Filmfestival in Tübingen/Stuttgart

Französische Filmtage: Deshalb braucht die Filmbranche mehr Frauen

Stand
Autor/in
Tim Richter
Tim Richter ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

"Augen auf fürs Miteinander" - bei den 41. Französischen Filmtagen zeigen viele Filme Missstände auf. Auch die Filmbranche selbst ist davon nicht frei. Frauen sind oft im Nachteil.

Zum 41. Mal laufen bei den Französischen Filmtagen Tübingen/Stuttgart ab Mittwoch wieder verschiedenste Highlights der frankophonen Filmwelt über die Kinoleinwände. In insgesamt sechs Kinos kann man sich in Tübingen, Rottenburg, Stuttgart und Reutlingen die französischen Filme ansehen.

Es geht um soziale Ungleichheiten, die Rückerstattung von geraubten Kulturgütern, um toxische Ehen und um Missbrauch. Filmproduzentin Bärbel Mauch hat die Filme als Teil der Kommission ausgewählt. Die Filme befassen sich auf unterschiedlichste Weise mit Missständen. Die gibt es laut Mauch auch in der Filmbranche, vor allem für Frauen.

Filmproduzentin Bärbel Mauch sitzt im Kinosessel und blickt vorbei an der Kamera auf die Leinwand. Sie ist Teil der Filmkommission bei den Französischen Filmtagen in Tübingen.
Bärbel Mauch kennt das Problem als Filmproduzentin: In der Filmbranche haben es Frauen schwerer als Männer.

Missbrauch aus weiblicher Sicht

"Une famille", das war der erste Film, den Bärbel Mauch für das diesjährige Festival ausgewählt hat. Bei der Berlinale habe sie ihn gesehen. Im Film arbeitet Buchautorin Christine Angot den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater auf. "Dieser Film hat mich als Filmproduzentin in seiner Herangehensweise und in seiner Radikalität total überzeugt und berührt", sagte Mauch dem SWR.

Für Mauch ist es die weibliche Sichtweise der Regisseurin zur Thematik Inzest und Missbrauch, die den Film so stark macht. Ein Film wie "Une famille" zählt in der Filmbranche weltweit aber zur Seltenheit. Nicht oft dürfen Frauen ihre Sichtweise und ihre Vision als Regisseurinnen auf die Leinwand bringen.

UNE FAMILLE de Christine Angot - Bande annonce

Zu wenig Chancen für Frauen

Mauch ist selbst langjährige Dokumentarfilmproduzentin. "Ich habe damit auch zu kämpfen", sagt Mauch dem SWR. Damit ist sie nicht die Einzige. Es ist ein weltweites Phänomen, sichtbar auch in der Traumfabrik Hollywood. Eine jährlich erhobene Studie der San Diego State University zeigt: 86 der 100 erfolgreichsten US-Kassenschlager 2023 hatten männliche Regisseure.

Dadurch entstehe gegenseitig unter den Frauen ein starker Konkurrenzkampf. Wer als Frau im Film an eine Führungsposition will, müsse sich erstmal durchsetzen, so Mauch.

Warum die weibliche Sicht wichtig ist

Dabei sei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen vor und hinter der Kamera wichtig. Vor allem auch im französischen Kino spielen die Visionen der Regisseure und Regisseurinnen eine große Rolle. Dort ist das sogenannte Autoren-Kino weit verbreitet.

Die Filmleiter und -leiterinnen spiegeln mit ihrer persönlichen Handschrift wider, was sie in der Gesellschaft bewegt. Umso bedeutender sei es, auch genügend Frauen die Regie zu überlassen, so Mauch. Sexualität, Mutterschaft, zwischenmenschliche Verhältnisse - darauf haben Frauen einen anderen Blick als Männer.

MeToo in der Filmbranche

Ein weiteres weit verbreitetes Problem in der männerdominierten Filmbranche: Sexuelle Übergriffe an weiblichen Crew-Mitgliedern. Auch in Frankreich ist das derzeit ein großes Problem. Die französische Filmikone Gérard Depardieu muss sich seit Montag wegen sexueller Übergriffe vor Gericht verantworten. In der gesamten französischen Kulturbranche kam die #MeToo-Debatte mit Verspätung erst vor wenigen Monaten an.

Französisches Kino als Hoffnungsträger

Aber Mauch blickt zuversichtlich auf die französische Filmszene. In Frankreich bemühe man sich, die Missstände zwischen den Geschlechtern in der Filmbranche auszugleichen. Mittlerweile gebe es dort auf Filmsets Workshops, die sexuelle Übergriffe verhindern sollen, so Mauch. Außerdem setzt sich das feministische "Collectif 50/50" für Chancengleichheit und sexuelle sowie geschlechterspezifische Vielfalt im Film und Fernsehen ein.

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