Die jüngste Kletteraktion am Ulmer Münster hat Wellen geschlagen, medial aber auch intern. Die Münsterbauhütte prüft nun neue Schutzmaßnahmen - etwa ein Stacheldraht an bestimmten Stellen.
Es kann ihn eigentlich wenig aus der Ruhe bringen, den Dekan des Ulmer Münsters. Aber die jüngste Kletteraktion von Klimaaktivistinnen und -aktivisten hat Torsten Krannich ganz schön sauer gemacht. "Ich befürchte einfach Zerstörung - und das nervt mich", sagte der Dekan nach der Aktion Anfang Juli dem SWR, als zwei junge Männer und eine Frau sich am Turm des Münsters abseilten und ein großes Banner entrollten. In einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) wird jetzt klar: So ganz hat er die Aktion noch immer nicht verdaut. Und auch die Münsterbauhütte will Konsequenzen ziehen.
"Wir kommen uns da wie beim Märchen von Hase und Igel vor", sagt Krannich zum Thema Schutzmaßnahmen. Die Kirche hat bereits einiges unternommen - Gerüste am Fuß des Turms abgebaut oder Kameras zur Überwachung installiert. Allerdings finden die Kletterer, egal ob Aktivisten oder sogenannte Roofer, immer wieder einen Weg nach oben.
"Die Münsterbauhütte prüft aktuell, ob man Stacheldraht in bestimmten Bereichen anbringen kann", so der Dekan weiter. "Aber klar ist, wir wollen und können aus dem Münster nicht Fort Knox machen." Laut Münsterbaumeisterin Heidi Vormann ist jedoch noch keine Entscheidung "in irgendeine Richtung" gefallen. Man prüfe alle Möglichkeiten, die der Bauhütte zur Verfügung stehen.
Gefährliche Kletteraktion am Ulmer Münster
Auch wenn sich die Klimaaktivistinnen und -aktivisten ihrer Sache am 2. Juli sehr sicher waren - Krannich stellte in dem Gespräch mit dem epd klar, wie gefährlich die Aktion war. Die Kletterer hätten ihr Seil zuerst an einer Kreuzblume, also einem Zierstein am Turm, befestigt. Die Kreuzblumen würden nur von einem fingerdicken Stahlstift gehalten. "Wenn der Stift bricht, wäre ein tödlicher Absturz die Folge, was ein absoluter Albtraum wäre", sagt Torsten Krannich.
"Der Turm ist keine vom TÜV überprüfte Kletterwand, sondern ein historisches, äußerst fragiles Bauwerk, das dafür einfach nicht gemacht ist", so Krannich. Dennoch kündigte er nach der Kletteraktion eine Zusammenarbeit mit den Aktivistinnen und Aktivisten an, um legal für den Umweltschutz zu werben.
Höchste Plattform macht erst 2027 wieder auf
Wer auf legalem Weg den Turm des Ulmer Münsters bis nach ganz oben besteigen will, muss sich noch drei Jahre gedulden. Krannich sagte erstmals, wie lange die Bauarbeiten noch dauern werden. Seit April kommen Besucherinnen und Besucher des Münsterturms zwar wieder bis auf 102 Meter Höhe. Die höchste Plattform auf 142 Metern wird aber wohl erst 2027 wieder öffnen - zum 650. Jubiläum des Münsters. Dann sollten die Sanierungsmaßnamen abgeschlossen und noch offene Fragen, etwa zum Brandschutz, geklärt sein. "Dafür würde ich auch etwas Druck machen", so der Münsterdekan. "Allerdings muss der Zeitplan natürlich auch in die Abläufe der Münsterbauhütte passen."
Dass bis dahin der 161,53 Meter hohe Turm des Ulmer Münsters von der Sagrada Familia in Barcelona mit 172 Metern überholt wird, nimmt Torsten Krannich gelassen hin. "Der Ulmer Turm war fast 140 Jahre lang der höchste Kirchturm der Welt, jetzt ist eben ein anderer dran." Zumindest in diesem Punkt bringt ihn nichts aus der Ruhe.