Symbolische Schlüsselübergabe mit Kretschmann

Neubau des "Zentrum für Islamische Theologie" in Tübingen für 23 Millionen Euro

Stand
Autor/in
Bertram Schwarz
Bertram Schwarz ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.
Onlinefassung
Magdalena Knöller
Magdalena Knöller

Das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Tübingen hat ein neues Gebäude bekommen. Ministerpräsident Kretschmann wies bei der Eröffnung auf die Wichtigkeit des Zentrums hin.

Als das Studium der Islamischen Theologie in Tübingen 2011/2012 mit einem Professor und 36 Studierenden begann, hat wohl niemand mit einem Neubau dieser Größenordnung gerechnet. Das 23 Millionen Euro teure Zentrum ist seit wenigen Monaten in Betrieb. Am Donnerstagabend wurde der Neubau feierlich von BW-Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Finanzstaatssekretärin Gisela Splett (beide Grüne) der Universität übergeben.

Kretschmann forderte in seiner Rede unter anderem dazu auf, den Islamismus als gewaltbereiten politischen Fanatismus und den Islam als friedlichen Glauben klar voneinander abzugrenzen. In Hinblick auf eine zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft sagte er: "Heute müsste die Frage nicht mehr lauten: 'Gehört der Islam zu Deutschland', sondern: 'Gehören Religion und Glaube überhaupt noch zu Deutschland?'".

Kretschmann: Zentrum für Islamische Theologie wichtig für säkulare Gesellschaft

Gerade für die säkulare Gesellschaft sei das Zentrum für Islamische Theologie als Bildungseinrichtung bedeutsam. "Es ist wichtiger denn je, dass unsere muslimischen Religionslehrkräfte und der wissenschaftliche Nachwuchs der Theologie eine anspruchsvolle und zeitgemäße pädagogische Ausbildung bekommen", so der Ministerpräsident.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann übergibt symbolisch einen Schlüssel bei der Einweihung des neuen Gebäudes des Islamischen Instituts in Tübingen. Daneben Prorektor Samuel Wagner und Gisela Splett, Staatssekretärin im Ministerium für Finanzen.
"Selbstredend gehört der Islam zu Deutschland" - BW-Ministerpräsident Kretschmann bei seiner Rede zur Einweihung des Neubaus des Zentrums für Islamische Theologie.

Muslimische Verbände seien in ihrer Funktion als Beirat des Instituts gefordert, so Kretschmann. Nicht um ihre eigenen Vereinsinteressen zu vertreten - und schon gar nicht, um politische Agenden eines Herkunftsstaates zu verfolgen, sondern um theologische Fragen zu beantworten. Dies sei wichtig, da der Staat und staatliche Hochschulen selbst weltpolitisch neutral sind.

Christliche und Islamische Theologie in Tübingen

Etwa 170 Studierende und Doktoranden und sieben Professorinnen und Professoren der Islamischen Theologie lehren, lernen und arbeiten im Neubau. In ihm finden auf 2.600 Quadratmetern Büros, Seminarräume und eine große Bibliothek Platz. Aber auch Studierende der Evangelisch- und Katholisch-Theologischen Fakultäten und des Fachbereichs Psychologie nutzen den Neubau.

Neubau des Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Tübingen: Mit der Eröffnung ist der "Campus der Theologien" komplett.
Hinter dem Neubau der Islamischen Theologie verbirgt sich der mit dem "Theologikum" verbindende Campus - ein halboffener Innenhof.

Ein offener Innenhof, ein Campus, verbindet den Neubau mit dem "Theologicum", dem Gebäude der Evangelisch-Theologischen und der Katholisch-Theologischen Fakultäten. Dadurch erhoffen sich die muslimischen Theologinnen und Theologen eine intensivere Zusammenarbeit, sagt Professor Erdal Toprakyaran. Er hat mehrere Jahre lang das Zentrum geleitet und ist dort Professor für Islamische Geschichte und Gegenwartskultur.

Bücher über den Koran aus christlicher und muslimischer Sicht in der Bibliothek im Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen: Die Uni-Einrichtung hat jetzt ein großes neues Gebäude.
In der Bibliothek des "Zentrum für Islamische Theologie" an der Uni Tübingen ist die erstrebte Zusammenarbeit mit den christlichen Fakultäten schon sichtbar.

Kritik wegen Zusammenarbeit mit muslimischen Verbänden

Seit das Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen gegründet wurde, gibt es immer wieder Bedenken, dass islamische Verbände wie die DITIB zu viel Einfluss auf die Lehre und Forschung nehmen. Zum Beispiel bei der Auswahl der Professorinnen und Professoren. Zu dem Vorwurf sagte Toprakyaran dem SWR: "Wir lassen uns auf keinen Fall beeinflussen. Wir sind natürlich sehr vorsichtig, dass wir in unserer Forschung und Lehre unabhängig bleiben."

Aber ohne eine gewisse Zusammenarbeit mit muslimischen Vereinen und Verbänden ist eine Islamische Theologie auch kaum umsetzbar.

Zeitweise stand das Zentrum auch unter dem Verdacht, mit Islamisten zu kooperieren, die frauenfeindliche oder antisemitische Positionen vertreten. Das Zentrum und die Uni mussten Stellung beziehen und Richtlinien erarbeiten, um zu verhindern, dass Islamisten in Tübingen ein Podium bekommen. 

Studium auch für Seelsorger in Krankenhaus und Gefängnissen

Wer Islamische Theologie in Tübingen studiert, lernt dort sowohl historisch-theologische Ansätze als auch aktuelle Entwicklungen in den Koranwissenschaften kennen. Außerdem geht es im Studium um die Überlieferungen von Prophet Muhammad, islamische Glaubenslehre und islamisches Recht - Themen, die auch im Religionsunterricht an Schulen angesprochen werden. Seit mehreren Jahren gibt es in Tübingen auch den Studiengang "Praktische Islamische Theologie für Seelsorge und Soziale Arbeit". In ihm werden Studentinnen und Studenten auf die Arbeit in Krankenhäusern, Gefängnissen und der Flüchtlingsarbeit vorbereitet.

Mehr zu Muslimen in Deutschland

Tübingen

Mit Kippa und Kopftuch Gemeinsam gegen den Hass: Jüdisch-Islamische Forschungsstelle in Tübingen

An der Uni Tübingen gibt es die einzige Forschungsstelle für jüdische und islamische Theologie in Deutschland. Die Leitung: eine Muslimin und ein Jude - und das in diesen Zeiten.

SWR4 BW am Samstagmorgen SWR4 Baden-Württemberg

Rassismus Starker Anstieg: Jeder zweite Muslim wird in Europa diskriminiert

Laut einer neuen Studie hat die Muslimfeindlichkeit in der EU seit 2016 stark zugenommen - besonders in Deutschland.

DASDING DASDING

Investigative Recherche Gülen in Deutschland – Wie demokratiefeindlich ist die Bewegung?

Ehemalige Gülen-Anhänger klagen über rigide Geschlechtertrennung, Personenkult und Kontrolle. Eine investigative SWR-Recherche über die Gülen-Bewegung, die sich in Deutschland für Dialog und Bildung einsetzt.

SWR2 Wissen SWR2

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.