"Reutlingen kannst du nicht mögen" - das steht auf Plakaten in der Stadt. "Nur lieben" klebt jetzt daneben. Das Stadtmarketing will zeigen, wie liebenswert Reutlingen ist.
Das Geheimnis hinter den Reutlinger Schmähplakaten ist gelüftet. Das Stadtmarketing will über die Imagekampagne zeigen, wie leben- und liebenswert die Stadt Reutlingen ist. Seit einigen Tagen hängen dort Schmähplakate mit Sprüchen wie: "Leben, wo keiner Urlaub macht" oder "Das Reu in Reutlingen steht für bereuen". Zusätzlich steht auf jedem dieser provokativen Plakate die Anmerkung: "Reutlingen kannst du nicht mögen". Am Montag hat die Stadt eines der Plakate mit einer großen gelben Aufschrift ergänzt: "Nur lieben." Über einen QR-Code kommt man zu Liebesgeschichten, erzählt von Reutlingern über ihre Stadt.
"Reutlingen kannst du nicht mögen. Nur lieben."
Die Stadt hat die Kampagne groß aufgezogen. Auf einer eigenen Webseite erzählen acht Menschen von ihrer Liebesgeschichte mit Reutlingen - in Form von Fotos, Videos, Podcasts und Reportagen. Außerdem hat die Stadt einen eigenen Instagram-Kanal dafür aufgebaut. Die Beiträge sollen zeigen, wie "lebens- und liebenswert Reutlingen ist" und warum sich die Menschen mit Reutlingen verbunden fühlen, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Beim Stadtfest am 21. und 22. Juni solle ein Fotozelt aufgestellt werden, um weitere Reutlingerinnen und Reutlinger zu befragen.
Reutlingen - Liebe auf den zweiten Blick?
Reutlingen sei oft eine "Liebe auf den zweiten Blick, die sich unter Vorurteilen zur eigenen Stadt verbirgt", erklärt Stadtmarketing-Chefin Anna Bierig. Deshalb habe man sich für die provokanten Plakate entschlossen.
Auch Oberbürgermeister Thomas Keck ist von der Kampagne überzeugt. "Ich gebe zu, ich hatte auch Durchhänger, während wir die Kampagne besprochen haben", sagt er mit Blick auf die Sprüche, die jetzt auf den Plakaten stehen. Am Ende sei es aber die richtige Entscheidung gewesen, es zu tun. "Die Aufmerksamkeit ist brutal, bis ins Ausland."
Kampagne für 25.000 Euro
Bisher kostete die Werbeaktion rund 25.000 Euro. Das seien pro Reutlinger Einwohner umgerechnet 20 Cent, erklärt das Stadtmarketing. Die Idee zur Aktion kommt von der Tübinger PR-Agentur "Die Kavallerie".
Experte sieht Kampagne in Reutlingen skeptisch
Aber wie sinnvoll ist das alles? "Wenn die Kampagne zu einem gegebenen Budget maximale Aufmerskamkeit erzielen wollte, dann ist das gelungen", sagt Guido Zurstiege, Professor für Medienwissenschaft und Experte für Werbeforschung an der Universität Tübingen.
Er sieht die Kampagne allerdings skeptisch. Er ist sich unsicher, ob man bei der Kampagne an alle Bürgerinnen und Bürger gedacht habe. "Was ist mit Kindern, die gerade angefangen haben, zu lesen? Die hat man ein ganzes Wochenende in der Schwebe gelassen. Kann man das verantworten? Hat man das getestet?" Das frage er sich auch bei älteren Menschen. Schließlich müsse man mit einer Kampagne auch Menschen erreichen, die sich mit Medien nicht so gut auskennen.
Provokative Werbeaktion auch in anderen Städten
Dass solche Aktionen für große Diskussionen sorgen können, zeigt ein Beispiel aus Linz. Die österreichische Stadt hat im Jahr 2021 ein Video produzieren lassen, das die Stadt am Anfang des Videos in keinem guten Licht dastehen lässt: Passanten erzählen, dass Linz eine Stadt für Senioren sei, altmodisch und rassistisch. Am Ende wendet das Video alles ins Positive: Linz sei zwar nicht perfekt, dafür aber ehrlich, mutig, offen. Das Video ging auch in Deutschland und der Schweiz viral - während einige Menschen von der Kampagne begeistert waren, gab es auch harsche Kritik daran, sogar aus der Politik.
Tübinger Werbeforscher hält Kampagne für riskant Reutlingen: Schmäh-Plakate sorgen für Diskussionen
"Reutlingen kannst du nicht mögen" - das steht auf Plakaten, die seit kurzem überall in Reutlingen hängen. Hinter den Schmäh-Plakaten steckt die Stadt selbst. Warum das Ganze?
Reutlinger Plakate gehen viral
In Reutlingen scheint das Konzept zumindest vorerst aufgegangen zu sein. Etliche bundesweite Medien waren bei der Pressekonferenz vor Ort - und auf Social Media wird schon seit Tagen über die Kampagne diskutiert.
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