Immer mehr Menschen sind von Obdachlosigkeit bedroht. Frauen haben es in dieser Notsituation häufig besonders schwer. Monika aus Ulm bekam Hilfe im Aufnahmehaus des Deutschen Roten Kreuzes.
Viele machen es sich in dieser Jahreszeit daheim gemütlich. Doch immer mehr Menschen sind ohne Wohnung. Auch Monika aus Ulm stand plötzlich ohne Dach über dem Kopf da. Ihr Rettungsanker: das Aufnahmehaus des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Ulm-Wiblingen. Das Haus wurde speziell für Frauen eingerichtet. Auch, weil sie sich häufig in den vorwiegend von Männern genutzten Notunterkünften nicht wohl fühlen. Hier können sie Kraft tanken und mit dem Betreuungsteam den Weg zurück in ein eigenständiges Leben gestalten.
Ulmer Sozialpädagogin: “Die Frauen müssen erstmal Kraft tanken”
Das Aufnahmehaus liegt in einer ruhigen Wohngegend. Es wurde im Auftrag der Stadt eingerichtet und bietet Platz für vier Frauen. Jede hat ihr eigenes Zimmer. Frauen, die hierherkommen, befinden sich häufig in einer akuten Notsituation, erzählt Sozialpädagogin Julia Rath-Schempf. Sie betreut das Aufnahmehaus und ihre Bewohnerinnen. "Man denkt das gar nicht, aber viele kommen hier an, die haben kein Geld in der Tasche. Sie haben nichts zu essen", sagt die Sozialpädagogin. Es gehe erstmal darum, die grundlegenden Bedürfnisse zu stillen und um das Signal: Wir sind da.
Monika aus Ulm: "Ohne das Aufnahmehaus für Frauen säße ich auf der Straße"
Für Monika aus Ulm war das Aufnahmehaus ein Glücksfall: "Wenn das nicht geklappt hätte, säße ich auf der Straße", berichtet sie. Weil ihr damaliger Vermieter erfolgreich auf Eigenbedarf klagt, muss sie in kurzer Zeit ihre Wohnung verlassen, in der sie damals nach zwei gescheiterten Ehen und dem Tod einer ihrer Töchter wohnt.
Weil alles so schnell geht, muss sie auch Erinnerungsstücke zurücklassen: "Das Schlimmste ist ja, ich habe meine ganzen Sachen verloren. Ich vermisse die ganzen Briefe von meiner Mama, von meiner verstorbenen Tochter. Meine ganzen Erinnerungen. Denn, wenn ich abends alleine war, dann habe ich immer die Sachen herausgeholt. Was ich alles von meiner Mama gekriegt hab’ und die ganzen Fotos. Ich habe alles verloren."
Nur ein Koffer: So zog Monika aus Ulm ins Aufnahmehaus
Damals kann Monika noch einen Koffer mit einigen Utensilien packen: "So habe ich auch meinen alten Stoffkater Mikesch gerettet, Bücher und sowas", erzählt sie. Zwar kommt sie zuerst noch privat unter, doch dann steht sie ganz ohne Dach über dem Kopf da.
In ihrer Not wendet sich Monika an das Deutsche Rote Kreuz in Ulm. "Die haben mir dann geholfen. Ich musste zwar auch erstmal auf den Anruf warten. Aber dann hieß es, es gebe ein Zimmer für mich. So bin ich hier gelandet. Ja, man ist hier aufgehoben." Ein paar wenige Möbel seien dann später noch mit der Hilfe des DRK in Ulm in einer Containerbox geholt worden. Seit Frühjahr 2023 lebt Monika jetzt schon im Aufnahmehaus.
Schritt für Schritt in ein eigenständiges Leben
"Alle unsere Frauen hier möchten wieder ein eigenständiges Leben leben", ist die Erfahrung von Sozialpädagogin und Betreuerin Julia Rath-Schempf. Nur ginge das nicht von heute auf morgen. "Wir tasten uns Schritt für Schritt voran. Die Frauen müssen erstmal Kraft schöpfen, in Ruhe runterkommen, Ideen sammeln. Oft ist ja auch, dass viele keine Arbeit haben. Da sind wir dann auch mit dem Jobcenter in Kontakt. Es muss auch nicht immer eine Vollzeitstelle sein. Weil sie oft auch so belastet sind mit ihrer familiären Situation", so die Fachfrau.
Was das Aufnahmehaus den Frauen bietet
Die meisten kommen bereits aus Notunterkünften, in denen sie sich unter vorwiegend männlichen Bewohnern als Frau nicht wohlgefühlt haben, so Rath-Schempf weiter. Derzeit gibt es für Frauen zwar noch ein Gemeinschaftszimmer mit vier Betten in einem von Männern abgetrennten Bereich im Übernachtungsheim des DRK Kreisverbands Ulm in der Frauenstraße, was aber auch nicht für jede geeignet wäre und meistens schon voll besetzt sei.
Zudem gebe es auch Frauen, die etwa nach Aufenthalten in einer Psychiatrie oder in der Haft im Aufnahmehaus Fuß fassen möchten. "In solchen Fällen holen wir uns zusätzlich Hilfe von psychologischem Fachpersonal, damit die Frauen dann engmaschig unterstützt werden. Denn normalerweise leben die Frauen hier im Aufnahmehaus selbstständig, auch, wenn wir sie bei allem, was nötig ist, betreuen und täglich besuchen", erklärt Schempf.
Wohnungslose Frauen suchen nur selten Hilfe
Insgesamt haben sich im vergangenen Jahr 114 wohnungslose Frauen in ihrer Notsituation an die koordinierende Wohnungslosenhilfe der Caritas-Ulm-Alb-Donau gewandt. Von hier aus werden die Notunterkünfte und Aufnahmestellen von Caritas und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) vermittelt. Das sind laut deren Jahresbericht für das vergangene Jahr fast 23 Prozent der Ratsuchenden: "Doch die Dunkelziffer ist viel höher, weil sich Frauen nur selten Hilfe bei Beratungsstellen suchen", so Katrin Vrkaš, Leiterin der Wohnungslosenhilfe. Viele wollten nicht erkannt werden, wenn sie in so eine Notsituation geraten.
Rund 70 Prozent der ratsuchenden Frauen kamen im vergangenen Jahr aus Ulm zur Beratungsstelle der Caritas. Aber auch aus dem Alb-Donau-Kreis suchten Frauen Hilfe. Was auffällt in der Statistik: Laut der Wohnungslosenhilfe sind immer mehr junge Frauen unter 25 Jahren von Wohnungslosigkeit betroffen. Wie viele Menschen derzeit wohnungslos sind, werde statistisch aber nicht erfasst, so Katrin Vrkaš.
Bleibe für 18 Monate - kein Alkohol, Drogen oder Gewalt
Im Moment sei es zwar schwierig, passende Wohnungen für die Frauen zu finden. Auch, weil einige im Niedriglohnsektor arbeiten, so Julia Rath-Schempf. Aber ein Aufenthalt im Aufnahmehaus sei auf rund 18 Monate angelegt, auch, um anderen Frauen in Not eine Chance zu bieten.
Nur bei Bedarf dürften die Frauen auch länger bleiben. Zeit, um wieder ein Stück Normalität in ihr Leben zu lassen. Dabei gibt es eine Regel: Alkohol, Drogen und Gewalt haben im Aufnahmehaus keinen Platz. "Die Frauen sollen sich hier sicher und wohl fühlen", so Schempf. Das Betreuungsteam hilft in dieser Zeit auch bei Behördengängen oder Arztbesuchen und besucht die Frauen täglich. "Manchmal auch nur zum Backen und miteinander reden", sagt Rath-Schempf.
"Chance für eine gute Zukunft" Wohngemeinschaft für obdachlose Frauen in Aalen geplant
In Aalen wird es demnächst eine Unterkunft speziell für obdachlose Frauen geben. Der Freundeskreis für Wohnsitzlose e.V. hat ein Haus gekauft, und will es bis zum Sommer sanieren.
Glücksmomente in der Gemeinschaft
Gemeinsam freue man sich über jedes Erfolgserlebnis. Eine junge Frau arbeitet schon seit einem Jahr regelmäßig in der Bäckerei: "Da sind wir alle stolz auf sie. Und sie genießt das auch, endlich eigenes Geld zu haben, sich etwas leisten zu können. Vielleicht den Führerschein zu machen. Das sind so schöne Momente", strahlt Julia Rath-Schempf.
Suche nach einer Wohnung für Monika
Monika arbeitet schon länger mehrfach die Woche in einem Café in Ulm. "Ich bin zwar schon im Rentenalter, aber ich mache weiter. Das macht so viel Spaß", meint sie. Ob sie Träume für die Zukunft hat? Da muss sie länger überlegen. "Naja, eine kleine Wohnung mit ein bisschen Garten, wo man darin arbeiten könnte, das wäre schön. Ich hatte mal so viele Blumen." Und auch das ist ihr wichtig - sollte sie eines Tages aus dem Aufnahmehaus ziehen, muss auf jeden Fall Stoffkater Mikesch mit den roten Stiefeln mit.
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