Das Landessozialgericht hat in einem Eilverfahren entschieden, dass der Landkreis Reutlingen einer gehörlosen Schülerin einen Gebärdendolmetscher zur Seite stellen muss.
In einem Eilverfahren hat das Landessozialgericht den Landkreis Reutlingen verpflichtet, einer gehörlosen 13-jährigen Schülerin vorläufig jede Woche 16 Stunden Assistenz à 85 Euro je Stunde durch einen Gebärdendolmetscher zu ermöglichen. Nach Angaben des Pressesprechers am Landessozialgericht besucht das Mädchen eine Schule für gehörlose und höreingeschränkte Kinder. Dort könnten aber nicht alle Lehrer in deutscher Gebärdensprache unterrichten.
Lehrer können oft nur teilweise in Gebärdensprache unterrichten
Erstaunlich an dem Fall ist nach Angaben des Landessozialgerichts, dass man eigentlich davon ausgehen würde, dass an einer Schule für gehörlose Menschen alle Lehrer die Gebärdensprache beherrschen. Dem sei aber nicht so. Weil auch höreingeschränkte Menschen die Schule besuchen, werde nur teilweise in Gebärdensprache kommuniziert. Die 13-jährige Klägerin brauche daher Hilfe, um dem Unterricht folgen zu können.
Zentrale Frage: Wer muss die Kosten übernehmen?
In dem Eilverfahren ging es darum, ob für die Kosten der Assistenz die Schule aufkommen muss (also das Land als Träger) oder der Landkreis Reutlingen im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Schülerinnen und Schüler.
Laut Gericht fällt in den Zuständigkeitsbereich der Schulen der "pädagogische Kernbereich" des Unterrichts, also die Vermittlung von Wissen. Die Assistenz für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung während des Schulunterrichts sei jedoch Aufgabe der Eingliederungshilfe. In diesem Fall gehe es um Assistenz: Die antragstellende Schülerin könne nur dann erfolgreich am Unterricht teilnehmen, wenn das Dolmetschen in Gebärdensprache gesichert sei. Der Kreis Reutlingen müsse zahlen.
Entscheidung gilt bis zum Ende des Schuljahres
Die Entscheidung aus dem Eilverfahren gilt bis zum Ende des laufenden Schuljahres. Möglicherweise werde der Kreis Reutlingen danach die Kosten freiwillig weiter übernehmen, so der Pressesprecher des Landessozialgerichts. Anderenfalls könnte es zu einem erneuten Gerichtsverfahren kommen. Dann müsste das Sozialgericht Reutlingen den Fall noch einmal aufrollen. Anders als im Eilverfahren würden dann auch Zeugen gehört - etwa die Lehrer oder Vertreter des Landes. Im aktuellen Eilverfahren hat nur die Klägerseite die Situation geschildert.