Die umstrittene einrichtungsbezogene Impfpflicht ist zum Jahresende ausgelaufen. Tausende Pflege-Beschäftigte hatten eine Corona-Impfung verweigert - und wurden oft nicht belangt.
Bei einer Umfrage des SWR in den Landratsämtern der Region vom Nordschwarzwald bis zur Schwäbischen Alb hat sich gezeigt, dass im vergangenen Jahr sehr unterschiedlich mit der Verfolgung von Verstößen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht umgegangen wurde. Dem Calwer Landratsamt wurden im vergangenen Jahr knapp 1.000 Menschen gemeldet, die sich nicht gegen das Coronavirus impfen ließen. Mehr als die Hälfte der Fälle wurde eingestellt, da die Betroffenen einen Impfnachweis, einen Genesenenstatus oder ein Attest vorlegen konnten. Insgesamt habe man im vergangenen Jahr fünfzehn Bußgelder in Höhe von 250 Euro verhängt, so eine Sprecherin. Sie kritisierte unter anderem den hohen Arbeitsaufwand, der dadurch entstanden sei - zum Beispiel für die Bußgeldverfahren oder die Prüfung von Attesten.
Keine Bußgelder in den Kreisen Tübingen und Freudenstadt
Der Landkreis Tübingen war wegen der Uniklinik und vieler Einrichtungen im Umfeld besonders von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen. Beim Landratsamt gingen laut Landrat Joachim Walter (CDU) im Frühjahr 2022 rund 2.000 Meldungen über nicht immunisiertes Personal ein. Dennoch habe man keine Bußgeldbescheide erlassen. Bußgelder oder Beschäftigungsverbote wären, so Walter, nicht möglich gewesen. 29 Einrichtungen im Kreis Tübingen hätten einen Pflegenotstand befürchtet. Sie hätten belegt, dass sie auf die ungeimpften Mitarbeiter nicht hätten verzichten können. Zwischen fünf und zehn Prozent der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen im Kreis Tübingen seien nicht ausreichend gegen Corona geimpft gewesen, so Walter. Der Tübinger Landrat hatte die einrichtungsbezogene Impfpflicht von Anfang an kritisiert.
Beim Landratsamt Freudenstadt gingen über 700 Meldungen von Pflegeeinrichtungen ein. Darunter würden aber auch Mehrfachmeldungen fallen. Bußgelder oder andere Strafen seien nicht verhängt worden, sagte eine Sprecherin des Freudenstädter Landratsamts dem SWR.
Kreis Reutlingen: Einrichtungen mit Versorgungsengpass
Beim Landratsamt Reutlingen gingen Meldungen von 170 Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegebereichs ein. Insgesamt seien knapp 1.200 Personen ohne Corona-Impfung registriert worden, so das Landratsamt. 153 Einrichtungen im Kreis Reutlingen hätten unter einem Versorgungsengpass gelitten, wenn ungeimpfte Mitarbeitende weggefallen wären. Betretungs- oder Beschäftigungsverbote wurden laut Landratsamt deshalb keine ausgesprochen. Es wurden aber vier Bußgeldverfahren eingeleitet, in zwei Fällen dauere das Anhörungsverfahren noch an.
Professor Jörg Martin, der Vorsitzende Geschäftsführer der Reutlinger Kreiskliniken, sieht die einrichtungsbezogene Impfpflicht grundsätzlich positiv. Die Impfung habe zwar nicht vor Ansteckung, aber vor schweren Verläufen geschützt und daher weniger Folgen wie Personalausfälle mit sich gebracht, sagte Martin dem SWR. Er hätte jedoch auch eine allgemeine Impfpflicht für sinnvoll gehalten.
Kreis Tuttlingen: Bußgelder statt Betretungsverbote
Dem Landratsamt Tuttlingen wurden 119 Beschäftigte von Pflegeeinrichtungen gemeldet, die keinen vollständigen Impfschutz gegen Covid-19 nachweisen konnten. Betretungsverbote hat das Gesundheitsamt des Landkreises nicht verhängt. Stattdessen wurde ein Bußgeldverfahren gegen die betreffenden Beschäftigten eingeleitet. Das verhängte Bußgeld betrug 300 Euro. Insgesamt wurden im Landkreis Tuttlingen Bußgeldbescheide an 99 Personen verschickt. 33 davon ließen sich nachträglich impfen, 16 gaben laut Landratsamt ihren Beruf auf.
Zollernalbkreis: Positive Bilanz zur Impfpflicht
Im Gesundheitsamt des Zollernalbkreises fällt die Bilanz zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht positiv aus. Seit deren Einführung sei die Impfquote beim Pflegepersonal erhöht worden. Manche Pflegekräfte seien der Impfung skeptisch gegenüber gestanden, so das Landratsamt. Sie seien aber bereit gewesen, sich nach der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gegen Covid-19 impfen zu lassen, nachdem sie sich nochmals grundlegend mit dem Thema beschäftigt hätten. Dem Landratsamt des Zollernalbkreises wurden 716 nicht immunisierte Personen gemeldet. Ein Bußgeldverfahren wurde jedoch auch hier nicht eingeleitet.