Vexations heißt auf Französisch soviel wie Quälereien. In gut zwölf Stunden wiederholt sich die Melodie 840-mal. Studierende haben sich in der Tübinger Stiftskirche daran versucht.
Studierende und Dozenten der Hochschule für Kirchenmusik Tübingen haben bis in den frühen Samstagmorgen ein weltweit seltenes Konzert auf einem Flügel gegeben. Gut zwölf Stunden lang haben sie in der evangelischen Stiftskirche dieselbe Melodie gespielt: 840-mal. Damit erklang dort mit "Vexations", auf Deutsch Schikanen oder Quälereien, eines der längsten Stücke der Musikgeschichte.
Herausforderung für Studierende und Dozenten
Dunkelheit in der Stiftskirche, einzig der Flügel in der Mitte des langen Kirchenschiffes stand zu Beginn um 19 Uhr am Freitag im Scheinwerferlicht. Hochkonzentriert spielten die Studierenden und Dozenten der Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen danach die Tonfolge von "Vexations" - immer und immer wieder.
Wer sich darauf einließ, zeigte sich begeistert vom meditativen Charakter der Veranstaltung. Von etwa 130 Zuhörerinnen und Zuhörern um 21 Uhr sank die Zahl über Nacht auf etwa zehn am Ende um sieben Uhr am Samstagmorgen.
Für die 13 aktiven Studierenden und Dozenten war die Aufführung eine große Herausforderung. Irgendwann machte sich Kälte und Müdigkeit in der Stiftskirche breit. "Gegen die Kälte lässt sich etwas unternehmen. Wir hatten ja ausreichend Decken und eine gut geheizte Küche", sagte Andreas Grau von der Hochschule für Kirchenmusik dem SWR. Bis zum Ende haben sechs Mitwirkende durchgehalten, zwei davon sogar ganz ohne Schlaf.
Vexations dauerte gut zwölf Stunden in Tübingen
Auf dem Notenpult des Flügels lag nur eine Seite. Mehr braucht es nicht für das Stück. Doch der französische Komponist Erik Satie hat über den vier Zeilen handschriftlich die Aufgabe weitergegeben, dass die Melodie 840-mal wiederholt werden soll. Die Uraufführung von "Vexations" dauerte 18 Stunden und 40 Minuten. Die Studierenden der Hochschule für Kirchenmusik waren deutlich schneller. Denn Tempoangaben gibt es nicht, nur den Hinweis "Très lent", also sehr langsam.
Studierende und Dozenten spielten abwechselnd
"Zuerst denkt man: Was ist das überhaupt für ein Typ, der sowas komponiert? Und dann: Das ist vielleicht auch einfach eine coole Erfahrung", erzählte Theresa Lang rückblickend. Die Studierende saß in der Nacht mehrfach am Flügel. Zu Beginn wechselten sich die Mitwirkenden etwa alle zehn Minuten ab. Gegen Ende wurden die Spielzeiten immer länger. Teilweise spielten die Studierenden und Dozenten zu zweit oder zu dritt gemeinsam die Melodie in leicht abgeänderten Variationen.
Konzert als Teil von "Leer_raum" in der Stiftskirche
Die Stiftskirche in Tübingen ist aktuell mehrfach Schauplatz für überraschende Veranstaltungen, zumindest auf den ersten Blick. Eine Woche vor der Aufführung von "Vexations" hat dort beispielsweise eine Clubnacht stattgefunden. Beide Aktionen sind Teil des Projekts "Leer_raum", für das extra die Kirchenbänke rausgeräumt wurden. Noch bis 24. November finden täglich wechselnde Veranstaltungen in dem Tübinger Wahrzeichen statt. Danach kehren die Kirchenbänke zurück an ihren Ort.