Sozialleistungen von einer Viertelmillion Euro: So viel Geld soll ein Mann erhalten haben, indem er vortäuschte, im Rollstuhl zu sitzen. Vor Gericht steht aber nicht nur er.
Vor dem Landgericht Tübingen hat am Donnerstagmorgen ein Prozess wegen Bandenbetrugs in sieben Fällen begonnen. Angeklagt sind ein 59-jähriger Mann aus Nusplingen (Zollernalbkreis), ein Ehepaar aus Nagold (Kreis Calw) und ein Mann aus Brandenburg. Sie sollen mit falschen Belegen Sozialleistungen von mehr als 230.000 Euro beantragt und erhalten haben.
Anklage: Hilfsbedürftigkeit vorgespielt
Während des Prozesses, für den neun Termine bis 22. April angesetzt sind, steht vor allem die körperliche Leistungsfähigkeit des Hauptangeklagten aus Nusplingen (Zollernalbkreis) im Fokus. Beim Landratsamt Calw habe er vorgegeben, dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein. Laut Anklage soll der Mann ein ärztliches Attest eingereicht haben, in dem ihm ein Bewegungsradius von unter fünf Metern bescheinigt wird.
Als er in den Gerichtssaal kam, wurde klar, dass der 59-Jährige heute auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Ihm wurde im August 2022 eines seiner Beine aufgrund einer Durchblutungsstörung abgenommen. Zwischen 2018 und 2021 wird ihm zwölffacher Betrug vorgeworfen - sieben Mal soll er gemeinschaftlich mit den weiteren Angeklagten das Calwer Landratsamt betrogen haben, fünf Mal alleine. Die so erhaltenen Sozialleistungen belaufen sich auf mehr als 230.000 Euro.
Stundenzettel blanko unterschrieben
Von dieser Summe zeigten sich die Mitangeklagten am Donnerstag selbst überrascht. "Ich habe mir schon gedacht, dass es nicht okay war - solche Dimensionen haben wir aber nie vermutet", sagte ein 54-Jähriger Mitangeklagter aus Nagold.
Er und seine ebenfalls angeklagte Frau haben sich den Fragen des Richters gestellt. "Wir haben Geld wegen unserer Schulden gebraucht und haben ihm vertraut", begründete die 50-Jährige, warum sie unausgefüllte Stundenzettel unterschrieben hat. Zwar habe sie bei dem Hauptangeklagten vor seinem Umzug nach Nusplingen geputzt, doch die Abrechnungen, die sie dann bei der Polizei gesehen hat, wären zum Großteil falsch gewesen.
Ohne Rollstuhl in Wohnung bewegt?
Ähnlich beschrieb es ihr Mann mit Blick auf kleine Handwerkertätigkeiten oder Kinderbetreuung. Für die Aufgaben hätten die Nebenangeklagten jeweils 450 Euro im Monat erhalten und davon 50 Euro behalten, egal wie viel sie gearbeitet hatten. Den Rest mussten sie an den Hauptangeklagten überweisen. Dieser soll die blanko unterschriebenen Stundenzettel ausgefüllt und die Anträge ans Sozialamt geschickt haben.
Auch zu Fragen des Staatsanwalts, wie sich der Hauptangeklagte zuhause oder bei gemeinsamen Treffen fortbewegt hat - ob im Rollstuhl oder selbständig - äußerten sich die beiden. "Es gab Tage, an denen er den Rollstuhl gebraucht hat, überwiegend konnte er sich mit Gehstock aber frei bewegen", sagte die 50-Jährige. Der Angeklagte quittierte die Ausführungen immer wieder mit Kopfschütteln und einem Grinsen.
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