Bei der Produktion von Zement wird jede Menge klimaschädliches CO2 frei gesetzt. Wie sich dies ändern lässt, wollen vier Zementhersteller ab Sommer in Mergelstetten untersuchen.
Seit 2022 wird in Heidenheim-Mergelstetten (Kreis Heidenheim) direkt neben dem Zementwerk der Firma Schwenk eine Forschungsanlage gebaut. Damit ist das langfristige Ziel verbunden, klimafreundlichen Zement herzustellen. Denn bei der Produktion von herkömmlichen Zement wird sehr viel klimaschädliches Kohlendioxid, also CO2, in die Luft geblasen. Und das will man für den Klimaschutz ändern.
In der Versuchsanlage soll CO2 aus der Zementherstellung abgeschieden, möglichst rein gewonnen und weiter verwendet oder gespeichert werden. Dafür haben sich vier europäische Zementhersteller zu einer Forschungsgesellschaft zusammengeschlossen, darunter Heidelberg Zement und die in Ulm ansässige Firma Schwenk. Gemeinsam wollen sie das millionenschwere CO2-Abscheide-Projekt "catch4climate" realisieren.
Anlage bei Schwenk in Heidenheim-Mergelstetten
In der Forschungsanlage auf dem Gelände des Zementwerks von Schwenk in Mergelstetten wurde dafür eine eigene Drehofenlinie mit einer Klinker-Produktionskapazität von 450 Tagestonnen aufgebaut, die ausschließlich der Forschung und Entwicklung dient.
Klinker ist ein essentieller Bestandteil von Zement und damit auch von Beton. Er wird maßgeblich aus Kalkstein hergestellt, der in Steinbrüchen gewonnen und in Drehöfen zu Zementklinker gebrannt wird. "Da bei der Entsäuerung von Kalkstein immer Kohlendioxid freigesetzt wird, ist langfristig eine klimaneutrale Zementherstellung nur möglich, wenn es gelingt, CO2 einzufangen und als Rohstoff einzusetzen oder zu lagern", heißt es dazu auf der Internet-Seite von Schwenk-Zement.
Das Ziel der Forschungsanlage in Mergelstetten ist, schon bei der Herstellung von Zement CO2 abzuscheiden. Dafür wird in der Anlage anstelle von Luft reiner Sauerstoff in den Verbrennungsofen eingebracht. Auf diese Weise wird im Ofen der CO2-Anteil im Abgas auf etwa 90 Prozent erhöht. Dadurch kann bei der Abscheidung höher konzentriertes Kohlendioxid gewonnen werden, das besser zu verwerten ist.
Forschung zu klimafreundlichem Zement ab Sommer 2025
Mehr als 120 Millionen Euro soll die Anlage kosten, die im Sommer 2025 in Betrieb gehen soll. Geplant ist eine Laufzeit von längstens drei Jahren, zur Erarbeitung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen.
Der Prozess, der in der Anlage in Mergelstetten erforscht wird, ist sehr energieintensiv. Diese Energie soll jedoch nach Angaben von Schwenk aus erneuerbaren Quellen stammen. Man sei überzeugt, sagte eine Sprecherin dem SWR, dass mit der sogenannten Carbon Capture Technologie zur CO2-Abscheidung "dann Net-Zero (also Netto-Null, Anm.d.Red) für die Gesamtbilanz des Baustoffs Beton erreicht werden kann."
Kohlenstoff für Dünger oder Medizinprodukte verwenden
Aus dem in der Forschungsanlage gewonnenen hochkonzentriertem Kohlenstoff sollen andere Produkte hergestellt werden können. Denn in vielen Industriezweigen, etwa bei der Herstellung von Düngemitteln oder hygienischen Medizinprodukten aus Kunststoff, werde Kohlenstoff dringend benötigt. Für diese Verfahren fehlen laut Schwenk aber noch die rechtlichen Voraussetzungen.
Ursprünglich sollte in der Nähe der Mergelstettener Forschungsanlage auch eine Anlage entstehen, in der mit dem gewonnenen CO2 synthetisches Flugbenzin hergestellt wird. Der Flughafen Stuttgart war an dem Projekt des Landes Baden-Württemberg beteiligt. Diese Anlage wird nun jedoch nicht gebaut. Wie eine Sprecherin des Flughafens auf SWR-Anfrage mitteilt, haben sich die EU-Regularien geändert. Daher könne das Projekt nicht weiterverfolgt werden.
Braucht BW eine Pipeline für klimaschädliches Kohlendioxid? Klimaexperten fordern mehr Engagement für umstrittene CO2-Speichertechnik
Die einen fürchten sie, die anderen sehen eine Chance für den Klimaschutz. Die CO2-Verpressung unter der Erde ist umstritten. Aber was hat das mit der Zementindustrie in BW zu tun?
Eine andere Möglichkeit ist, das eingefangene CO2 vor Ort zu lagern oder über eine Pipeline an einen anderen Lagerort zu bringen. Entsprechende Pläne hat die Landesregierung im Oktober vorgestellt. Dafür muss nach Angaben von Schwenkt das CO2 entsprechend gereinigt, verdichtet oder verflüssigt werden, damit es transportiert oder gespeichert werden kann. Diese weitere Verarbeitung des CO2 werde jedoch in Heidenheim-Mergelstetten nicht untersucht.
Laut der Sprecherin begrüßt Schwenk die Initiative der Landesregierung Baden-Württemberg. Der Bau einer Pipeline sei ein erster Schritt hin zu einer klimafreundlichen Zementherstellung. "Allerdings möchten wir betonen, dass es nun dringend notwendig ist, weitere konkrete Schritte zu gehen und die entsprechenden Rechtsrahmen für den Umgang mit abgeschiedenem CO2 zu schaffen. [...] Ohne diese rechtlichen Rahmenbedingungen sehen wir die Zukunftsfähigkeit der Zementindustrie in Süddeutschland ernsthaft gefährdet."
Europäisches Klimaziel 2040 - CO2 um 90 Prozent senken
Im Februar verkündete die EU-Kommission das Ziel, bis 20240 in Europa den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase wie CO2 im Vergleich zu 1990 um 90 Prozent zu senken. Das Land Baden-Württemberg will bis 2040 klimaneutral werden. Mit der Forschungs- und Entwicklungsanlage in Heidenheim-Mergelstetten wolle die Zementindustrie ihren Teil dazu beitragen. Es sei jedoch eine Testanlage, die Industrie brauche wesentlich größere Anlagen. Diese Technologie in der benötigten Größe bereitzustellen ist laut Schwenk eine besondere Herausforderung, "es ist jedoch durchaus darstellbar."
Mehr zu klimafreundlichem Beton und Zement
Umweltfreundliches Bauen Kaum Fortschritte: Beton-Produktion ohne CO2
Mit Beton werden Brücken, Häuser oder Straßen gebaut. Bei der Herstellung dieses Baumaterials werden große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid freigesetzt. Gibt es Alternativen?
Forschungsprojekt der Universität Wie Trierer Forscher Öko-Zement aus Schlamm herstellen
Bei der Herstellung von Zement wird viel CO2 freigesetzt. In der Eifel haben Trierer Forscher eine klimafreundliche Alternative gefunden.
Für eine nachhaltigere Baubranche Beton recyceln: Forschungsprojekt aus Karlsruhe gewinnt Innovationspreis NEO2024
Jährlich vergibt die TechnologieRegion Karlsruhe den Innovationspreis NEO. Das Projekt Rement aus Karlsruhe recycelt Beton und hat damit den Wettbewerbs- und Publikumspreis gewonnen.
Die Schattenseiten der Zementherstellung
-
Heidelberg Jahreshauptversammlung Heidelberg Materials Klimademo in Heidelberg gegen Zementherstellung
In Heidelberg haben am Donnerstag Klimaaktivisten gegen die Zementproduktion demonstriert. Anlass war die Hauptversammlung des weltweit zweitgrößten Zementherstellers Heidelberg Materials.
-
Tourismus Am Mittelmeer verschwinden die Sandstrände – Bald nur noch Fels und Steine?
Im Mittelmeer gibt es kaum Gezeiten. Das verführt dazu, bis nah ans Wasser zu bauen. Doch Beton und Zement verhindern die natürliche Erneuerung der Strände. Mit viel Energie wird künstlich Sand aufgeschüttet. Doch das ist keine Dauerlösung.