Der Frühling steht für Lebensfreude und Aufbruch. Davon spürt man zurzeit wenig. Hilfreich und motivierend ist eine Schrittzähl-App, meint Peter Knetsch in seiner Kolumne „Zwei Minuten“.
Der Frühling steht in den Startlöchern. So abgedroschen und bildlich schwierig diese Metapher auch sein mag: Ich bin dabei, mit am Start und in den Löchern, ab sofort wird sich deutlich mehr bewegt. Hilfreich ist so eine Schritt-Zähl-App.
Die Kolumne von Peter Knetsch können Sie hier auch als Audio hören:
Die Murmeltier-Wiederholungsschleife
Ich gehe bisher täglich 6728 Schritte – der Durchschnittswert der vergangenen zehn Wochen. Für einen Hundebesitzer, der mehrmals am Tag zum Gassigehen gewedelt wird, ist 6728 keine besonders hohe Zahl. Im Jahr davor – sagt mir die App - waren es allerdings noch 6729. Ein Schritt mehr pro Tag. Ich bin doppelt erstaunt und besorgt: Erstens: Wie kann es sein, dass ich zwei Jahre lang täglich fast exakt dieselbe Menge Schritte gegangen bin? Da stimmt was nicht. Bin ich in Wirklichkeit in einer Scheinrealität, einer Matrix gefangen, werde morgens von einer Super-Intelligenz mit einem Schritte-Budget aufgeladen und abends abgeschaltet? Bin ich Teil einer täglichen Murmeltier-Wiederholungsschleife mit nur geringfügig aktualisierten Erinnerungsimplantaten?
Auch Deutschland steckt fest zwischen Ampel und Streiks
Kein Wunder ändert sich z.B. in einem bestimmten Teil meines Informations-Universums so wenig: Irgendwer streikt immer, irgendwo wird manipuliert und gelogen, irgendwas fehlt immer: Munition, Milliarden, Fachkräfte, Zuversicht, ist ja auch egal. Grundstimmung in der Matrix: ampelig bis weselskyesk. Verstockt, blockiert, nichts bewegt sich.
Woher kommt die Abweichung von einem Schritt?
Apropos Bewegen, zurück zur Schritte-Zählerei. Mein zweites Erstaunen wiegt ähnlich schwer: Wie kommt die Abweichung von einem einzigen Schritt zustande? 6728 statt 6729 täglich? Ein ganzer Schritt weniger! Woran liegts? Körperlicher Verschleiß? Natürlicher Schwund? Ein Trend? Wenn sich das verstetigt, laufe ich in 6728 Jahren gar nicht mehr! Werde ich schrittweise gelöscht? Und wenn ja, von wem?
Der Hund und ich stehen in den Startlöchern
Diese wirklich existentiellen Sorgen schildere ich meinem Sohn, er ist der Generation Z zugehörig, der sogenannten Gen Z. Er hört mir für seine Verhältnisse interessiert und aufmerksam zu. Also wie immer zwischen Tür und Angel. Kurzkommentar: „Alter, 6728 Schritte, jeden Tag? Stabil!“ Und - rumms - ist die Tür zu. Für die Älteren unter uns: „Stabil“ bedeutet im Jugendsprech so viel wie cool, belastungsfähig, haltbar. Halbvoll statt halbleer. Und ja, so kann man es auch sehen. Alles stabil. Der Frühling steht zum Glück wieder zuverlässig in den Startlöchern und ich muss los. Der Hund wedelt.
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