Auf einer Klosterbaustelle arbeiteten auch Mönche. Sie halfen beim Aufbau des Klosters und lebten nach den Regeln des heiligen Benedikt. Die sind auch auf dem Campus Galli in Meßkirch (Kreis Sigmaringen) wichtig.
Schon vor dem offiziellen Arbeitsbeginn am Morgen ist Zimmermann Julian auf dem Gelände unterwegs. Es ist kurz vor zehn Uhr. Noch ist es ruhig zwischen den Handwerkerhütten. Nur der Hahn scharrt zusammen mit seiner Hühnerschar schon eifrig im Unterholz. Julian ist nicht auf dem Weg zur Baustelle bei der Klosterscheune. Sein Ziel ist der kleine Kreuzgang bei der Holzkirche. Denn hier werden jeden Morgen die Benediktsregeln gelesen.
Mönche im Frühmittelalter lebten nach den Benediktsregeln
Geschrieben wurden die Klosterregeln um 540 von Benedikt von Nursia, der auch den Benediktinerorden gegründet hat. Ums klösterliche Zusammenleben geht es darin, aber auch um Organisation und Tagesablauf hinter den Klostermauern. Viele Orden, nicht nur die Benediktiner, lebten und leben bis heute nach diesen Klosterregeln. Darum passt es auch gut auf den Campus, meint der 28-jährige Julian. Er ist seit seit vier Jahren auf dem Campus Galli als Zimmermann angestellt und ist fast jedes mal bei der morgendlichen Lesung im Kreuzgang dabei. Knapp zehn Mitarbeiter warten bereits in dem kleinen Kreuzgang, sitzen auf den noch kühlen Holzbänken, mancher mummelt sich in seine warme Wollkutte ein.
Spirituelle Bauanleitung für den Klosterbau
Auch Andreas ist da. Das lange angegraute Haar hat er unter der Wollmütze zu einem Zopf gebunden, der weiße Bart reicht weit unters Kinn. Andreas ist nicht nur Zimmermann auf dem Campus, er ist auch orthodoxer Mönch. Der Einzige auf der mittelalterlichen Klosterbaustelle. Die Benediktsregeln sind laut Andreas die historische Quelle für den St. Galler Klosterplan, nach dessen Vorbild der Campus Galli gebaut wird. Die morgendliche Lesung nennt der 49-Jährige deshalb auch fast schon liebevoll eine Baubesprechnung. Er ist sich sicher: Nur Dank der Benediktsregel kann man einen Großteil der Anlage, die auf dem St.Galler Klosterplan aufgezeigt sind, verstehen.
Andreas schiebt sich noch einmal seine Brille zurecht, dann blättert er in dem kleinen blauen Buch, in dem der heilige Benedikt die Regeln aufgeschrieben hat. Die Mönchsregeln sind in 73 Kapitel unterteilt. Wie sich verhalten in einem Kloster, wie Leben Alt und Jung gut miteinander und wer darf wem was sagen – darum geht es unter anderem. An diesem Morgen liest Andreas aus dem Kapitel 63 vor. Um die Rangordnung in der Gemeinschaft geht es da.
Die Benediktsregel begleitet den ganzen Arbeitstag
Nach wenigen Minuten schlägt Andreas das Buch wieder zu. Es ist still geworden, kurz hängt jeder der Teilnehmer seinen Gedanken nach. Einige diskutieren noch kurz. Dann schlägt auch schon die hölzerne Tabula. Der Arbeitstag auf dem Campus Galli beginnt. Die Besucher strömen aufs Gelände. Auch Julian macht sich auf den Weg zur Klosterscheune. Er wird heute neue Dachlatten anbringen und mit Holznägeln sichern. Die Benediktsregel, die er an diesem Morgen gehört hat, wird ihn aber noch weiter begleiten. Er nimmt sie mit in den neuen Tag auf der mittelalterlichen Klosterbaustelle, meint er schmunzelnd.