Im Schwarzwald wurde eine Wölfin nachgewiesen - die erste in BW seit über 100 Jahren. In der Schweiz gibt es schon länger sogenannte Fähen. Was wir von den Nachbarn lernen können.
Nach dem Nachweis der ersten Wölfin in Baden-Württemberg werden wieder Rufe nach einem Abschuss der Tiere laut. Vor allem bei Landwirtinnen und Landwirten etwa im Schwarzwald ist die Sorge groß, dass es bald ein Wolfsrudel und damit noch mehr tote Ziegen und Kälber geben könnte. Expertinnen und Experten jedoch raten von voreiligen Schlüssen ab: Mehr Wölfe und Wolfsrudel führten nicht automatisch zu mehr Rissen von Nutztieren. Sinnvoller sei der richtige Herdenschutz.
Mehr als 20 Wolfsrudel in der Schweiz
Ralph Manz ist Wolfsexperte beim schweizerischen Forschungsinstitut KORA und seit 2012 für das Wolfsmonitoring tätig. Die Schweiz hat viel Erfahrung mit dem Wolf, dort wächst die Population. Waren es im vergangenen Jahr um die 17 Rudel, sind es jetzt schon mehr als 20. Denn bei den schweizerischen Nachbarn gibt es seit Jahren auch weibliche Wölfe - sogenannte Fähen - und somit auch immer wieder Jungtiere. Eine Wölfin bekommt im Schnitt drei bis acht Junge jährlich, manchmal seien es sogar neun, sagt Manz.
Manz betont, dass mehr Rudel nicht automatisch zu mehr Rissen an Nutztieren führten. Dort, wo in der Schweiz Herdenschutz betrieben wird, seien die Übergriffe auf Nutztiere stark gesunken. Hinzu komme, dass Wölfe nur dann Nutztiere jagten, wenn die Wildtierpopulation schlecht sei. Denn Wölfe in Mitteleuropa ernähren sich zu 90 Prozent von Wildtieren wie Rehen, Gämsen oder Wildschweinen. In der Schweiz wurden im Jahr 2021 um die 800 Nutztiere von Wölfen gerissen. Darunter waren hauptsächlich kleine Nutztiere wie Kälber, Schafe oder Ziegen.
Diese Einschätzung teilt der Wolfsexperte der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg, Micha Herdtfelder. In anderen Ländern würden Wölfe bejagt. Dort zeige sich, dass das Jagen der Wölfe keinen Effekt auf die Zahl der Übergriffe habe. Entscheidend sei vielmehr der Herdenschutz, sagt Herdtfelder.
Wölfin riss sieben Ziegen im Münstertal
Die im Südschwarzwald nachgewiesene Wölfin hatte in Münstertal (Breisgau-Hochschwarzwald) sieben Ziegen gerissen. Anhand der Rissspuren war sie am Dienstag genetisch überführt worden. Jetzt ist unklar, ob die Wölfin noch durch den Schwarzwald streift und sich dort niederlässt, um womöglich eine Familie zu gründen.
Sollte sich die Wölfin mit einem der drei residenten Wolfsrüden paaren, könnte es in diesem Frühjahr schon Nachwuchs geben - und womöglich noch mehr Nutztierrisse, fürchtet der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband (BLHV). Er fordert deshalb eine Änderung des EU-Rechts.
Wolfsschutz ist Voraussetzung für Entschädigung
Nach aktueller EU-Rechtslage dürfen in Deutschland Wölfe nicht ohne Grund geschossen werden. Erst wenn sie zum Beispiel zweimal einen wolfsabweisenden Zaun überwunden haben, ist der Grund gegeben. Ein solcher Wolfsschutz ist auch Voraussetzung, um eine Entschädigung vom Land Baden-Württemberg zu bekommen.
Manfred Schelb ist Ziegenhalter im Münstertal - auf seinem Hof waren die sieben Ziegen gerissen worden. Seine frisch geborenen Zicklein lässt er nun lieber im Stall. Eigentlich weiden seine Tiere weiter weg, in steilem Gelände. Sie halten die typischen Schwarzwaldwiesen offen, so dass sie nicht verbuschen. Wie viele andere Landwirte hat Schelb noch keinen wolfsabweisenden Zaun errichtet.
Wölfin immer noch im Schwarzwald?
Es kann sein, dass sich die Wölfin immer noch im Schwarzwald aufhält. Wolfs-Experte Micha Herdtfelder: "Man weiß nicht, warum eine Wölfin sagt: Hier bleibe ich. Wann der Trieb aufhört, weiterzuwandern. Das lässt sich wirklich nicht vorhersagen." Es könne auch sein, dass sich die Wölfin im Schwarzwald niederlässt, ohne einen Partner zu finden. "So oder so wird sich wohl früher oder später ein Rudel hier bilden."
Langfristig soll das Wolfmonitoring in Baden-Württemberg verstärkt werden, um schnell feststellen zu können, wenn eine Wölfin dauerhaft im Schwarzwald lebt. Das Land empfiehlt bei der Nutztierhaltung innerhalb der gesamten Förderregion Schwarzwald, wolfsabweisende Schutzzäune zu installieren - ganz unabhängig davon, ob sich Rudel bilden oder nicht. Für Ziegenhalter Manfred Schelb bleibt nun die Frage, ob er nicht doch einen Zaun aufstellt.