"Augen auf fürs Miteinander" - bei den 41. Französischen Filmtagen zeigen viele Filme Missstände auf. Auch die Filmbranche selbst ist davon nicht frei. Frauen sind oft im Nachteil.
Zum 41. Mal laufen bei den Französischen Filmtagen Tübingen/Stuttgart ab Mittwoch wieder verschiedenste Highlights der frankophonen Filmwelt über die Kinoleinwände. In insgesamt sechs Kinos kann man sich in Tübingen, Rottenburg, Stuttgart und Reutlingen die französischen Filme ansehen.
Es geht um soziale Ungleichheiten, die Rückerstattung von geraubten Kulturgütern, um toxische Ehen und um Missbrauch. Filmproduzentin Bärbel Mauch hat die Filme als Teil der Kommission ausgewählt. Die Filme befassen sich auf unterschiedlichste Weise mit Missständen. Die gibt es laut Mauch auch in der Filmbranche, vor allem für Frauen.
Missbrauch aus weiblicher Sicht
"Une famille", das war der erste Film, den Bärbel Mauch für das diesjährige Festival ausgewählt hat. Bei der Berlinale habe sie ihn gesehen. Im Film arbeitet Buchautorin Christine Angot den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater auf. "Dieser Film hat mich als Filmproduzentin in seiner Herangehensweise und in seiner Radikalität total überzeugt und berührt", sagte Mauch dem SWR.
Für Mauch ist es die weibliche Sichtweise der Regisseurin zur Thematik Inzest und Missbrauch, die den Film so stark macht. Ein Film wie "Une famille" zählt in der Filmbranche weltweit aber zur Seltenheit. Nicht oft dürfen Frauen ihre Sichtweise und ihre Vision als Regisseurinnen auf die Leinwand bringen.
Zu wenig Chancen für Frauen
Mauch ist selbst langjährige Dokumentarfilmproduzentin. "Ich habe damit auch zu kämpfen", sagt Mauch dem SWR. Damit ist sie nicht die Einzige. Es ist ein weltweites Phänomen, sichtbar auch in der Traumfabrik Hollywood. Eine jährlich erhobene Studie der San Diego State University zeigt: 86 der 100 erfolgreichsten US-Kassenschlager 2023 hatten männliche Regisseure.
Dadurch entstehe gegenseitig unter den Frauen ein starker Konkurrenzkampf. Wer als Frau im Film an eine Führungsposition will, müsse sich erstmal durchsetzen, so Mauch.
Warum die weibliche Sicht wichtig ist
Dabei sei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen vor und hinter der Kamera wichtig. Vor allem auch im französischen Kino spielen die Visionen der Regisseure und Regisseurinnen eine große Rolle. Dort ist das sogenannte Autoren-Kino weit verbreitet.
Die Filmleiter und -leiterinnen spiegeln mit ihrer persönlichen Handschrift wider, was sie in der Gesellschaft bewegt. Umso bedeutender sei es, auch genügend Frauen die Regie zu überlassen, so Mauch. Sexualität, Mutterschaft, zwischenmenschliche Verhältnisse - darauf haben Frauen einen anderen Blick als Männer.
MeToo in der Filmbranche
Ein weiteres weit verbreitetes Problem in der männerdominierten Filmbranche: Sexuelle Übergriffe an weiblichen Crew-Mitgliedern. Auch in Frankreich ist das derzeit ein großes Problem. Die französische Filmikone Gérard Depardieu muss sich seit Montag wegen sexueller Übergriffe vor Gericht verantworten. In der gesamten französischen Kulturbranche kam die #MeToo-Debatte mit Verspätung erst vor wenigen Monaten an.
Französisches Kino als Hoffnungsträger
Aber Mauch blickt zuversichtlich auf die französische Filmszene. In Frankreich bemühe man sich, die Missstände zwischen den Geschlechtern in der Filmbranche auszugleichen. Mittlerweile gebe es dort auf Filmsets Workshops, die sexuelle Übergriffe verhindern sollen, so Mauch. Außerdem setzt sich das feministische "Collectif 50/50" für Chancengleichheit und sexuelle sowie geschlechterspezifische Vielfalt im Film und Fernsehen ein.
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Gespräch #metoo im französischen Kino: Schauspielerin Judith Godrèche klagt Regisseure an
Die #metoo–Welle hat auch für ein großes Beben in Frankreich gesorgt, meint die Journalistin Cécile Calla. Neu sei an der aktuellen Debatte um die französische Schauspielerin Judith Godrèche, dass sich die Vorwürfe nun auch gegen zwei Protagonisten des „Autorenfilms“ richteten.