefonreanimation
- First-Responder-Apps und Ersthelfer-Systeme
- Eintreffen des ersten Rettungsmittels
- Überlebensrate bis zum Eintreffen im Krankenhaus
- Timeline der Datenerhebung
- Karten: Unterschiede Fernsehen und Online
Datengrundlage
Im Juni 2023 hat das SWR Data Lab umfassende Daten zum Thema Reanimation von allen Rettungsdienstbereichen in Deutschland angefragt. Fehlende oder nicht interpretierbare Daten wurden mit Informationen der Ärztlichen Leitung Rettungsdienst (ÄLRD), zuständige Ministerien, Krankenkassen, sowie Betreibern von First Responder Apps ergänzt. Im Dezember 2023 wurden die Rettungsdienstbereiche gebeten Ihre Angaben zu validieren. Entstanden ist eine umfassende, regionale Datengrundlage zum Thema Reanimation. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2022.
Lediglich die Daten zum Thema First Responder haben einen aktuelleren Datenstand. Denn diese hat das SWR Data Lab größtenteils nicht über die Anfragen an die Rettungsdienstbereiche ermittelt, sondern erst später über Anfragen an App-Betreiber und die Webseiten der Apps. Die Angaben wurden fortlaufend aktualisiert. Auch durch Antworten auf die Konfrontationen haben sich Änderungen ergeben.
Qualitätsmanagementsystem
Laut Expert:innen ist ein standardisiertes Qualitätsmanagement zwingend notwendig, um die Arbeit in der Leitstelle zu verbessern. Eines der übergeordneten Ziele ist dabei, die Reaktionszeit professioneller Rettungskräfte bei Notfällen zu verkürzen.
Das SWR Data Lab hat in seiner Datenanfrage im Juni 2023 nach einem Qualitätsmanagementsystem gefragt und dabei das Beispiel der SQR-BW genannt, die sich durch Kennzahlen-Controlling, das Aufbereiten der Qualitätsdaten in Berichtsform und kontinuierliches Überprüfen von Standards und Qualitätszielen auszeichnet. Die Rettungsdienstbereiche wurden im Dezember 2023 um die Bestätigung ihrer Angaben gebeten.
Das SWR Data Lab bewertet den Punkt "Qualitätsmanagementsystem" für alle Rettungsdienstbereiche folgendermaßen: Das Vorhandensein eines Qualitätsmanagementsystems wird positiv bewertet. Die Rettungsdienstbereiche, die in der für sie zuständigen Leitstelle kein Qualitätsmanagementsystem nutzen, erhalten die Bewertung "nicht vorhanden". Rettungsdienstbereiche, die keine Angabe zum Thema Qualitätsmanagementsystem gemacht haben, erhalten die Bewertung "keine Angabe". Ausnahmen bilden diejenigen Bereiche, die sich eine Leitstelle mit einem anderen Rettungsdienstbereich teilen. Liegen aus dem anderen Bereich Informationen vor (vorhanden oder nicht vorhanden), gelten diese auch für den Rettungsdienstbereich ohne Angabe. Ist ein Qualitätsmanagementsystem geplant, wird dies bei der Veröffentlichung berücksichtigt.
In der Konfrontation im Juni 2024 hat das SWR Data Lab Rettungsdienstbereiche, die angegeben haben, dass sie kein Qualitätsmanagementsystem haben, mit ihrem nicht ausreichenden Qualitätsmanagement konfrontiert. Daraufhin haben einige Rettungsdienstbereiche Angaben zu ihrem Qualitätsmanagement gemacht, die ihren ursprünglichen Angaben widersprechen. Diese Angaben wurden in der Stellungnahme der einzelnen Rettungsdienstbereiche in dem interaktiven Datenstück abgebildet.
Strukturierte oder Standardisierte Notrufabfrage (SSNA)
Die Strukturierte oder Standardisierte Notrufabfrage (SSNA) ist ein Abfragesystem, in der der inhaltliche Verlauf des Notrufgesprächs festgelegt ist. Sie unterscheiden sich von freien, intuitiven Abfrageformen ohne inhaltliche Vorgabe, die auf dem Erfahrungsschatz der Disponenten aufbauen. Eine standardisierte Notrufabfrage ist immer strukturiert, aber nicht jede strukturierte Notrufabfrage auch standardisiert.
Studien zeigen, dass der Einsatz einer SSNA dazu beiträgt, dass lebensbedrohliche Notfälle zuverlässiger und schneller erkannt werden können. Expert:innen empfehlen die SSNA, weil einheitliche Qualitätsstandards die Sicherheit der Patient:innen und die Rechtssicherheit der Leitstellen erhöhen. Auch ermöglichen, so Expert:innen, manche SSNA Systeme das automatische Sammeln von Daten für das Qualitätsmanagement.
Das SWR Data Lab bewertet den Punkt "SSNA" für alle Rettungsdienstbereiche folgendermaßen: Der Einsatz einer SSNA wird positiv bewertet. Eine freie Abfrage wird nicht als SSNA gewertet. Rettungsdienstbereiche, die angeben in ihrer Leitstelle keine SSNA einzusetzen, werden als "nicht vorhanden" bewertet. Gleiches gilt für Rettungsdienstbereiche, aus deren Erläuterungen hervorgeht, dass sie keine SSNA einsetzen. Rettungsdienstbereiche, deren Leitstelle ein SSNA-System plant oder die Nutzung diskutiert, werden bei der Veröffentlichung berücksichtigt. Leitstellen, die keine Angabe gemacht haben, erhalten die Bewertung "keine Angabe".
Dokumentation der Häufigkeit von Telefonreanimation (Telefon-CPR)
Laut den Richtlinien des Europäischen Rats für Wiederbelebung (ERC) können sich die Überlebenschancen bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand verdoppeln oder sogar verdreifachen, wenn sofort mit der Reanimation begonnen wird. In den meisten Fällen sollte die Herz-Druck-Massage also bereits eingeleitet werden, bevor First Responder oder der Rettungsdienst eintreffen. Bei der Telefon-CPR gibt der Disponent dem Anrufer Anweisungen zur Reanimation der betroffenen Person. Der ERC weist bereits seit 2010 in seinen Richtlinien auf die Notwendigkeit der Telefon-CPR hin. Eine Dokumentation der Häufigkeit, Qualität und dem Erfolg der Telefonreanimation kann dazu beitragen, dass das System evaluiert und verbessert werden kann.
Das SWR Data Lab bewertet den Punkt "Telefonreanimation" für alle Rettungsdienstbereiche folgendermaßen: Wurden Angaben zur Häufigkeit der Telefonreanimation gemacht, wird das positiv bewertet. Wurden in der Abfrage keine Angaben gemacht und kein Hinweis hinterlassen, wird dies als "keine Angabe" gewertet. Wurde keine Angabe zur Anzahl gemacht und geht aus dem Hinweis des Rettungsdienstbereichs hervor, dass die Zahl nicht genannt werden kann, wird dies als "Keine Dokumentation der Häufigkeit" gewertet.
First-Responder-Apps und Ersthelfer-Systeme
Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass der Einsatz von alarmierten Ersthelfenden das Zeitintervall bis zur ersten Reanimation erheblich verkürzt. Gleichzeitig steigt die Überlebensrate der Patient:innen und die Rate der Krankenhausentlassungen in gutem und sehr gutem Zustand. Expert:innen sind sich einig, dass Smartphone-Apps, die Ersthelfende standortbasiert alarmieren, besonders effizient sind.
Das SWR Data Lab bewertet den Punkt "Ersthelfer-Systeme" für alle Rettungsdienstbereiche folgendermaßen: Wenn Rettungsdienstbereiche im gesamten Gebiet eine App mit standortbasierter Alarmierung verwenden, wird dies positiv bewertet. Andere Ersthelfer-Alarmierungssysteme, teilweise vorhandene sowie geplante Apps oder Systeme werden als "nicht flächendeckend vorhandene First-Responder-Apps" gewertet, jedoch bei der Veröffentlichung mit einbezogen. Hat die Datenanfrage an die Appbetreiber ergeben, dass keine App vorhanden ist und haben die Rettungsdienstbereiche keine Angabe zu einem System gemacht, wird das als "nicht vorhanden" gewertet.
Die Daten setzen sich zusammen aus der Anfrage an die Rettungsdienstbereiche und einer Datenabfrage bei den Apps. Anfragen gingen an die Appbetreiber, die auf der Übersichtsliste der Björn-Steiger-Stiftung aufgeführt werden: Corhelper, Katretter, Mobile Retter, Region der Lebensretter, Saving Life und BOSretter. Die Daten wurden fortlaufend aktualisiert und sind aktueller als die Daten zu den anderen Themenbereichen. Deshalb wurden auch Änderungen, die sich aus den Konfrontationen ergeben haben, in den Datensatz integriert.
Eintreffen des ersten Rettungsmittels
Bei einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand soll die Zeit vom Notrufeingang bis zum Eintreffen der ersten professionellen Helfer in 80 Prozent der Fälle 8 Minuten nicht überschreiten. Dieser Referenzwert bezieht sich auf ein Eckpunktepapier, welches eine Expertengruppe aus zahlreichen Vertretern, der an der notfallmedizinischen Versorgung beteiligten Akteure, 2016 erarbeitet hat. Ebenso wie das Deutsche Reanimationsregister nutzt das SWR Data Lab diesen Zielwert, um den Zeitraum vom Notrufeingang bis zum Eintreffen des 1. Rettungsmittels zu bewerten.
Das SWR Data Lab bewertet den Punkt "Eintreffen des ersten Rettungsmittels" für alle Rettungsdienstbereiche folgendermaßen: Ergeben die Berechnungen, dass das erste Rettungsmittel in mindestens 80 % der Fälle unter 8 Minuten den Einsatzort erreicht, wird das positiv bewertet. Liegt der Erreichungsgrad in einem Rettungsdienstbereich bei mindestens 70 % und unter 80 %, wird das in der Veröffentlichung berücksichtigt, die Zielvorgabe gilt als "fast erreicht". Wurde berechnet, dass das erste Rettungsmittel in weniger als 70% der Fälle in unter 8 Minuten am Einsatzort eintrifft, gilt die Zielvorgabe als "nicht erreicht". Liegen keine Angaben zur oben beschriebenen Eintreffzeit vor, wird das als "keine Angabe" gewertet.
Überlebensrate bis zum Eintreffen im Krankenhaus
Das SWR Data Lab hat bei seiner Anfrage an die Rettungsdienstbereiche Daten dazu angefragt, wie häufig Reanimationspatienten es lebend ins Krankenhaus schaffen. Laut Reanimationsregister sind zwei Datenpunkte besonders geeignet, das zu bewerten:
- Liegt die Inzidenz von Patienten und Patientinnen mit Spontankreislauf bei Krankenhausaufnahme höher als der bundesweite Durchschnitt (der Registerteilnehmer) bei ca. 20/100000 Einwohner: innen.
- Liegt die beobachtete Aufnahmerate der Patienten und Patientinnen mit Spontankreislauf höher als die statistisch zu erwartende Aufnahmerate mit Spontankreislauf (RACA-Score).
Das SWR Data Lab bewertet diesen Punkt folgendermaßen: Erfüllt ein Rettungsdienstbereich eines dieser Kriterien, gilt das als positiv. Wurden dazu keine Angaben gemacht, werden an dieser Stelle die dem SWR Data Lab vorliegenden exklusiven Krankenkassendaten des Instituts für Gesundheitssystemforschung der Barmer genutzt. Die Datengrundlage hier sind die Abrechnungsdaten der Barmer Ersatzkasse und unterschieden sich in einigen Details von den angefragten Daten: Unter anderem berücksichtigen sie den Zeitraum 2020 bis 2022 und beinhalten auch Patienten und Patientinnen, die ohne Spontankreislauf (Rosc) lebend das Krankenhaus erreicht haben. Sie sind geschlechts- und altersstandardisiert und berücksichtigen die regionale Morbidität der koronaren Herzkrankheit.
Diese Kassen-Daten geben eine standardisierte Morbiditätsrate (SMR) an, also einen Vergleichswert, ob mehr Fälle als erwartet das Krankenhaus lebend erreicht haben oder weniger. Das SWR Data Lab teilt die Werte der Rettungsdienstbereiche in die Abstufungen "deutlich mehr", "etwas mehr", "ungefähr so viele", "etwas weniger" und "deutlich weniger" ein. Weicht der berechnete Erwartungswert nach oben ab, werden mehr Reanimationsfälle als statistisch erwartet lebend ins Krankenhaus eingeliefert. Eine Abweichung nach unten zeigt, dass weniger Reanimationspatient:innen als erwartet lebend ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Timeline der Datenerhebung
April 2023 | Anfrage an die Landesministerien nach zuständigen Rettungsdienstbereichen und Leitstellen |
Ende Mai 23 | Voranfrage zu Zuständigkeiten, Leitstellen und ÄLRDs an alle Kreise in Deutschland |
Mitte Juni 23 | Erinnerung an ausstehende Antworten zur Voranfrage |
Juni 23 | Datenabfrage mit dem detaillierten Online-Fragebogen |
Ende Juli/Anfang August 23 | 1. Erinnerungen an ausstehende Antworten zur Datenabfrage |
Mitte September 23 | 2. Erinnerungen an ausstehende Antworten zur Datenabfrage |
August 23 | Zweite Mail an Ministerien mit der Bitte, nicht antwortende Rettungsdienstbereiche zu ermuntern, zu antworten. |
Anfang Dezember 23 | 3. Erinnerung an ausstehende Antworten zur Datenabfrage |
Anfang Dezember 23 | Validierungsrunde: Rettungsdienstbereiche konnten Angaben prüfen und ggf. korrigieren |
Mitte Dezember 23 | Erinnerungen an ausstehende Antworten zur Validierungsrunde |
Mai 24 | Information zum Projektstand und weitere Datenabfragen an die Landesministerien |
19. Juni 2024 | Konfrontation |
Karten: Unterschiede Fernsehen und Online
Die Karten in den Online-Veröffentlichungen unterscheiden sich in der Gestaltung teilweise von den Karten, die in den Fernseh-Dokumentationen gezeigt wurden. Wichtig: Alle Karten basieren auf demselben Datensatz. In den Online-Veröffentlichungen werden die Ergebnisse aber teilweise differenzierter dargestellt, in den Fernseh-Karten etwas zugespitzter. Beispielsweise gibt es beim Thema Qualitätsmanagement und First-Responder-Apps online zusätzlich die Kategorie "geplant", bei der Ankunft in unter acht Minuten werden online die Kategorien "Keine Angabe" und "Zielwert nicht erreicht" getrennt, im Fernsehen wurden sie zusammengefasst.