Anweisungen der Polizei missachtet

Rettungseinsatz bei Tuttlingen behindert: 91-Jähriger durfte danach weiterfahren

Stand
Autor/in
Tabea Günzler

Die Nachricht schlug hohe Wellen: In Talheim hat ein Senior einen Rettungshubschrauber bei der Landung gehindert. Auf Social Media diskutieren Nutzer: Führerschein behalten oder nicht?

Auf Social Media wurde die Nachricht heiß diskutiert: Am Sonntag ist ein 91-Jähriger in Talheim (Kreis Tuttlingen) mit seinem Auto beinahe mit einem Rettungshubschrauber zusammengestoßen, weil er eine Polizeiabsperrung missachtete. Nach dem Vorfall durfte er weiterfahren. Das ist nicht unüblich, ergeben Recherchen des SWR.

Was war passiert?

Auf der Bundesstraße zwischen Tuttlingen-Eßlingen und Talheim hatte es einen schweren Unfall gegeben, der Abschnitt wurde abgesperrt. Obwohl eine Polizistin ihn darauf hinwies, dass er dort nicht weiterfahren darf, umfuhr der 91-Jährige die Polizeiabsperrung. Fast gleichzeitig wollte ein Hubschrauber auf der Straße landen, um zwei Schwerverletzte ins Krankenhaus zu bringen. Der Hubschrauber brach die Landung ab und konnte so einen Zusammenstoß verhindern. An der Unfallstelle wurde der Senior dann von der Polizei gestoppt. Die überprüfte seine Personalien, den Führerschein und Wagen.

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Polizei lässt 91-Jährigen weiterfahren

Aber warum umfuhr der Senior die Polizeiabsperrung? Der Mann war auf Nachfrage der Polizei augenscheinlich zurechnungsfähig. Laut Polizei lag bei dem 91-Jährigen "keine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit vor". Die Beamten gehen aber davon aus, dass er vermutlich nicht in der Lage war, auf die Situation "adäquat zu reagieren".

Diskussion auf Social Media: Zu alt für den Führerschein?

Auf Instagram und Facebook fragen sich viele, ob der 91-Jährige seine Fahrerlaubnis behalten soll oder nicht. Einige fordern die Abgabe des Führerscheins. Der Grund: sein Verhalten am Unfallort. Ein User schreibt: "Mal wieder ein Beweis dafür, dass es mit Freiwilligkeit und Einsichtsfähigkeit nichts wird. Ab dem 75. Lebensjahr regelmäßige Tauglichkeitsprüfung. Die Schweiz macht es vor."

Alter hin oder her, bei solch einem Verhalten darf es nicht erlaubt sein, ein Fahrzeug zu führen. Wer die Verkehrsregeln nicht versteht, hat im Straßenverkehr nichts verloren.

Ein anderer stellt die Frage in den Raum, ob das Alter oder die Tat entscheidend ist: "Gilt das nicht auch für alle Gaffer und Drängler, Heizer und Falschparker, die Rettungskräfte nötigen, behindern, bespucken und angreifen?"

Ähnlich sieht das auch eine Nutzerin auf Facebook. Sie habe nach eigenen Angaben in einer Stelle gearbeitet, bei der die Fahreignung von Menschen getestet wird: "Vorfälle mit Senioren sind in der absoluten Minderheit. Vielen Dank für das abstruse Meinungsbashing. Regt euch lieber über Drängler, Raser auf und über Verkehrsteilnehmer unter Alkohol- oder Drogeneinfluss."

Zusammenstoß noch in letzter Sekunde verhindert.

Ab wann darf die Polizei den Führerschein beschlagnahmen?

Den Führerschein des Seniors hatte die Polizei nicht beschlagnahmt. Der Grund: Ein Staatsanwalt muss darüber entscheiden. Den Führerschein wegzunehmen "ist nur nach einer Einzelfallprüfung und einer Anordnung der Staatsanwaltschaft in so einem Fall möglich", sagt eine Sprecherin der Polizei Konstanz.

Ob der 91-Jährige weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen könne, werde nun bei der Führerscheinstelle überprüft, so Nicole Minge. Die Behörde kann zunächst anordnen, dass die Fahruntüchtigkeit des Seniors überprüft wird. Das geht über eine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU).

Was kommt jetzt auf den Senior zu?

Nach Angaben der Polizei muss sich der 91-Jährige jetzt wegen des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr und der Missachtung von polizeilichen Weisungen verantworten. Im Strafgesetzbuch Paragraf 315 heißt es dazu, dass allein der Versuch eines Eingriffs in den Luftverkehr strafbar ist. Je nach Schwere der Tat ist eine Geldstrafe fällig oder eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

ADAC empfiehlt Fahrsicherheitstraining für Senioren

Für Seniorinnen und Senioren ab 60 Jahren bietet der ADAC Baden-Württemberg sogenannte Fahrfitness-Checks an. Ein Fahrlehrer fährt dann im Auto des Seniors mit und überprüft die Fahrtüchtigkeit. Dabei werden bekannte Strecken abgefahren und allgemein Fragen gestellt, erklärt Holger Bach von der Abteilung Verkehr und Umwelt. Generell empfiehlt der ADAC Fahrsicherheitstrainings, an denen Senioren teilnehmen können.

Beim Fahrfitness-Check wollen die Fahrlehrer erfahren, wie es für die älteren Fahrer ist bei Tag oder Nacht zu fahren. Auch das Auto wird überprüft. Häufig seien Spiegel nicht korrekt eingestellt. Dadurch könnte es zu Unfällen kommen. Der ADAC kann die medizinische Überprüfung empfehlen, aber nicht anordnen. Grundsätzlich sehe man kein Defizit bei der Fitness von älteren Autofahrern, so Holger Bach.

Senioren sollen freiwillig zum Arzt

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte bereits im März dem SWR, er halte nichts davon, wenn der Führerschein abgegeben werden müsse. Allerdings sei es problematisch, wenn er bis zum Lebensende nicht mehr überprüft wird. Hermann befürwortet eine freiwillige Überprüfung der Fahrtüchtigkeit durch Fahrlehrer oder Ärzte.

Ende Februar hat das EU-Parlament beschlossen, dass regelmäßige, verpflichtende Medizinchecks für Autofahrer Ländersache bleiben.

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