Männer dominieren noch immer Gemeinderäte

Anfeindungen, alte Strukturen, Zeitmangel: Wenig Frauen in der Politik

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Autor/in
Lisamarie Haas
Lisamarie Haas ist Reporterin für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Sie machen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung aus, aber in der Kommunalpolitik sind Frauen oft wenig vertreten. Warum ist das so? Eine Spurensuche in der Region Neckar-Alb.

In vielen Gemeinderäten und Kreistagen in der Region sitzen noch immer überwiegend Männer und nur wenige Frauen. Am 9. Juni werden wieder Vertreter und Vertreterinnen gewählt. Doch ob sich dann etwas ändert? Anfeindungen, verkrustete Strukturen und Zeitmangel bremsen Frauen in der Politik noch immer aus.

Beate Dörr von der Landeszentrale für politische Bildung sagte im Gespräch mit dem SWR, im Vergleich zu 2014 habe sich die Lage mit der letzten Kommunalwahl 2019 leicht verbessert. In den Kreistagen liege der Frauenanteil in Tübingen und Reutlingen landesweit an der Spitze, der Zollernalbkreis liege dagegen auf dem vorletzten, Rottweil mit sechs von 47 Mitgliedern auf dem letzten Platz.

22 Gemeinderäte im Land komplett ohne Frauen

Laut Statistischem Landesamt gab es 2019 in Baden-Württemberg 22 Gemeinderäte, in die ausschließlich Männer gewählt wurden. Darunter sind auch Schopfloch (Kreis Freudenstadt), Neufra und Sigmaringendorf (Kreis Sigmaringen). Im Kommunalwahlgesetz ist verankert, dass Frauen und Männer bei Wahlvorschlägen gleichermaßen berücksichtigt werden sollen. Es werde jedoch nicht sanktioniert, wenn diese Bestimmung nicht eingehalten werde, so Dörr.

Mehrfachbelastung durch Job, Familie und Ehrenamt

"Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung sind Frauen", sagt Dörte Conradi, Fraktionsvorsitzende der CDU in Burladingen (Zollernalbkreis). Deshalb sollten sie auch in den Gremien vertreten sein und über die diskutierten Themen mitentscheiden.

Doch woran liegt es, dass Frauen weniger in den Räten vertreten sind? "Junge Frauen insbesondere auch junge Mütter zu gewinnen – aber auch junge Väter – das ist ganz schwierig", sagt Gundula Schäfer-Vogel (SPD), Sozialbürgermeisterin der Stadt Tübingen. Das liege vor allem am Zeitmangel. Es sei schwierig Beruf, Familie und ehrenamtliches Engagement unter einen Hut zu bringen.

Lösung: Verlässliche Zeiten für Sitzungen

Lösungen dafür könnten laut Dörte Conradi verlässliche Zeiten für Ratssitzungen und finanzielle Mittel für Kinderbetreuung sein. "Dass wir da entsprechende Angebote machen, dass Kinder betreut werden und wir das auch in die Aufwandsentschädigung einfließen lassen. Ich glaube, bei den Rahmenbedingungen haben wir noch Luft nach oben."

Das bestätigt auch Beate Dörr von der Landeszentrale für politische Bildung. Häufig fehle bei Frauen nicht das Interesse an Politik oder der Wille, sich aufstellen zu lassen. Es sei nach wie vor so, dass sich Frauen um Kinder kranke Angehörige und den Haushalt kümmern. "Das ist eine ungeheuer hohe Belastung", sagt die Burladinger Kommunalpolitikerin.  

Öffentlicher Druck, Kritik und Anfeindungen

Schwieriger zu lösen könnte die Herausforderung sein, dass Politikerinnen und Politiker sich durch ihr Engagement immer in die Öffentlichkeit begeben und dort dem öffentlichen Druck, oft auch Kritik und sogar Anfeindungen ausgesetzt sind. Silke Edele (parteilos) ist seit vergangenem Jahr Bürgermeisterin der Gemeinde Weilen unter den Rinnen (Zollernalbkreis). Viele Kommentare ihr gegenüber findet sie "grenzwertig".

Auch Dörte Conradi war schon Anfeindungen ausgesetzt. Sie habe anonyme Drohbriefe bekommen, wegen ihrer damaligen Haltung zur Flüchtlingsthematik 2016.

Kommentare kommen nicht nur von Männern – auch von Frauen

Aber auch das Geschlecht der Ratsmitglieder wird immer wieder zum Thema. Silke Edele wurde während ihres Wahlkampfs für das Bürgermeisteramt gefragt, ob sie als Ehefrau und Mutter die Stelle als Bürgermeisterin überhaupt ausfüllen könne. Asli Kücük (Grüne) hat nach ihrer Wahl zur Gemeinderätin in Tübingen ebenfalls eine solche Situation erlebt.

Mir haben auch Menschen, nachdem ich gewählt wurde, gratuliert und dann gesagt – naja sie hat ja auch einen Händedruck, wie ein Mann.

Aber nicht nur von Männern kommen solche Kommentare, sagt Ina Kästle-Müller. Sie ist Stadträtin in Meßstetten und hat sich dort der Frauenliste angeschlossen. Bei Veranstaltungen hat sie erlebt, dass nicht nur manche Männer ihr Engagement seltsam kommentieren, sondern auch Frauen. Manche hätten zu ihr gesagt, sie könne ja nur Politik machen, wenn sich ihr Mann um die Kindern kümmern würde.

Netzwerke bilden, Weggefährten in der Politik suchen

Stefanie Bürkle (CDU) ist seit 2014 Landrätin in Sigmaringen, 2022 wurde sie wiedergewählt. Aktuell ist die Juristin eine von nur drei Landrätinnen in ganz Baden-Württemberg. Landräte gibt es 32. Helfen könnte ihrer Ansicht nach, sich zusammenzuschließen, ein Netzwerk zu bilden. "Alleine ist es ziemlich einsam in der Politik", sagt sie.

Politik als Beruf oder als Ehrenamt

Stefanie Bürkle hat die Politik zu ihrem Beruf gemacht. Gundula Schäfer-Vogel ist Richterin und wechselt im Januar als Bürgermeisterin ins Tübinger Rathaus. Die Koordination von Beruf und Familie werde durch den Wechsel vom Ehrenamt ins Hauptamt einfacher, sagt Beate Dörr von der Landeszentrale für politische Bildung. Dann hätten Frauen ganz andere Ressourcen zur Verfügung, beispielsweise für Kinderbetreuung.

Sowohl im Ehrenamt als auch im Beruf stehen Politiker und Politikerinnen in der Öffentlichkeit. In der Kommunalpolitik sind sie in ihrem Wohnort im Licht der Öffentlichkeit, auf Landes- und Bundesebene vergrößert sich der Kreis. "Das lässt sich gar nicht mehr so gut trennen, was ist das Amt und was ist privat", sagt Luzia Köberlein, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Tübingen.

Warum politisch engagieren?

Die Kommunalpolitik ist für viele – Frauen wie Männer – das Sprungbrett in die Politik. Dort können sie mitentscheiden, was sie an ihrem Wohnort direkt betrifft. Silke Edele fühlt sich angekommen als Bürgermeisterin von Weilen unter den Rinnen. "Ich gehe an meine Grenzen, jeden Tag. Aber ich bin auch jeden Tag sehr zufrieden mit mir und stolz auf mich", sagt sie.

Für dieses Jahr ist sie auch schon wieder in den Startlöchern: Sie möchte für den Kreistag kandidieren. Aber ein bisschen mulmig ist ihr dabei auch. "Was mir Angst macht, ist unsere politische Lage. Also ich hoffe einfach, dass sich Frauen und alle einfach aufstellen lassen und mitarbeiten, nicht nur schimpfen in ihrem Keller." Viele Landkreise und Kommunen versuchen derzeit, gezielt um Frauen als Kandidatinnen für die Kommunalwahl zu werben.

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