Am Landgericht Gießen hat am Dienstag der Prozess im Fall der getöteten Ayleen aus Gottenheim begonnen. Vor Gericht räumte der 30-jährige Angeklagte die Tat erneut ein.
Am ersten von insgesamt 15 angesetzten Prozesstagen am Landgericht Gießen hat der Angeklagte Jan P. die Tötung der Schülerin aus Baden-Württemberg erneut eingestanden. Er soll die 14-Jährige am 21. Juli 2022 mit dem Auto in Gottenheim (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) abgeholt haben und mit ihr nach Hessen in eine Waldgemarkung bei Langgöns-Cleeberg (Landkreis Gießen) gefahren sein.
Angeklagter bestreitet sexuelle Motive für seine Tat
Auf der Fahrt sei es dann zu einem Streit gekommen, bei dem ihn die 14-Jährige provoziert und beleidigt haben soll, hieß es in einer Erklärung des 30-Jährigen, die einer seiner Anwälte zum Prozessauftakt am Dienstag verlas. Daraufhin habe er sie getötet, so die Ausführungen des Beschuldigten. Ihm zufolge hat die 14-Jährige die "Nähe gesucht", sie sei freiwillig mitgekommen und zur Tötung sei es nur im Rahmen des Streits gekommen.
Laut Staatsanwalt Thomas Hauburger passt die Darstellung von Jan P. in keiner Weise zu den Ermittlungsergebnissen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat der Angeklagte Ayleen massiv unter Druck gesetzt, damit sie ins Auto stieg. Der Mord sei außerdem im Rahmen einer versuchten Vergewaltigung passiert.
Entscheidend zur Festnahme des mutmaßlichen Täters habe die Arbeit der Freiburger Polizei beigetragen. Dadurch konnten die Funkzellendaten rechtzeitig gesichert werden, die letztlich auch dazu beigetragen haben, dass die Leiche gefunden werden konnte.
Liste der Anklage ist lang
Der 30-Jährige ist unter anderem wegen Mordes zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und mit Verdeckungsabsicht, versuchter Vergewaltigung mit Todesfolge angeklagt. Außerdem soll er sich kinderpornografisches Material verschafft haben. Der Angeklagte soll einen Monat vor der Tat eine 13-Jährige dazu gebracht haben, ihm Nacktbilder von sich zu schicken. Fragen werde er im Laufe des Gerichtsverfahrens nicht beantworten.
"Es stehen Vorwürfe im Raum, die zu Lebenslang, zur Annahme der besonderen Schwere der Schuld und zu Sicherungsverwahrung führen können", sagte Henner Maaß, einer der beiden Verteidiger des Angeklagten. Für Maaß wäre es schon ein Erfolg, wenn einer der Anklagepunkte abgewendet werden könne.
Staatsanwalt: Mord aus sexuellen Motiven
Die Staatsanwaltschaft geht weiter von sexuellen Motiven für die Tat aus. Im Bereich eines Feldweges soll der Angeklagte das Mädchen getötet und anschließend ihren Leichnam zum Teufelsee bei Echzell (Wetteraukreis) gebracht haben.
Eine Woche nach ihrem Verschwinden war der Leichnam der 14-Jährigen gefunden worden. Noch am selben Tag wurde der Angeklagte in Friedrichsdorf (Hochtaunuskreis) bei Frankfurt von Ermittlerinnen und Ermittlern festgenommen.
In Gottenheim ist Ayleen weiterhin präsent
Auch in Gottenheim und den umliegenden Gemeinden blicken viele gespannt auf den Prozess am Landgericht Gießen. "Mich interessiert das sehr und ich hoffe, dass er richtig verknackt wird", so eine Bürgerin aus Gottenheim gegenüber SWR4.
Es sei zwar etwas ruhiger geworden, doch vergessen habe man Ayleen nicht.
Pfarrer unterstützt die Menschen im Ort
Pfarrer Christian Heß rechnet damit, dass mit dem Prozess bei einigen die schmerzhaften Erinnerungen auch wieder stärker werden. Seit dem Tod der 14-Jährigen im letzten Jahr habe er die Familie und auch die Menschen im Ort bei ihrer Trauer unterstützt. In den Gesprächen im Ort sei Ayleen immer noch präsent.
Auch er wird den Prozess aufmerksam verfolgen und für jeden Prozesstag eine Kerze anzünden. "Ich vertraue auf den Rechtsstaat, ich vertraue darauf, dass Gerechtigkeit geschieht und davon verspreche ich mir auf die Dauer eine heilende Wirkung", so der katholische Pfarrer.
Kontakt über "Snapchat"
Ausgetauscht hatten sich das Mädchen und der mutmaßliche Täter über den vor allem bei jüngeren beliebten Messenger-Dienst "Snapchat". Darüber soll der Angeklagte seit April 2022 mit der 14-Jährigen in Kontakt gewesen sein.
Im Rahmen der Ermittlungen der 30-köpfigen Sonderkommission waren über 30.000 Chats ausgewertet worden, die nun auch Bestandteil des Verfahrens sein werden. Den entscheidenden Hinweis lieferten jedoch Mobilfunkdaten, die Auskunft über das Bewegungsprofil des Angeklagten gegeben haben, so die Ermittler in einer Pressemitteilung.
Geständnis bei der Polizei
Nach seiner Festnahme hatte der Angeklagte bei einer mehrstündigen Vernehmung im September 2022 die Tat eingeräumt. Er habe im Beisein seiner Verteidiger zugegeben, den Tod der Schülerin "durch körperliche Gewalteinwirkung herbeigeführt und den Leichnam anschließend im Teufelsee bei Echzell versenkt zu haben", wie die Staatsanwaltschaft und Polizei in Gießen bestätigten. Zudem soll er die Ermittlerinnen und Ermittler im Anschluss zu dem Tatort und der abgelegten Kleidung der Getöteten geführt haben.
Der heute 30-Jährige war schon als Jugendlicher wegen einer Sexualstraftat verurteilt worden. Er verbrachte deshalb zehn Jahre in einem psychiatrischen Krankenhaus. Bis Januar 2022 war der Mann in einem Programm für rückfallgefährdete Sexualstraftäter, das die Bevölkerung vor bereits verurteilten, schützen soll, nachdem diese aus der Haft oder dem Maßregelvollzug entlassen wurden. Wie das Landgericht Limburg mitteilte, sollte der Mann aus Hessen nach seiner Entlassung 2017 eigentlich unbefristet unter Aufsicht gestellt werden. Dagegen hatte er allerdings erfolgreich Beschwerde eingelegt.