Jeder dritte Mann findet laut einer Umfrage Gewalt in der Partnerschaft okay. Ingrid Schröder von der Ostalbkreis-Beratungsstselle Häusliche Gewalt spricht im Interview über die Gründe.
Die Umfrage von Plan International hat bundesweit Schlagzeilen gemacht: Jeder dritte Mann soll demnach handgreiflich gegen seine Partnerin oder Frau werden, um "ihr Respekt einzuflößen". Sogar mehr als ein Drittel der befragten Männer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren findet demnach Gewalt in der Partnerschaft okay. Seit 20 Jahren ist Ingrid Schröder von der Beratungsstelle Häusliche Gewalt im gesamten Ostalbkreis unterwegs und sucht betroffene Menschen daheim auf.
SWR Aktuell: Frau Schröder, hat sie das Umfrageergebnis überrascht?
Ingrid Schröder: Das hat mich in der Tat überrascht und zwar dahingehend, dass es vor allem auch diese Altersgruppe ist. Wir reden hier von einer jungen Generation, und ich hätte nicht vermutet, dass es hier immer noch so eine Akzeptanz von Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Interessen gibt, dass Gewalt als legitimiertes Mittel gesehen wird. Das hat mich doch beeindruckt.
SWR Aktuell: Wie kommt es Ihrer Meinung nach dazu, dass es offenbar für viele junge Männer völlig normal ist, sich zu Gewalt in der Partnerschaft auch zu bekennen?
Schröder: Ich glaube insgesamt, dass es zu einer Enttabuisierung von Gewalt kommt: in allen Medien, in sozialen Medien insgesamt, auch in den Worten, in der Sprache. Und ich glaube, dass es wieder "gesellschaftsfähiger" wird - gerade wenn ich mit jungen Leuten rede. Auch diese klassischen Geschichten, dass jemand sagt: „Du Opfer“. Das hat ja eine klare Zuschreibung und macht was mit den Menschen.
SWR Aktuell: Warum sagt eine Frau, oder jemand, der Opfer geworden ist nicht: "Ich gehe jetzt. Das lasse ich mir nicht bieten?"
Schröder: Es handelt sich ja häufig um junge Menschen, die erst mal den Wunsch nach einer intimen Beziehung haben. Das ist bis hier hin alles in Ordnung. Aber wenn sie dann nicht eine gewisse biografische Stabilität haben, ein Selbstbewusstsein oder bestimmte soziale Rahmenbedingungen, kann es passieren, dass diese Handgreiflichkeiten in der Anfangsphase verniedlicht werden. Also: „Er hat ja nur die Hand gehoben, er hat mich ja nur mal kurz gerempelt.“ Denn der übergeordnete Wunsch ist es eben, die Familie, die Beziehung zu erhalten.
SWR Aktuell: Sie sagten, dass die Gewaltbereitschaft heutzutage unter jungen Leuten auch durch gesellschaftliche Tendenzen steigt – wie kann man dem denn entgegenwirken?
Schröder: Von Klein an. Über Projekte in Kindergärten über ganz viel Prävention, um wieder eine Sensibilisierung zu schaffen, schon als Kind: Was bedeutet es eigentlich, wenn ich jemandem weh tue? Wenn kein Gefühl dafür da ist, wo sollen es denn jugendliche oder erwachsene Menschen lernen? Ich denke, es ist der präventive Bereich, der weiterhin sehr stark gefördert werden muss.
SWR Aktuell: Jetzt bekennen sich in der Umfrage ein Drittel der befragten Männer dazu, Gewalt an Frauen zumindest in Ordnung zu finden. Was sagt denn das über den Zustand unserer Gesellschaft?
Schröder: Das habe ich mich ehrlich gesagt auch gefragt. Lapidar formuliert sagt es für mich, dass es noch viel zu tun gibt. Und es gibt vor allem bei Jugendlichen und bei Kindern viel zu tun. Die Gesellschaft ist im Augenblick sehr dünnhäutig. Viele junge Menschen finden vielleicht im Augenblick auch keinen Weg für sich. Das soll keine Entschuldigung sein. Aber ich glaube einfach, dass es wieder eine Sensibilisierung in unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen dafür braucht, was es bedeutet, respektvoll und ohne Gewalt miteinander im sozialen Kontakt zu sein.
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