Die ersten Erdarbeiten für den neuen Stadtteil Dietenbach im Westen von Freiburg haben begonnen. Das Milliarden-Projekt hat aber weiterhin Gegner. Ein Überblick.
Der nächste Schritt auf dem Weg zum neuen Stadtteil Dietenbach ist getan: Bald werden der Stadt Freiburg 96 Prozent der Grundstücke gehören. Der Freiburger Gemeinderat hat am Dienstag dem Kauf der Sparkassen Tochter "Entwicklungsmaßnahme Dietenbach GmbH & Co. KG" (EMD) mit einer Mehrheit beschlossen und damit zugestimmt, über 50 Prozent der Dietenbach-Grundstücke zu übernehmen.
Damit bekommt die Stadt Freiburg die Planungshoheit über das Bauprojekt, das für die Dauer von rund 20 Jahre angesetzt ist. Denn mit dem Verkauf der EMD ist die Sparkasse rein rechtlich aus dem Projekt raus. Sie hat sich aus dem Projekt zurückgezogen, weil "Chancen und Risiken in einer Hand liegen sollen". Bei der langen Projekt-Laufzeit von 20 Jahren war das Risiko für die Sparkasse zu schwer einzuschätzen, so Daniel Zeiler, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau.
Stadt Freiburg hat nun Planungshoheit
Rund 63 Millionen Euro muss die Stadt für die Gesellschaft der Sparkasse zahlen. Zusammen mit Personal- und Finanzierungskosten würden dies Mehrausgaben von über 100 Millionen Euro bedeuten. Mit dem Ankauf der EMD sind Kaufoptionen von über 400 Grundstücken verbunden. Die aktuell noch verschiedenen Eigentümern gehören. Die Stadt will die Grundstücke bis Ende des Jahres 2023 erwerben und anschließend weiter verkaufen.
Baukosten und Zinsen gestiegen: Projekt wird teurer
Jetzt hat die Stadt die Möglichkeit, die gesamte Fläche zu entwickeln. Das ist auch mit Risiken verknüpft: So ist das Projekt laut Stadt bereits um rund 280 Millionen Euro teurer geworden. Allein die Baupreise im Bereich des Straßen- und Hochbaus seien um rund 44 Prozent gestiegen. Zu den höheren Kosten entgegnete der Baubürgermeister Martin Haag dem SWR: "Das kann ja nicht unsere Motivation sein, zu sagen, wir lassen das Projekt sein. Die Leute suchen immer noch Wohnungen, sie brauchen die Wohnungen." Auch fordert er Unterstützung von Bund und Land. Derzeit wird mit Gesamtkosten von rund 1,3 Milliarden Euro geplant.
Umweltschutzverbände lehnen neuen Stadtteil in Freiburg ab
Verschiedene Freiburger Umweltschutzverbände kritisieren den Bau des neuen Stadtteils Dietenbach weiter. Die Bürgeraktion "Dietenbach ist überall" und der Verein "ECOtrinova e.V." lehnen den Ausbau ab. Aus ihrer Sicht gibt es genug wohnbauliche Alternativen zum Beispiel in Tiengen, Opfingen, Lehen, Landwasser oder im Stadtteil Stühlinger. Sie finden, dass es im Freiburger Stadtgebiet einige zu große Wohnungen, viel Leerstand aber auch Zweckentfremdungen gibt.
Den Argumenten widerspricht der Dietenbach-Projektleiter Rüdiger Engel. Wohnraum würde in Freiburg an einer Stadtbahn-Achse gebraucht. Wenn die Menschen ins Umland gingen, wäre der Flächenverbrauch dort drei bis viermal so groß. Denn im Umland würde nicht so eng und hoch gebaut - vier- bis zwölfgeschossig - wie im zukünftigen Stadtteil Dietenbach.
"Hände weg vom Dietenbachwald" für den Erhalt des Waldes
Auch das Aktionsbündnis "Hände weg vom Dietenbachwald" kritisiert das Bauprojekt. Die Aktivistinnen und Aktivisten sind gegen eine Abholzung von rund vier Hektar des Dietenbachwaldes. Zum Bündnis gehören Menschen aus Freiburg, aber auch Vereine wie Parents For Future, der NABU oder der BürgerInnenverein Rieselfeld. Rund 20 Waldbesetzer, die im Dietenbachwald abwechselnd schlafen, unterstützten das Aktionsbündnis. Harald Kiefer vom BürgerInnenverein Rieselfeld: "Abgesehen von einzelnen Gemeinderäten, fehlt im Gemeinderat der politische Wille, die Bäume zu erhalten." Das Bündnis ist nicht gegen den neuen Stadtteil, aber für den Wald.
Laut den aktuellen Plänen der Stadt sollen Teile des Waldes unter anderem für neue Stromleitungen, einen Radweg und eine Straßenbahntrasse abgeholzt werden. Rüdiger Engel sagt, man habe bereits Varianten für den Bau der Straßenbahn geprüft. Die derzeit geplante Wegeführung sei die ökologisch sinnvollste, so der Projektleiter.
Ein weiterer Streitpunkt ist der neue Schul- und Sportcampus. Auf dem Gebiet stehen Teile des umkämpften Waldes. Im März wird bekannt werden, welcher Vorschlag den Architekten-Wettbewerb gewonnen hat und wie viele Bäume dadurch erhalten bleiben. Engel stellt aber auch klar, dass die Stadt bereits vier Hektar Ausgleichsfläche in der Region für neue Bäume erworben hat.
Dietenbach wird 2023 zur "Schwammstadt"
Bis zum Sommer wird der Dietenbach für den Hochwasserschutz renaturiert. Auch wird das Gelände im Bereich der zukünftigen Wege um zwei bis zweieinhalb Meter aufgeschüttet. Denn der neue Stadtteil soll zu einer sogenannten Schwammstadt werden. Bei dieser fließt das Regenwasser nicht in die Kanalisation, sondern wird im speziell vorbereiteten Boden aufgenommen und gespeichert. Das soll Überschwemmungen verhindern und für ein besseres Stadtklima sorgen. Im Jahr 2023 werden außerdem Artenschutzmaßnahmen durchgeführt. So werden alternative Futtergebiete für Vögel geschaffen.
Ein ökologischer und sozialer Stadtteil mit klimaneutraler Energieversorgung, Holzfassaden und 50 Prozent sozialem Wohnungsbau ist geplant. Rund 20 Jahre wird es dauern, bis alle 7.000 Wohneinheiten - Lebensraum für über 15.000 Menschen - fertig sind. Zuerst werden Wege, Schulen, Supermärkte, ein Stadtteil-Treff und über 1.500 Wohnungen gebaut. Der Bau dieses ersten Abschnitts beginnt 2024, so der derzeitige Plan der Stadt.