Damit Stromautobahnen schneller gebaut werden, sind Milliarden-Investitionen nötig. Die EnBW will durch einen Teilverkauf von TransnetBW Geld in die Kassen spülen. Doch Zweifel an dem Deal wachsen.
Ein neues wissenschaftliches Gutachten rät von der geplanten Teilprivatisierung der EnBW-Tochter TransnetBW ab. Im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) haben Experten von drei Universitäten den geplanten Verkauf von 49,9 Prozent der Anteile an dem Stromnetzbetreiber untersucht.
Im Fazit ihres Gutachtens, das dem SWR vorliegt, heißt es: "Es ist im Interesse der 'schwäbischen Hausfrau', dass TransnetBW nicht teilprivatisiert wird und dass stattdessen das Land Baden-Württemberg die zum Verkauf stehenden Anteile am Betreiber des baden-württembergischen Stromübertragungsnetzes von der EnBW erwirbt." Das Land selbst, das am Karlsruher Versorger EnBW beteiligt ist, hält die Teilprivatisierung dagegen für sinnvoll, um frisches Geld für den Ausbau der Netze zu mobilisieren.
Experten warnen vor höheren Strompreisen
Die Wissenschaftler der Universitäten in Weimar, Frankfurt am Main und der TU Berlin kommen dagegen zu dem Ergebnis, dass es für Verbraucher und Unternehmen finanziell besser wäre, wenn das Übertragungsnetz in öffentlicher Hand bliebe. Der Staat profitiere langfristig von Gewinnausschüttungen und könne das Geld über Umwege an Bürger und Firmen zurückgeben. Bei einem Einstieg von Investoren drohten dagegen höhere Strompreise. "Letztendlich kann festgehalten werden, dass die zu erwartenden finanziellen Nachteile für das Land Baden-Württemberg bzw. für seine Bürger/innen und Unternehmen als das zentrale Argument gegen eine Teilprivatisierung von TransnetBW anzusehen sind."
Gutachten: Kapitalspritze wäre trotz Schuldenbremse möglich
Nach Meinung von Thorsten Beckers, Professor für Infrastrukturwirtschaft- und Management an der Bauhaus-Universität in Weimar, und seinen Kollegen spricht nichts dagegen, dass das Land hier selbst Milliarden über seine Beteiligung bei der EnBW in den Ausbau der Übertragungsnetze investiert. Die Schuldenbremse erlaube solche Kapitalspritzen bei Stromübertragungsnetzen.
Es sei auch nicht zu erwarten, dass die Kreditwürdigkeit des Landes darunter leide. "Somit sind die Sichtweisen des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und des baden-württembergischen Finanzministers Dr. Danyal Bayaz bezüglich der geplanten Teilprivatisierung von TransnetBW weder aus rechtlicher noch aus ökonomischer Sicht nachvollziehbar", schreiben die Experten.
CDU-Fraktionschef: "Land könnte Anteile an Transnet übernehmen"
Die CDU-Fraktion in Baden-Württemberg dringt darauf, dass die öffentliche Hand Anteile der EnBW-Tochter Transnet übernimmt. "Wir glauben, dass diese öffentliche Infrastruktur auch in die öffentliche Hand gehört", sagte CDU-Fraktionschef Manuel Hagel am Freitag. Er stieß eine Debatte darüber an, ob das Land die Anteile an dem Netzbetreiber nicht selbst übernehmen könne. "Mit uns kann man da über alles sprechen." Das Land hält schon jetzt einen Anteil am Karlsruher Versorger EnBW.
CDU will chinesischen Staatsfonds und Blackrock weghalten
Hagel sagte weiter, es müsse nicht zwingend eine Kapitalspritze des Landes sein. "Die öffentliche Hand ist ja nicht das Land allein." Der CDU-Politiker spielte damit darauf an, dass der Bund über die staatliche Bank KfW die Anteile übernehmen könnte. Die KfW hat bereits ein Vorkaufsrecht auf knapp 25 Prozent an Transnet. Zudem ist dem Vernehmen nach ein Bieterkonsortium mit den Sparkassen in Baden-Württemberg und der LBBW an den anderen Anteilen interessiert. Hagel betonte: "Wir wollen keinen chinesischen Staatsfonds oder Blackrock."
Aber selbst bei einem Verkauf sei noch nicht geklärt, woher das Geld für die nötigen Investitionen in den Ausbau des Netzes herkommen soll. Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hatte neulich erklärt, es würden etwa zehn Milliarden Euro benötigt. Der Verkauf der Anteile an Transnet soll dem Vernehmen nach etwa eine Milliarde Euro bringen.
Grünen-Fraktionschef schließt Einstieg des Landes aus
Auch die Grünen-Fraktion pocht darauf, dass die Anteile nicht in die Hände von fremden Investoren fallen. Einen Einstieg des Landes schloss Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz aber aus: "Nein, ein Kauf des Netzes durch das Land ist nicht geplant. Die EnBW hat einen anderen Weg eingeschlagen und sucht einen privaten Partner", sagte Schwarz dem SWR.
Schwarz hatte zuvor in einer Pressekonferenz gesagt, auch in seiner Fraktion gebe es eine Debatte über die Frage, ob der Verkauf der Anteile der richtige Weg sei. Schwarz hält es jedoch für gut, dass die EnBW den Verkaufsprozess gestartet habe, weil sie mehr Kapital für den Ausbau der Erneuerbaren Energien benötige. "Wir sind der festen Überzeugung, dass es weitere Investitionen braucht." Es sei aber wichtig, "dass die EnBW Mehrheitsgesellschafter von Transnet bleibt". Zudem müssten strenge Auswahlkriterien bei den Investoren gelten: "Beim Verkauf von Minderheitsbeteiligungen dürfen nur vertrauenswürdige und verantwortungsvolle Käufer zum Zug kommen", so Schwarz.
BUND und SPD: Kritische Infrastruktur gehört in öffentliche Hand
BUND-Landeschefin Pilarsky-Grosch sagte dem SWR, sie sehe sich bestätigt. Sie findet, kritische Infrastruktur gehöre in die Hand des Staates. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch äußerte sich ähnlich: "Die Ergebnisse des Gutachtens bestätigen, was unsere Fraktion seit Wochen fordert: Kritische Infrastruktur muss in öffentlicher Hand bleiben. Eindeutig ergibt sich aus dem Gutachten, dass weder aus politischer und rechtlicher Sicht, aber eben auch aus wirtschaftlicher Sicht eine Teilprivatisierung sinnvoll ist."
Für den Trassenausbau: EnBW plant Teilverkauf von TransnetBW
TransnetBW betreibt eines von vier Übertragungsnetzen in Deutschland. Diese werden genutzt, um Strom über lange Strecken zu transportieren - beispielsweise Windstrom von Nord nach Süd. Um den Ausbau der Trassen zu finanzieren, plant die EnBW einen Teilverkauf von TransnetBW. Bislang ist der Stromnetzbetreiber eine hundertprozentige Tochter. Die EnBW wiederum befindet sich größtenteils in öffentlicher Hand, unter anderem ist das Land Baden-Württemberg an ihr beteiligt.
Bieterverfahren hat bereits begonnen
Das Bieterverfahren für den Verkauf läuft längst. Die staatliche Bank KfW hat ein Vorkaufsrecht für einen Anteil von 24,95 Prozent. Am zweiten Anteil ist dem Vernehmen nach der Sparkassenverband Baden-Württemberg interessiert. Für den Fall, dass die Anteile tatsächlich verkauft werden, plädieren die vier Wissenschaftler dafür, dass der Bund über die KfW 49,9 Prozent der Anteile übernimmt.