Durchschnittlich drei Überstunden pro Woche: Lehrkräfte an Berufsschulen leisten laut einer aktuellen Studie ständig Mehrarbeit. Nun fordert der Berufsschullehrerverband die Senkung der Arbeitsbelastung.
Der Betrieb an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg ist nur noch mit einer hohen Anzahl von Überstunden möglich. Das geht aus einer Studie zur Arbeitszeit, Arbeitsbelastung und Resilienz von Lehrkräften des Berufsschullehrerverbandes und der Universität Mannheim hervor, die am Montag in Stuttgart veröffentlicht wurde.
Demnach arbeiten Schulrektoren an Berufsschulen 362 Stunden mehr pro Jahr als vorgesehen. Auch Berufsschullehrer leisten im Schnitt drei Stunden Mehrarbeit pro Woche. Damit überschreitet das Lehrpersonal an Berufsschulen die reguläre Jahresarbeitszeit von Beamten um 7 beziehungsweise 20 Prozent.
Grund seien die Arbeitsverdichtung und zahlreiche Vorschriften. Nur durch die hohe Anzahl an Überstunden sei der Betrieb an den beruflichen Schulen noch möglich, so der Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg.
Berufsschullehrerverband fordert geringere Arbeitsbelastung
Der Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg fordert von der Landesregierung, die Arbeitsbedingungen von Lehrkräften zu verbessern. "Wir brauchen eine mutige und zukunftsfähige Reform der Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen von Lehrkräften und Schulleitungen", sagte der Verbandsvorsitzende Thomas Speck bei der Präsentation der Studie. Die Politik müsse dringend Maßnahmen ergreifen, um überhöhte Arbeitszeiten zu senken.
Vorschläge zur Entlastung von Lehrern und Rektoren
So fordern die Berufsschullehrer unter anderem eine Entlastung bei Prüfungsaufsichten durch zusätzliches nichtlehrendes Personal, elektronische Korrekturverfahren, die Einführung eines Lebensarbeitszeitkontos für Lehrkräfte oder die Einstellung zusätzlicher Sozialarbeiter oder Sonderpädagogen. Außerdem schlägt der Berufsschullehrerverband die Einführung des sogenannten dänischen Modells vor: Das heißt die enge Abstimmung von Aufgaben und Zuständigkeiten in einem Schulleitungsteam.
Um Schulrektoren weiter zu entlasten, brauche es auch mehr Assistenzkräfte, erklärte der Vorsitzende des Interessensverbands an beruflichen Schulen, Roland Plehn, gegenüber dem SWR. Assistenzen brauche es für Aufgaben wie Datenschutz, IT oder Brandschutz. Diese Assistenzkräfte müssten den Schulrektoren unterstellt werden, so Plehn weiter.
Hohe Arbeitsbelastung führt zu beruflicher Unzufriedenheit
Die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte wirkt sich demnach auch auf die berufliche Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Lehrkräfte aus. "Je höher die Arbeitszeit ist, desto geringer wird die berufliche Zufriedenheit und auch das Wohlbefinden", sagte Carmela Aprea, Professorin für Wirtschaftspädagogik an der Universität Mannheim und Mitautorin der Studie. Besonders der Indikator des Wohlbefindens falle bei den Lehrkräften sehr niedrig aus. Die Studie sei in den Ausläufern der Corona-Pandemie durchgeführt worden, erklärte Aprea. Zu dieser Zeit sei das Wohlbefinden der Gesamtbevölkerung recht niedrig gewesen. "Aber der Wert der Lehrkräfte ist eben noch mal unterhalb des niedrigen Wertes der Gesamtbevölkerung."
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Kaum hat das neue Schuljahr begonnen, spüren die Schulen in Baden-Württemberg erneut den Mangel an Lehrkräften. Eine Umfrage zeigt: An vielen Schulen ist kein Regelbetrieb möglich.
Kultusministerium reagiert auf Arbeitsbelastung
Das baden-württembergische Kultusministerium erklärte gegenüber dem SWR, dass Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte an beruflichen Schulen derzeit davon geprägt seien, dass noch nie so viele junge Menschen an den beruflichen Schulen waren, die eine weitgehende Unterstützung bei ihrer Integration in Gesellschaft und Arbeitsleben benötigen.
Viele der Handlungsfelder, auf die in der Studie hingewiesen werden, seien auch Themen, an denen das Kultusministerium kontinuierlich arbeite. Allerdings stoße man immer wieder an Grenzen, beispielsweise aufgrund mangelnder Ressourcen oder der Verfügbarkeit von Lehrkräften auf dem Arbeitsmarkt, heißt es weiter. "Die Arbeitsumfänge der Lehrkräfte und wie sich diese besser abbilden lassen, werden gegenwärtig bundesweit im Rahmen der Kultusministerkonferenz diskutiert", so Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne).
Benachteiligung befürchtet Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften: Philologenverband plant Klage
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Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften: Land droht Klage
Der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei forderte die Landesregierung auf, Konzepte für die Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften zu entwickeln. "Eine Neuregelung der Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften ist ein Mammutprojekt", sagte Fulst-Blei. Es stehe aber außer Frage, dass es diese Neuregelung brauche. Auch die FDP-Abgeordnete Alena Fink-Trauschel forderte Kultusministerin Theresa Schopper dazu auf, die Arbeitszeit richtig erfassen zu lassen und etwas gegen die "erhebliche Mehrarbeit zu unternehmen".
Der Philologenverband hatte zu Beginn des Schuljahres angekündigt, das Land auf die Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften verklagen zu wollen. "Die Vorbereitungen sind abgeschlossen", sagte Ralf Scholl, Vorsitzender des Gymnasiallehrerverbands am Montag. Nun suche der Verband Lehrerinnen und Lehrer, die bereit seien, zu klagen. Er rechne damit, dass die Klage Anfang oder Mitte Dezember eingereicht werden könne.