Anleger des Batterieherstellers VARTA in Ellwangen wollen den geplanten Ausstieg aus der Börse nicht hinnehmen, so Daniela Bergdolt von der Vereinigung der Aktionäre im Interview.
Aktionäre des Batterieherstellers VARTA in Ellwangen wollen sich gegen den geplanten Ausstieg aus der Börse wehren. Das angeschlagene Unternehmen sieht in seinem Sanierungskonzept vor, dass die Anlegerinnen und Anleger dabei leer ausgehen. Wie viele es genau sind, ist nicht bekannt. An der letzten Hauptversammlung von VARTA im Juli haben laut Firmenangaben 300 Anteilseigner teilgenommen. Die Münchner Fachanwältin für Kapitalmarktrecht Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz und Landesgeschäftsführerin in Bayern, kritisiert im SWR-Interview die Pläne als "kalte Enteignung".
SWR Aktuell: Wie bewerten Sie das Sanierungskonzept von VARTA, bei dem es einen Schuldenschnitt und keine Entschädigung für Anlegerinnen und Anleger geben soll?
Daniela Bergdolt: Das empfinden wir als eine kalte Enteignung und raten jedem Aktionär, sich damit nicht abzufinden. Man kann sich jetzt bei uns registrieren und melden. Wir haben verschiedene Pläne: Wir gehen gegen dieses StaRUG-Verfahren vor, und wir behalten uns aber auch vor, dass wir Schadensersatzansprüche gegen die Vertreter von VARTA nicht nur überprüfen, sondern auch anmelden.
SWR Aktuell: Was bedeutet dieses StaRUG-Verfahren praktisch?
Bergdolt: StaRUG ist ein Gesetz zur Stabilisierung und Restrukturierung von Unternehmen, das erst seit 2021 gilt. Es erlaubt einem Unternehmen, das noch nicht in der Insolvenz ist, sich zu retten, indem man Forderungen im Rahmen einer Gläubigerversammlung bereinigt.
SWR Aktuell: Als Vizepräsidentin der DSW, der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, vertreten Sie Aktionäre. Ist VARTA jetzt ein einmaliger Fall?
Bergdolt: Ja, das ist ein besonderer Fall, weil normalerweise Unternehmen nicht ihre Aktionäre kalt enteignen. Nur der Großaktionär Michael Tojner wird weiterhin Aktionär bleiben, und es kommt noch Porsche hinein, also zwei Großinvestoren, die dann die Eigentümer sein werden. Alle anderen, die jetzt im Moment noch Aktien halten, sollen - so jedenfalls der Plan - aus dem Unternehmen ersatzlos ausgeschaltet werden.
SWR Aktuell: Die Aktie ist schon jetzt fast nichts mehr wert, sie liegt bei zwei Euro, und VARTA ist seit längerem in der Krise. Hat die Unternehmensführung versagt?
Bergdolt: Definitiv. Es ist nicht besser geworden, weil man auch keine besseren Maßnahmen ergriffen hat, die zu einem Ziel geführt haben. Wir glauben, dass man sich zu sehr auf eines konzentriert hat, man hat sich nicht breit genug aufgestellt. Und was ich wirklich betonen möchte: VARTA ist ein Unternehmen, das kennt jeder. Wer hat nicht schon mal eine VARTA-Batterie in der Hand gehabt? Das heißt, es ist ein Unternehmen, das bei allen Deutschen bekannt ist.
Auf der einen Seite propagiert die deutsche Regierung, dass man selbst Vorsorge fürs Alter betreibt, und da muss man ganz klar in Aktien investieren. Auf der anderen Seite lässt man zu, dass ein Unternehmen, das jeder kennt, seine Aktionäre entschädigungslos enteignen kann. Es ist höchste Zeit, dass sich der Gesetzgeber mit dem StaRUG-Gesetz wieder beschäftigt und sagt, so kann es nicht bleiben.
SWR Aktuell: Welche Chance haben jetzt Aktionärinnen und Aktionäre, wenn sie sich an Sie wenden? Was können Sie sich konkret erhoffen?
Bergdolt: Wir haben verschiedene Ziele und Pläne, die wir aber natürlich jetzt auch nicht rechtlich voll ausbreiten. Wir sind in Gesprächen mit dem Unternehmen, um eine einvernehmliche Lösung zu ermitteln. Aber wir bereiten auch rechtliche Schritte vor, um dieses Verfahren auszubremsen. Da gibt es Möglichkeiten, und die werden wir alle nutzen.
SWR Aktuell: Die Firma VARTA betont, dass sie bei der geplanten Sanierung vor allem viele Arbeitsplätze erhalten will. In der Region rund um Ellwangen ist das auch eine gute Nachricht, oder geht das auf Kosten der Aktionäre?
Bergdolt: Natürlich ist das eine gute Nachricht. Ich will gar nicht in eine Konkurrenz mit den Arbeitnehmern treten. Die Arbeitnehmer haben ihre Berechtigung, dass ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt, aber die Aktionäre haben eben ihr Geld investiert. Und die Aktionäre wären auch bereit, noch mal Geld in dieses Unternehmen zu stecken über eine Kapitalerhöhung. Warum nimmt man ihnen dieses Recht? Vielleicht will man diejenigen, die kritische Fragen stellen oder eine Strategie auch mal hinterfragen, mundtot machen.
SWR Aktuell: Warum engagieren Sie sich als Vizepräsidentin der DSW besonders für die Anlegerinnen und Anleger von VARTA?
Bergdolt: Wir wollen, dass dieses Unternehmen nicht nur an zwei Großaktionäre geht. Dabei ist einer von ihnen - das muss man ja auch klar sagen - Teil dieser Misere. Tojner war als Aufsichtsratsvorsitzender auch beteiligt an diesem Niedergang. Und es gibt eine große Zahl von Belegschaftsaktionären, die ihre Altersvorsorge in die VARTA-Aktie gesteckt haben. Damit werden sie jetzt auch kalt enteignet.
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