Meinungen zum Bahn-Tarifkonflikt

Bahn-Streik: Mit dem Kopf durch die Wand - Lösung erst nach Riesenschaden?

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Petra Thiele
SWR-Wirtschaftsredakteurin Petra Thiele

Die Gewerkschaft der Lokführer will wieder streiken. Die Verärgerung wächst. Der Kompromissvorschlag lag "irgendwo schon in der Mitte", meint ein Experte. Doch die GDL fühlt sich stark.

Claus Weselsky, Chef der Gewerkschaft der Lokführer (GDL), hat "Wellenstreiks" angekündigt: viele kürzere und teils spontane Arbeitsniederlegungen hintereinander. Dadurch soll die Bahn auch nicht mehr in der Lage sein, Notfallfahrpläne zu erstellen. "Damit ist die Eisenbahn kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr", so Weselsky.

Die Bahn nennt das Verhalten der Gewerkschaft "stur und egoistisch". Die Forderungen - unter anderem nach einer 35 Stunden-Woche für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich - seien unerfüllbar und gefährdeten massiv das Eisenbahnsystem.

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Allianz pro Schiene: Fahrgästen können nicht mehr umplanen

Der Interessenverband Allianz pro Schiene kritisiert das Vorgehen der Gewerkschaft. Mit sogenannten Wellenstreiks nehme die Gewerkschaft den Fahrgästen die Möglichkeit, sich wenigstens darauf vorbereiten und entsprechend umplanen zu können, meint Geschäftsführer Dirk Flege.

Pro Bahn: Verkehrswende wird von Tarifpartnern zerstört

Der Fahrgastverband Pro Bahn macht beiden Seiten, GDL und DB, schwere Vorwürfe. "Die Tarifpartner machen gerade die Verkehrswende kaputt", sagte Pro-Bahn-Chef Detlef Neuß. Was jetzt laufe, sei den Fahrgästen nicht mehr zu vermitteln. Trotz der gesetzlichen Tarifautonomie sei es nun Zeit, dass die Politik aktiv werde. Der Bund als Eigentümer der Bahn müsse intervenieren.

GDL zieht maximale Karte

Hagen Lesch, Gewerkschaftsexperte beim arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft, erklärte gegenüber dem SWR, dass im Verkehrssektor Arbeitskampfmaßnahmen immer beide Seiten treffen würden: Die Bahn als Arbeitgeberseite und auch dritte Unbeteiligte - also die Kundenseite. Die Gewerkschaft ziehe nun mit kurzfristigen Streiks die maximale Karte, um den Druck auf den Arbeitgeber zu erhöhen.

Ob man diese Streiks für vertretbar hält, hänge vom Blickwinkel ab: Wenn man versuche, möglichst neutral auf den Konflikt zu schauen, stelle sich die Frage, wie man ein Ziel erreichen wolle, so Lesch. Sein Eindruck sei, die GDL wolle mit dem Kopf durch die Wand. Deshalb reiche der GDL auch der Kompromiss, den die Moderatoren vorgeschlagen haben, nicht.

Gewerkschaftsexperte: Bahn kann nicht Pleite gehen

Die Lokführergewerkschaft sitze am längeren Hebel, weil sie die Bahn in die Knie streiken könne, meint Lesch. Die Bahn sei ein öffentliches Unternehmen. Der Konzern könne nicht Pleite gehen: Insofern könne die GDL im Prinzip machen, was sie wolle.

Im Moment sieht der Tarif-Experte keinen Ausweg: "Das einzige, was wir wissen, ist, dass die Lösung nur am Verhandlungstisch möglich ist. Man muss miteinander reden. Immerhin hat man jetzt länger miteinander geredet."

Experte: Kompromissvorschlag lag "irgendwo in der Mitte"

Der Vorschlag der Moderatoren im Schlichtungsverfahren sah so aus: Verkürzung der Arbeitszeit für Schichtarbeiter um eine Stunde mit vollem Lohnausgleich plus eine halbe Stunde als Wahl-Modell.

Wer also die halbe Stunde noch dazu haben will, bekommt sie - aber ohne Lohnausgleich. Ein Kompromissvorschlag, der, so Hagen Lesch, "irgendwo in der Mitte liegt".

Tarifexperte: Gewerkschaft GDL will Bahn in die Knie zwingen

Laut dem Tarif-Experten habe die GDL momentan die Strategie, die eigene Forderung maximal durchsetzen zu wollen. GDL-Chef Weselsky habe zwar jetzt angeboten, ein halbes Jahr später mit dem Einstieg in die Arbeitszeitverkürzung anzufangen - aber dann mit einer ganzen Stunde statt einer halben Stunde. Wenn man diesen Vorschlag schon als Kompromiss verkaufe, dann sei das halt der Weg, so Lesch.

Besser 35-Stunden-Woche als gar keine Bahn?

Dann sei erst eine Lösung möglich, wenn die GDL einen Riesenschaden angerichtet habe, "dass man sagt, okay, bevor wir gar keine Bahn haben, dann die 35-Stunden-Woche", so Lesch weiter. Die Forderung von Pro Bahn, der Bund müsse nun eingreifen, hält er für das "übliche Gerede". In Deutschland gilt die Tarifautonomie - das bedeutet die Unabhängigkeit von staatlicher Einflussnahme bei Arbeitskämpfen.

Laut dem Experten vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft lässt die deutsche Rechtsprechung den Gewerkschaften viel Spielraum. Die GDL könne eine Woche streiken oder auch zehn Tage. Die Politik könne dagegen nur an beide Tarifparteien appellieren - und das mache sie bereits.

Auch obligatorische Schlichtung kann scheitern

Appelle reichten allerdings nicht mehr aus, wenn man den Arbeitskampf beenden wolle. Denn unbeteiligte Dritte, also die Fahrgäste und die Wirtschaft, litten unter den Streiks, ein öffentliches Unternehmen werde beschädigt, sagt Lesch. Grundsätzliche Lösungen wären: Wieder Beamte einstellen, die nicht streiken dürfen, oder sich an das sensible Thema Arbeitskämpfe herantasten - und beispielsweise eine obligatorische Schlichtung vorschreiben.

Beim aktuellen Konflikt hätten die Moderatoren quasi wie Schlichter fungiert und diese "Schlichtung" sei gescheitert. Genauso könne die GDL eine "obligatorische Schlichtung" scheitern lassen, so Lesch. Solange die Gewerkschaft auf den 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich mit einem Stufenplan beharre, und die Bahn nicht darauf eingehe - solange werde es keine Konfliktlösung geben können.

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