Tanzen, feiern und in einem Club den Feiertag genießen? Für viele Menschen in BW bleibt das am Karfreitag Wunschdenken. Der Grund: Das Tanzverbot.
Von Gründonnerstag, 18 Uhr, bis Karsamstag, 20 Uhr, gilt in Baden-Württemberg ein Verbot von Tanzveranstaltungen. Clubs dürfen in dieser Zeit niemanden auf die Tanzfläche lassen. Bei Verstößen drohen Bußgelder für die Veranstalterinnen und Veranstalter. Was sich wie ein Rückfall in vergessene Corona-Zeiten anfühlt, hat im Land Tradition. Das baden-württembergische Feiertagsgesetz ist streng. Über den Karfreitag hinweg soll Christinnen und Christen Raum gegeben werden, an die Kreuzigung Jesu zu denken. Viele Menschen finden das nicht mehr zeitgemäß.
Gaststättenverband fordert Regel abzuschaffen
Der baden-württembergische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) fordert etwa, das Tanzverbot abzuschaffen. Obwohl die Clubs und Diskotheken im Land rein formal geöffnet werden dürfen, lohne sich das für die Betreiberinnen und Betreiber nicht, wie ein Verbandssprecher mitteilte. Gäste kämen in keinen Club, in dem nicht getanzt werden dürfe. "Für die gastronomischen Betriebe kommen diese Regelungen einer Schließung gleich", so der Sprecher.
Zuspruch für das Tanzverbot kommt aus dem Innenministerium
Während die Club- und Diskothekenbranche das Tanzverbot zumeist ablehnt, hält BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU) daran fest. Der Minister teilte am Donnerstag mit, für ihn sei die Regelung nach wie vor zeitgemäß. Der Karfreitag dürfe nicht zu einem Tag wie jeder andere werden. Es tue allen gut, an dem Tag bewusst zur Ruhe zu kommen, so Strobl. Vertreterinnen und Vertreter der christlichen Kirchen stimmen dem zu.
Eine besondere Feiertagsruhe sei gut, sagte etwa Ernst-Wilhelm Gohl, der evangelische Landesbischof von Württemberg. "Es steckt eine tiefe Weisheit in dieser besonderen Ausrichtung im Gegensatz zu unserer lauten Welt", so Gohl am Donnerstag. Auch nach Ansicht der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart ist der Karfreitag "mit ausgelassenem Feiern und Tanzen nicht in Einklang zu bringen".
Osterfeiertage Tanzverbot an Karfreitag: Zeichen des Respekts oder übergriffige Bevormundung?
Der Karfreitag steht im Christentum für Verzicht, unter anderem auf das Feiern. Vielen Menschen ist der stille Feiertag mit dem auferlegten Tanzverbot jedoch ein Dorn im Auge.
"Heidenspaß" im Stuttgarter LKA Longhorn
Die Betreiberinnen und Betreiber von Clubs, Hotels und Gaststätten, die vom Dehoga vertreten werden, sehen das anders. Gastronomen würden gegenüber anderen Veranstaltungen benachteiligt. "Auf den Bühnen von Theatern darf getanzt werden, aber ein Konzert mit Tanzdarbietung in der Gastronomie ist nicht zulässig", so der Sprecher des Dehoga. Tatsächlich ist die Art der Veranstaltung beim Anwendungsbereich des Tanzverbots entscheidend. Das macht sich zum Beispiel der Stuttgarter Club LKA Longhorn zunutze.
In diesem darf nämlich auch am Karfreitag die Tanzfläche gestürmt werden. Die Giordano-Bruno-Stiftung, die sich für die Trennung von Staat und Kirche einsetzt, veranstaltet im LKA Longhorn eine Party. Diese findet unter dem Titel "Heidenspaß" statt. "Dass man gezwungen werden soll, sich in Trauer und Gebet zurückzuziehen, obwohl man niemand anderen stört, kann aus unserer Sicht in einem weltanschaulich neutralen Staat nicht sein", sagte Ingmar Schwarz, der Pressesprecher der Stiftung auf SWR-Nachfrage. Gläubige Menschen könnten gerne wie sie wollen ihren Karfreitag begehen. "Wenn man einer anderen als der christlichen Weltanschauung angehört, muss man sich von dem Verbot befreien lassen können, um den Tag gemäß den eigenen Vorstellungen zu gestalten", so Schwarz.
Veranstaltung im LKA ist "Meinungskundgabe zu den feiertagsrechtlichen Vorgaben"
Die Giordano-Bruno-Stiftung profitiert bei ihrer Veranstaltung im Club LKA Longhorn von einer Ausnahmebewilligung, die auf Antrag bei der Polizeibehörde eingeholt werden kann. Dass die Veranstaltung stattfinden darf, liegt auch an den besonderen Umständen, unter denen die Veranstalter die Party angemeldet haben, wie die Stadt Stuttgart dem SWR mitteilte. So diene die Veranstaltung im LKA der "Meinungskundgabe zu den feiertagsrechtlichen Vorgaben" und dem "Ausdruck einer Weltanschauung" der Veranstalter. Bevor von 21 bis 24 Uhr getanzt werden darf, wollen diese ab 19:30 Uhr den Club nutzen, um ihre Meinung zum Tanzverbot zu vermitteln. Das geschieht laut Veranstalter durch "ein Wort zum Karfreitag mit humanistischem Tanzsegen".
Eine landesweite Statistik zur tatsächlichen Durchsetzung des Tanzverbots gibt es nicht. Die Einhaltung wird von der örtlichen Polizei kontrolliert. In Stuttgart überprüft die Polizei die Einhaltung stichprobenartig bei Streifenfahrten oder nach Beschwerden über Ruhestörungen. Spezielle Kontrollfahrten gibt es nicht.
Bundesverfassungsgericht erlaubt Ausnahmen
Dass der "Heidenspaß" in Stuttgart stattfinden kann, geht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016 zurück, in der das Gericht das Tanzverbot an Karfreitag zwar billigte, aber auch Ausnahmen möglich machte. Beschwerdeführer war damals der "Bund für Geistesfreiheit" aus München. 2018 setzte sich dann die Giordano-Bruno-Stiftung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart durch, und konnte erstmals eine "Heidenspaß-Party" in der Landeshauptstadt ausrichten. Seitdem wird der Veranstaltung von der Stadt eine Erlaubnis erteilt, wie die Stadt mitteilte. Das aus dieser Ausnahme eine Regel wird, ist aber nicht abzusehen: "Reguläre Partygängerinnen und Partygänger müssten am Karfreitag auch in Stuttgart "die Füße still halten", so die Stadt in einer Pressemitteilung.
In Karlsruhe wird gegen das Tanzverbot demonstriert
Die Füße nicht still halten werden am Karfreitag viele Menschen in Karlsruhe. Auch hier wird getanzt, allerdings im Rahmen einer Demonstration. Ab 14 Uhr will die Karlsruher Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung auf dem Platz der Grundrechte mit einer Tanzdemonstration "auf religiös motivierte Gesetze aufmerksam machen, die gegen das Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates verstoßen". Erwartet werden unter dem Motto "Eiertanz zum Hasenfest" bis zu 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Das Tanzverbot am Karfreitag wird in Baden-Württemberg also nicht mehr überall bedingungslos hingenommen. Zugleich macht die Politik noch keine Anstalten, dass sich an den Feiertagsgesetzen, die das Tanzen übrigens auch an anderen Feiertagen wie zum Beispiel Allerheiligen beschränken, in nächster Zeit etwas ändern könnte.