In Berlin ist am Freitag eine Wahlrechtsreform beschlossen worden. Nicht alle in Baden-Württemberg sind davon begeistert - vor allem die CDU nicht.
Der Bundestag hat nach jahrelangem Streit am Freitag eine Wahlrechtsreform beschlossen, die das Parlament verkleinern soll. Demnach wird es künftig keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben. Auch die sogenannte Grundmandatsklausel wird abgeschafft.
- Was ändert sich durch die Wahlrechtsreform?
- Warum kritisiert die BW-CDU die Wahlrechtsreform?
- Was sagen die anderen Parteien in BW dazu?
- Wie ordnen Fachleute aus BW die Wahlrechtsreform ein?
- Wie geht es weiter?
Was ändert sich durch die Wahlrechtsreform?
Mit der nun beschlossenen Wahlrechtsreform soll der Bundestag schrumpfen: von aktuell 736 Abgeordneten auf 630 ab der nächsten Wahl 2025. Dafür sollen die sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate wegfallen. Damit ist allerdings nicht mehr garantiert, dass jede Wahlsiegerin und jeder Wahlsieger aus den 299 Wahlkreisen in den Bundestag einzieht.
Außerdem will die Ampelkoalition die sogenannte Grundmandatsklausel abschaffen. Erhält eine Partei weniger als fünf Prozent der Stimmen, hat sie somit künftig keine Chance mehr auf Sitze im Bundestag. Die Linken wären damit nicht mehr im aktuellen Bundestag. Auch die CSU kam bei der letzten Bundestagswahl bundesweit nur knapp über die Fünf-Prozent-Hürde.
Warum kritisiert die BW-CDU die Wahlrechtsreform?
Bei der Abstimmung im Bundestag stimmten 261 Abgeordnete gegen den Gesetzesentwurf und 399 dafür. Die Union und die Linken sehen sich durch die Reform benachteiligt. Die CDU in Baden-Württemberg kritisiert die Wahlrechtsreform. Aus Sicht ihrer Generalsekretärin Isabell Huber ist die beschlossene Reform undemokratisch. Sie sei ein schwarzer Tag für die Demokratie. Das neue Wahlrecht werde dafür sorgen, dass unter Umständen direkt gewählte Abgeordnete künftig keinen Sitz im Bundestag bekommen. Das sei grundfalsch und Betrug an den Wählerinnen und Wählern.
Laut der Bundestagsabgeordneten Nina Warken (CDU) aus dem Wahlkreis Odenwald-Tauber wären beim Ergebnis der vergangenen Bundestagswahl rund zehn Direktmandate betroffen gewesen. Der Konstanzer CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg, Andreas Jung, sagte dem SWR, man sei sich einig, den Bundestag verkleinern zu wollen. Der von der Ampel vorgesehene Weg führe aber zu Politikverdrossenheit: "Da soll ja jetzt, wenn in einem Wahlkreis gewählt wird, derjenige, der im Wahlkreis gewinnt, gegebenenfalls gar nicht in den Bundestag kommen. Das sehen wir aus demokratietheoretischen Gründen kritisch."
Was sagen die anderen Parteien in Baden-Württemberg dazu?
Die SPD in Baden-Württemberg wirft der CDU vor, Angst um ihre Bundestagsmandate zu haben. Die CDU habe nie eine Verkleinerung gewollt, meint BW-SPD-Generalsekretär Sascha Binder.
Aus Sicht der FDP verliert jede Partei in diesem Modell gleichermaßen Sitze. Der FDP-Fraktionschef im Landtag und stellvertretende Landesvorsitzende der Liberalen in Baden-Württemberg, Hans-Ulrich Rülke, sagte, CDU und CSU hätten aus Eigennutz über Jahre hinweg eine Verkleinerung des Bundestags blockiert.
Wie ordnen Fachleute aus BW die Wahlrechtsreform ein?
Laut dem Politikwissenschaftler und Wahlforscher Joachim Behnke von der Zeppelin Universität in Friedrichshafen (Bodenseekreis) bringt die Reform eine wirksame Verkleinerung des Bundestages. Seiner Einschätzung nach verlieren alle Parteien zu gleichen Teilen. Deshalb sei diese Reform "eindeutig und zu 100 Prozent fair", so Behnke.
Ulrich Eith, Politikwissenschaftler in Freiburg, forderte Union und Linke im SWR auf, "verbal abzurüsten". Die Parteien hatten von einer "Gefahr für die Demokratie" gesprochen. Bei der Reform werde laut Eith der Gedanke der Verhältniswahl in den Vordergrund gestellt.
Das ganze Interview:
Wie geht es weiter?
Der Bundesrat muss sich auch noch mit dem Gesetzentwurf befassen, kann ihn aber nicht aufhalten. Die Union und die Linken im Bundestag kündigten jeweils an, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
Der Unionsfraktionschef im Bundestag, Friedrich Merz (CDU), machte nach der Abstimmung deutlich, dass er ein sogenanntes Normenkontrollverfahren anstrebt. Über das dafür erforderliche Viertel der Stimmen im Bundestag verfüge seine Unionsfraktion.