Künstliche Intelligenz in der Schule: Ist das mehr Chance oder eher ein Problem? Die Ulmer Forscherin Tina Seufert bleibt entspannt: den Bildungsprozess reformieren - und KI integrieren.
Wir erinnern uns mal zurück: Wer Infos für Hausaufgaben oder Hausarbeiten gebraucht hat, konnte früher in gedruckten Lexika nachschlagen, später bei Wikipedia oder Google. Viele Schülerinnen und Schüler lassen sich inzwischen aber Texte einfach komplett schreiben – künstliche Intelligenz und das Programm ChatGPT machen es möglich. Einfach Frage eingeben, der Computer spuckt eine Antwort aus. Liegt in der KI eher eine Chance, oder entwickelt sie sich zu einem beängstigenden Problem? Dazu hat Tina Seufert, Lehr- und Lernforscherin an der Universität Ulm, im SWR-Interview Stellung genommen.
SWR Aktuell: Für die Schüler ist künstliche Intelligenz total toll und einfach – für die Lehrer aber an sich eine Katastrophe. Kann man das so zusammenfassen?
Tina Seufert: Ich glaube nicht. Es ist tatsächlich einfach für die Schülerinnen und Schüler. Für die Lehrer kann es zur Katastrophe werden, muss aber nicht. Auch die können sich unheimlich viel Hilfestellung holen aus dem System, aber darüber können wir vielleicht gleich noch mal sprechen. Bei den Hausaufgaben oder Hausarbeiten ist es schon so, dass ganz viele Themen auf Knopfdruck tatsächlich für einen aufbereitet werden. Man kann komplexe Fragen stellen. Wenn man was nicht verstanden hat, kann man nachfragen. Man traut sich vielleicht auch, blöde Fragen zu stellen, die man sonst nicht stellen würde, und das System antwortet brav und erklärt und man hat wirklich eine gute Zusammenfassung. Aber: Was da steht, muss nicht stimmen. Das heißt, man muss am Ende immer noch selber denken. Und deswegen, glaube ich, muss es nicht zwangsläufig zur Katastrophe werden, weil wir immer noch am Ende die Schülerinnen und Schülern erinnern müssen, dass sie dafür verantwortlich sind, was sie abgeben.
SWR Aktuell: Also Fluch und Segen wie bei vielen Dingen, die das Internet bietet. Aber ich könnte mir vorstellen, schwierig wird es vor allem dann, wenn der Lehrer nicht weiß, woher das kommt, was der Schüler da vorlegt.
Seufert: Das ist richtig. Und das ist auch gar nicht leicht herauszufinden. Und ich glaube: Auch in Zukunft, wenn die Systeme noch besser werden - wir haben ja eine rasende Entwicklungsgeschwindigkeit - werden wir das nicht mehr unterscheiden können. Wir müssen da anders rangehen, dass wir die Schülerinnen und Schüler immer auch auffordern, nicht nur das Produkt abzuliefern, sondern auch zu schildern, wie sie dahin gekommen sind. Vielleicht ist es sogar viel wertvoller, das anzuschauen im Bildungsprozess, als immer nur am Ende das, was in der Klausur steht.
SWR Aktuell: Aber die Technik wird sich auch nicht mehr einfangen lassen. Und das, was Sie jetzt alles erzählt haben, klingt schon so, als könnte Künstliche Intelligenz den Schulalltag massiv verändern in Zukunft?
Seufert: Ich denke, ja. Und ehrlich gesagt, hoffe ich, ja. Weil damit vielleicht auch eben dieser Blick vom Prüfen weg eher wieder zum Lernen gerichtet wird. Und das macht auch aus den Lehrern im Grunde neue Lehrer, dass wir sagen, die Lehrer sind nicht nur Wissensvermittler, oder eigentlich gar nicht mehr. Sondern sie sollten begleiten, und die Wissensvermittlung könnte woanders passieren. Also beispielsweise zu Hause, dass man sich ein cooles YouTube-Video oder Bücher anschaut. Ganz klassisch einfach mal ein Buch oder einen Text lesen, und dann einfach lernen für sich, sozusagen die Basis-Dinge. Und die Dinge, die vertieft werden, die kommen dann in den Unterricht.
SWR Aktuell: Welche Rolle spielt diese künstliche Intelligenz, die sich rasend schnell über viele Bereiche des Lebens gerade ausbreitet? Welche Rolle spielt die heute schon im Schulalltag? Spielt sie überhaupt schon eine Rolle?
Seufert: Das kann ich nicht wirklich gut einschätzen. Ich glaube, Lehrkräfte haben noch relativ viele Fragen und Unsicherheiten und ich denke, dass Kinder und Jugendliche das zu Hause schon intensiv nutzen - und dazu Fragen haben. Und die Lehrkräfte müssen definitiv hinterherkommen, sich da auf dem Stand zu halten. Dieses System entwickelt sich rasend schnell, und es sprießen ganz viele neue.
SWR Aktuell: Ich höre schon raus bei Ihnen, Sie schlagen nicht die Hände über dem Kopf zusammen und denken: Um Gottes Willen, diese KI übernimmt jetzt plötzlich die Arbeit der Lehrer, oder es kommen vielleicht auch falsche Dinge dadurch in den Unterricht. Sie sehen durchaus die Chancen von dieser neuen Technik?
Seufert: Unbedingt! Erstmal ist das System eine super Ideenmaschine und Ideengeber. Wir müssen kritisch darauf schauen, was wir damit machen. Und diese kritische Reflexion müssen wir alle zunehmend lernen.