Die sozialen Einrichtungen klagen über massive finanzielle Probleme und befürchten Einschränkungen bei ihren Angeboten. Das ergab eine landesweite Umfrage des Paritätischen Wohlfahrtsverbands BW.
Preissteigerungen bei Wärme und Strom, hohe Investitions- und Personalkosten sowie drohende Kürzungen - darunter leiden die sozialen Einrichtungen in Baden-Württemberg massiv. Das hat eine landesweite Umfrage des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg ergeben. Mehr als 270 Träger mit unterschiedlichen sozialen Angeboten hatten sich an der Umfrage beteiligt.
Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass der Rückbau sozialer Angebote bereits in vollem Gange ist, so der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg. In mehreren Bereichen drohten Einschränkungen - wegen steigender Kosten und des Fachkräftemangels. Die geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt 2024 würden die Situation zusätzlich verschärfen.
Wohlfahrtsverband befürchtet massive Schrumpfung der sozialen Angebote
Aktuell würden nur noch knapp 75 Prozent der sozialen Dienste in vollem Umfang angeboten, so der Paritätische Wohlfahrtsverband. Er rechnet für das laufende Jahr mit einer weiteren Schrumpfung auf rund 65 Prozent. Für das kommende Jahr befürchtet der Verband, dass nur noch etwa die Hälfte der Angebote in vollem Umfang vorhanden sein könnte. Betroffen seien unter anderem die Alten- und Jugendhilfe sowie die Familien-, Migrations- und Schwangerschaftsberatung.
Der finanzielle Kostendruck geht offenbar an die Substanz der Einrichtungen und Dienste: Nur noch ein Drittel der Träger sehen der Umfrage zufolge ihre Existenz aktuell als sicher an. Knapp vier von zehn Trägern schätzen ihre gesamte Einrichtung als akut oder mittelfristig bedroht ein. Viele soziale Einrichtungen stünden mittlerweile finanziell "mit dem Rücken zur Wand", warnt die Vorständin Sozialpolitik, Uta-Micaela Dürig. Sie müssten ihre Angebote zurückbauen oder sogar einstellen. Das sei eine "soziale Katastrophe für Baden-Württemberg" und gefährde nicht zuletzt den sozialen Frieden im Land.
Notfallfonds für soziale Einrichtungen in BW gefordert
Dürig forderte unter anderem vom Land wegen des Ausmaßes der Krise bei den sozialen Trägern einen Notfallfonds für soziale Einrichtungen und Dienste in finanzieller Schieflage. Für die Finanzierung der Angebote nahezu aller Mitgliedsorganisationen seien öffentliche Leistungen relevant, die im Durchschnitt knapp 80 Prozent der Angebotskosten tragen, erklärte Ulf Hartmann, Vorstand Finanzen und Mitgliederberatung des Paritätischen Baden-Württemberg. Jedoch: Die Kosten- und Leistungsträger glichen die aktuellen Preissteigerungen bisher meist nur teilweise (72 Prozent der Fälle) oder gar nicht (6,3 Prozent) aus. In rund einem Fünftel der Fälle sei die Kostenübernahme noch offen.
Soziale Angebote gefährdet PARITÄTISCHER BW: Hilfsfonds der Landesregierung reicht nicht
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Sozialministerium: Verantwortung liegt oft bei Stadt- und Landkreisen
Der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) hatte bereits Ende Juni angekündigt, den Einrichtungen helfen zu wollen. "Wir sind bereits im Gespräch, was mögliche Hilfen und Unterstützung angeht", teilte ein Sprecher des Sozialministeriums am Mittwoch mit. Man sehe aber nicht nur das Land in der Verantwortung. "Viele Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, der Suchtberatung, der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen liegen auf der Stadt- und Landkreisebene", sagte der Sprecher. Zudem sei der Bund gefragt.
Umfrage unter Mitgliedern des Paritätischen Wohlfahrtsverbands BW
Bei der Umfrage zu Kostensteigerungen und deren Auswirkungen beteiligten sich 11,8 Prozent der Mitgliedsorganisationen aus dem gesamten Spektrum der sozialen Arbeit. Sie machten Angaben zu rund 270 unterschiedlichen sozialen Angeboten aus allen Leistungsbereichen der Wohlfahrtspflege. Die Mitgliederbefragung fand im Mai und Juni 2023 statt. Im Paritätischen Baden-Württemberg sind über 900 selbständige Mitgliedsorganisationen mit insgesamt rund 2.000 sozialen Diensten und Einrichtungen angeschlossen.
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