Wie kann man Menschen helfen, die nach einem Schlaganfall beispielsweise ihre Hand nicht mehr bewegen können. Das wird an einem Institut der Uniklinik Tübingen erforscht.
Modernste Technik sorgt an der Uniklinik Tübingen dafür, dass Patienten und Patientinnen nach einem Schlaganfall zumindest einen Teil ihrer früheren Fähigkeiten wiedererlangen. Wilhelm Austermann aus Ulm ist einer von ihnen. Vor fünf Jahren hatte der 65-Jährige einen Schlaganfall und konnte danach seinen linken Arm nicht mehr bewegen. Damit müsse er sich abfinden, wurde ihm damals gesagt. Doch das wollte Wilhelm Austermann nicht akzeptieren.
Seit etwa drei Jahren ist der ehemalige Lehrer Patient des Instituts für Neuromodulation und Neurotechnologie. Seither habe sich viel getan, erzählt Wilhelm Austermann. Die Schulter könne er wieder gut bewegen, auch den Ellbogen, nur die Hand mache noch nicht immer mit. Aber sein Physiotherapeut habe schon gesagt, dass er im Frühjahr wieder Bogenschießen könne. Im Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie wird Austermanns Hand an ein Gerät angeschlossen, dass die Finger seiner linken Hand bewegt.
Das Gehirn funktioniert ähnlich wie der Verkehr
Durch diese Bewegungen werden Areale im Gehirn aktiviert, es werden neue Nervenverbíndungen zwischen Gehirn und Hand geschaffen, erklärt Professor Alireza Gharabaghi, der Leiter des Instituts in Tübingen. Er vergleicht das mit dem Straßenverkehr. Werde eine Autobahn gesperrt, weiche der Verkehr auf andere Straßen aus. Ähnlich verhalte es sich mit dem menschlichen Gehirn. Das sei sehr anpassungsfähig. Werde ein Areal des Gehirns geschädigt, könne ein anderes dessen Aufgaben übernehmen. Bei Kindern gehe das schnell, mit zunehmendem Alter dauere es länger und benötige mehr Training.
Selbstheilungskräfte sollen unterstützt werden
Das Gehirn versuche von sich aus schon, wenn eine Hälfte etwa durch einen Schlaganfall beeinträchtigt ist, andere Hirnareale zu nutzen, so Gharabaghi. Dieses Bestreben des Gehirns versuche man am Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie mit technischen Hilfsmitteln zu unterstützen. Damit soll die Selbstheilung verbessert und beschleunigt werden. Ein Ziel des Instituts sei es, Geräte zu entwickeln, mit denen Patienten zuhause trainieren können, um Arm und Hand wieder in ihrem Alltag nutzen können.
Muskeln können über die Atmung gesteuert werden
Dabei erhalten die Wissenschaftlerinnen und Forscher Unterstützung von gesunden Versuchspersonen wie Eberhard Köhler. Auf dem linken Arm des Rottenburgers kleben mehrere Elektroden, an seinen Brustkorb ist ein kleines Kästchen geschnallt, das mit einem Computer verbunden ist. In regelmäßigen Abständen hebt sich seine Hand, ohne dass Eberhard Köhler sie bewusst bewegt. Es passiere einfach, er könne es nicht erklären, lacht er.
Institut entwickelt Hilfsmittel für zuhause
Es gehe bei diesem Versuch darum, Sensoren zu entwickeln, um die gelähmten Muskeln zu aktivieren, erläutert Institutsleiter Gharabaghi. Diese Sensoren könne man auf unterschiedliche Art ansteuern, etwa über Hirnsignale, über andere Muskeln oder seit neuestem über die Atmung. Denn die Entwicklung neuer Technologien und neuer Hilfsmittel für Patienten ist eines der Ziele des Instituts für Neuromodulation und Neurotechnologie.
Ziel des Instituts: Rehabilitation verbessern
Das Tübinger Institut wurde 2020 gegründet mit dem Ziel, den Patienten mit neuesten technologischen Entwicklungen zu helfen. Rund 25 Ärztinnen, Neurowissenschaftler, Ingenieurinnen und Informatiker arbeiten zusammen, damit Patienten von modernsten neurotechnologischen Entwicklungen profitieren können. Schwerpunkt ist die Neuromodulation. Dabei geht es darum, Hirnfunktionen positiv zu beeinflussen – durch Hirnschrittmacher, durch magnetische oder elektrische Stimulation oder auch Orthesen, die helfen, die Rehabilitation nach einer Schädigung des Hirns zu verbessern.