In Baden-Württemberg fehlen Wohnungen und die Mietbelastung ist seit Jahren konstant hoch, besonders in den Städten. Eine Datenanalyse zeigt, wie angespannt die Situation ist.
- In Baden-Württemberg werden jährlich mehr als 10.000 Wohnungen zu wenig gebaut
- Hohe Mieten belasten vor allem Menschen mit geringem Einkommen
- Baubranche leidet unter Preisentwicklung
Wohnungsbedarf ist vor allem in den Städten nicht gedeckt
Wer in Stuttgart oder Karlsruhe leben möchte, braucht entweder viel Geld oder Glück bei der Wohnungssuche. Das liegt unter anderem daran, dass der Wohnungsbedarf in diesen Städten nicht einmal zur Hälfte gedeckt ist. Dort werden also weniger Wohnungen gebaut, als jetzt und in Zukunft gebraucht werden.
Das zeigt eine Modellierung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Es müssten in den Jahren 2021 bis 2025 in Baden-Württemberg insgesamt etwa 53.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden, um den Bedarf zu decken. Bisher sind es jährlich mehr als 10.000 zu wenig.
In 32 von 44 Landkreisen und kreisfreien Städten ist der Wohnungsbedarf aktuell nicht gedeckt. Bewegen Sie die Maus über die Karte, um detaillierte Infos zur jeweiligen Region zu bekommen. Durch einen Klick auf den Button "Gebauter Wohnraum" sehen Sie, wie viel Wohnraum zwischen 2021 und 2023 anteilig zur Bevölkerung gebaut wurde.
Abwärtstrend beim Wohnungsbau
In Deutschland wird zu wenig gebaut. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr setzte die Ampel-Koalition zu Beginn ihrer Regierungszeit als Ziel im Koalitionsvertrag fest. Dieses Ziel wurde bisher jedes Jahr verfehlt. Zwischen 2021 und 2023 wurden jährlich jeweils nur rund 295.000 Wohnungen fertiggestellt.
Auch in Baden-Württemberg moniert die Bau-Branche schon seit einiger Zeit, dass der Neubau stockt. "Anhaltend hohe Material- und Energiepreise, gestiegene Zinsen sowie hohe Bauauflagen und eine ausufernde Bürokratie bremsen den Wohnungsbau weiterhin aus", sagt Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer des Verbands Bauwirtschaft Baden-Württemberg.
Im Jahr 2023 ist zudem die Zahl der Baugenehmigungen eingebrochen. Dem Verband zufolge spiegle sich das erfahrungsgemäß mit zeitlichem Abstand in den Fertigstellungen wider. Das Ziel der jährlich benötigten 53.000 Wohnungen, die das IW prognostiziert, wird vor diesem Hintergrund mutmaßlich noch schwieriger zu erreichen sein.
Bündnis fordert Senkung der Grunderwerbssteuer
Im September 2024 veröffentlichte der Verband Bauwirtschaft Baden-Württemberg gemeinsam mit 25 weiteren Vertreterinnen und Vertretern der Branche sowie der Mieterschaft und der Gewerkschaften ein Papier mit konkreten Forderungen an die Landesregierung.
Die Grunderwerbssteuer solle demnach von den aktuellen 5 Prozent auf 3,5 Prozent gesenkt werden, um das Bauen wieder attraktiver zu machen. Auf diesem Level ist derzeit nur die Grunderwerbssteuer in Bayern, die Steuersätze aller anderen Bundesländer liegen darüber.
Die bisherigen politischen Maßnahmen, wie etwa die Aufstockung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau oder eine Förderung der schnelleren Refinanzierung durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten, reichen laut Thomas Möller nicht aus. "Es braucht einen großen Wurf, um den Einbruch der Baunachfrage zu stoppen", sagt er.
Hohe Mieten belasten besonders Menschen mit geringem Einkommen
Durch den fehlenden Wohnraum ist der Mietmarkt vielerorts angespannt. Besonders in den Städten sind die Mieten auf hohem Niveau. Menschen mit niedrigem Einkommen müssen einen erheblichen Teil dessen für die Miete ausgeben.
2022 mussten Mieterinnen und Mieter in Baden-Württemberg durchschnittlich etwa 28 Prozent ihres monatlichen Nettoeinkommens für die Kaltmiete aufwenden. Wer 1.500 Euro und weniger verdiente, gab 47 Prozent davon für die Miete aus - und das ohne Heiz-, Strom- und anderweitige Nebenkosten.
Die Mietbelastung steigt mit der Größe der Gemeinde. Am höchsten war sie 2022 in Städten mit einer Einwohnerzahl zwischen 200.000 und 500.000. Mehr Einwohner gibt es nur in der Landeshauptstadt Stuttgart, wo hohe Mietpreise durch höhere Einkommen ausgeglichen werden.
Es fehlt vor allem bezahlbarer Wohnraum
Schlicht mehr zu bauen, bringe nicht unbedingt eine Besserung, sagt der Landesgeschäftsführer des Mieterbundes Baden-Württemberg Udo Casper. "Solange Investoren, Bauträger und Immobiliengesellschaften Wohnungen zu Höchstpreisen verkaufen oder vermieten können, werden keine bezahlbaren Wohnungen in nennenswertem Umfang gebaut."
Zwar wurde der soziale Wohnungsbau in Baden-Württemberg in diesem Jahr mit einer Rekordsumme von 580 Millionen Euro gefördert, aber der Topf war bereits Mitte des Jahres ausgeschöpft. Der geförderte Wohnungsbau decke allerdings nur einen kleinen Teil des Wohnungsmarkts ab, sagte Nicole Razavi, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, im Juni. "Um also nachhaltig und in der Breite die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu erleichtern, müssen Bauen und Sanieren einfacher, schneller und digitaler werden", sagte sie.
Mieterbund-Chef Udo Casper sieht noch eine andere Lösung, um erschwinglichen Mietraum zu schaffen: Neben Staat und Kommunen müssten auch andere nicht-profitorientierte Vermieterinnen und Vermieter und Unternehmen auf dem Wohnungsmarkt präsenter werden. "Dazu muss das Land eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft gründen. Ebenso müssen kommunale Wohnungsunternehmen gestärkt bzw. gegründet werden", fordert er.
Land hat Entwurf "Schnelleres Bauen" in der Pipeline
Im Juli dieses Jahres beschloss das Landeskabinett, dass die Landesbauordnung reformiert werden solle. Der entsprechende Entwurf "Schnelleres Bauen" verspricht ein beschleunigtes Baugenehmigungsverfahren und den Abbau baulicher Standards. Ein guter Ansatz, um das Bauen zu vereinfachen, findet der Chef des Verbands Bauwirtschaft Baden-Württemberg Thomas Möller.
In einigen Punkten sieht er allerdings Bedarf zur Nachbesserung: So sei zum Beispiel die sogenannte "projektorientierte Verfahrenssteuerung" nicht in die Novelle aufgenommen worden. Mit diesem Instrument könne das Bauen durch eine stärkere Digitalisierung und die gleichzeitige, transparente Zusammenarbeit am Bau beschleunigt werden, sagt Möller.
Bauministerin Nicole Razavi (CDU) rechnet damit, dass die Novelle im Laufe des neuen Jahres verabschiedet wird.
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