Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) bleibt umstritten. Die einen sehen in ihm ein politisches Talent, die anderen einen Provokateur. Ein Rückblick.
Boris Palmer ist ein Vollblutpolitiker, der bei den Grünen Karriere gemacht hat: zunächst als Abgeordneter im Stuttgarter Landtag, dann als Oberbürgermeister. Zuletzt wurde er in Tübingen als parteiloser OB im Oktober wiedergewählt. Über 16 Jahre im Amt, drei Mal wiedergewählt. Solch eine lange Amtszeit lässt vermuten, dass Palmer als Oberbürgermeister erfolgreich ist. Viele Tübingerinnen und Tübinger schätzen, wie sich die Stadt entwickelt hat. Vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Umweltschutz.
Wirksame Politik in Tübingen
Die Gewerbesteuereinnahmen in Tübingen sind seit 2021 enorm gestiegen. Mit dazu beigetragen hat auch, dass Palmer viele Unternehmen an Land ziehen konnte. Erfolge kann Tübingen auch beim Klimaschutz nachweisen. Bis 2030 soll die Stadt klimaneutral werden, das hat der Gemeinderat im November 2020 unter Palmer beschlossen und ein umfangreiches Klimaschutzpaket verabschiedet. Auch in der Corona-Pandemie ist Palmer neue Wege gegangen. Im Rahmen eines Modellprojekts konnten Einzelhandel und Gastronomie für Negativgetestete wieder öffnen.
Unkooperativ mit großem Ego
Doch Palmer eckt mit seiner Art immer wieder an. In seiner ersten Amtszeit als Tübinger OB brachte er den Gemeinderat gegen sich auf, weil er immer wieder Gemeinderatsunterlagen auf Facebook verbreitete und zur Diskussion stellte, noch bevor die Gemeinderäte darüber abgestimmt hatten. Unkooperatives Verhalten bescheinigen ihm inzwischen viele Grüne - im Kreis, im Land, im Bund.
Palmer fordert restriktiven Umgang mit Geflüchteten
Auf sozialen Netzwerken und in Talkshows tritt er für einen restriktiven Umgang mit Geflüchteten ein. Im Jahr 2015 forderte er eine Obergrenze für Geflüchtete, man könne die Unterbringung der Geflüchteten nicht gewährleisten. Dafür erntete er massive Kritik aus seiner bisherigen Partei, den Grünen.
Provokative Äußerungen: Palmer sorgt für Ärger
Regelmäßig fällt Palmer mit umstrittenen Kommentaren auf, vor allem im Hinblick auf Asylpolitik und Migration. Im April 2018 äußerte er sich über einen schwarzen Radfahrer, der ihn, so Palmer, fast umgefahren habe: "Das gehört sich für niemanden und für einen Asylbewerber schon dreimal nicht." Ob besagter Radfahrer ein Asylbewerber war, so lautete die Kritik der Grünen, habe Palmer nur aus dessen Hautfarbe geschlossen. Palmer entschuldigte sich im Nachhinein für das "Kommunikationsdesaster".
Palmer führte "Liste auffälliger Asylbewerber"
Im Januar 2019 bestätigte der Tübinger Oberbürgermeister dem SWR, die Stadt führe eine Liste mit "auffälligen Asylbewerbern", die durch Gewalt- oder Drogendelikte aufgefallen seien. Palmer wollte diese Menschen wohl in einer separaten Unterkunft unterbringen. Ausländer, so die Argumentation des OB, seien öfter kriminell. Für Tübingen ließ sich das anhand der Kriminalitätsstatistik nicht in allen Punkten untermauern. Weil die Liste laut des Landesdatenschutzbeauftragten nicht legal war, wurde sie eingestellt.
Kritiker werfen Palmer Rassismus vor
Im März 2023 kam es zu einem erneuten Eklat. Nachdem ein 23-jähriger Geflüchteter in Tübingen erstochen wurde, ging Palmer auf Facebook auf die gambische Herkunft des Opfers ein. Palmer brachte das Opfer noch vor der Polizei mit Dogenhandel in Verbindung und erklärte: Viele gambische Asylbewerber seien Drogenhändler. Die Attacke zeige, dass man durchgreifen müsse. Der Tübinger Gemeinderat kritisierte diese schnelle Reaktion als pietätlos. Manche Mitglieder nannten sie rassistisch. Palmer räumte in einer Gemeinderatssitzung zum Teil Fehler ein und bekundete sein Bedauern, entschuldigte sich aber nicht.
Kontroversen um das sogenannte N-Wort
Massive Kritik erhielt und erhält Palmer auch, weil er das als rassistisch eingestufte N-Wort unzensiert verwendet. Im Mai 2021 adressierte er das Wort auf Facebook an einen schwarzen ehemaligen Fußballspieler und löste daraufhin ein Parteiausschlussverfahren aus. "Es wäre super gewesen, Boris hätte geschwiegen" äußerte sich der damalige Bundesvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, zu Palmers Kommentar. Palmer selbst sagte, er habe das Wort zitierend und satirisch verwendet. Zu einem Parteiausschluss kam es nicht, stattdessen sollte Palmer seine Mitgliedschaft bis Ende 2023 ruhen lassen.
Palmer verlässt die Grünen
Einem Parteiausschluss kam Palmer nun zuvor. Am Montag hat er den Austritt aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen bekannt gegeben, nachdem er am Freitag zuvor erneut Aufsehen erregt hatte: Bei einer Uni-Konferenz in Frankfurt zum Thema Migration hatte der Tübinger OB das sogenannte N-Wort verwendet. Vorwürfe von Studierenden, er sei Rassist und Nazi, konterte er: "Das ist nichts anderes als der Judenstern." Das sorgte bundesweit für Empörung.
Professionelle Hilfe in einer Auszeit
Viele Erfolge, viele Eklats. Weil es so nicht weitergehen könne, so der Oberbürgermeister in einer Erklärung, wolle er nun eine Auszeit nehmen. Den Juni über wolle er sein Amt ruhen lassen, um sich professionelle Hilfe zu suchen, teilte die Stadtverwaltung Tübingen am Dienstag mit.
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