Seit eineinhalb Jahren berät der Freiburger Klaus Hoffmann ukrainische Behörden dabei, mutmaßliche Gräueltaten in der Ukraine aufzuklären. Eine Aufgabe, die ihn an seine Grenze bringt.
Noch steckt Klaus Hoffmann die Reise von Kiew nach Freiburg in den Knochen. 34 Stunden war er unterwegs - aus der ukrainischen Hauptstadt in seine Heimatstadt Freiburg. Jetzt steht er in seiner Küche in Freiburg Mooswald und gießt einen Tee auf. Doch die Eindrücke des Krieges hallen auch im Breisgau noch nach. Denn die Schrecken des Krieges aufzudröseln, das ist seine Arbeit in der Ukraine: Oberstaatsanwalt Klaus Hoffmann berät die ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft bei der Ermittlung von mutmaßlichen Kriegsverbrechen.
Er muss sich dabei mit dem Leid beschäftigen, von dem sich andere abwenden: den mutmaßlichen Kriegsverbrechen durch die russische Armee in Butscha und Irpin. Der Gewalt gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Den möglichen Vergewaltigungen, Folterungen und Morden. All das sind nach den Genfer Konventionen Kriegsverbrechen.
Als Oberstaatsanwalt in Freiburg beurlaubt
Für diese Arbeit in der Ukraine ist Klaus Hoffmann von seiner Tätigkeit als Oberstaatsanwalt in Freiburg und Leiter der Abteilung für Drogen und Organisierte Kriminalität beurlaubt. Hoffmann hat bereits als Staatsanwalt am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien gearbeitet - das Kriegsverbrechertribunal, das Ratko Mladic, General der bosnischen Serben, wegen des Völkermords von Srebrenica zu lebenslanger Haft verurteilt hat. Nun berät er die ukrainischen Behörden bei den Ermittlungen.
Die Jugoslawien-Prozesse hätten ihm deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass die Opfer an einem Punkt zu Wort kommen. Dass sie selbst ihre Geschichte erzählen können. Im besten Fall im Angesicht des Angeklagten.
Kommandostruktur soll ermittelt werden: Wer gab die Befehle?
In der Ukraine steht Klaus Hoffmann der Generalstaatsanwaltschaft beratend zur Seite. Wie vernehme ich Zeugen? Welche Fragen müssen die Ermittelnden etwa russischen Kriegsgefangenen stellen, welche Beweise sichern, um später mögliche Täter in einem Gerichtsprozess für die Taten wegen Kriegsverbrechen zu belangen? Es gehe dabei nicht nur darum, aufzuklären, ob ein russischer Soldat in Butscha einen Zivilisten getötet habe. Ziel sei es, die Kommandoebene und die politische Führung zur Rechenschaft zu ziehen.
Geschehen in der Ukraine sehr gut dokumentiert
Der Vorteil: Das Geschehen in der Ukraine sei auch wegen der vielen Handyvideos und Überwachungskameras sehr gut dokumentiert, sagt Hoffmann. Der Nachteil: Die damit einhergehende Datenflut stelle die Ermittlerinnen und Ermittler auch vor immense Herausforderungen. Alles, auch die Metadaten, müssten gesichtet und gesichert werden. Das Jugoslawien-Tribunal habe gezeigt, wie sehr sich Prozesse verzögern können. Die Beweismittel müssten auch in 40 Jahren verwendet werden können. Nur so könne die Geschichte festgeschrieben werden.
Wie geht Klaus Hoffmann damit um, fast täglich mit dem Abgrund des menschlichen Handelns konfrontiert zu werden? Es sei nicht einfach, sagt er. Zu sehen, was Menschen einander antun können. Als gläubiger Christ stelle er sich schon die Frage: Wie kann Gott so etwas zulassen? Es helfe ihm, die Zweifel, die Wut und Hoffnungslosigkeit vor Gott zu bringen. Sein Glaube gebe ihm auch die Kraft weiterzumachen.
Und das will er: weitermachen. Zumindest noch für eine Weile. Er will, dass die Gräueltaten des Krieges in der Ukraine vor Gericht gebracht werden können, dass die Prozesse Signalwirkung haben. Er sei nicht naiv. Der Einfluss seiner Arbeit auf laufende Tätergruppe werde wohl sehr überschaubar bleiben.